Ortsverein Kiel-Pries/Friedrichsort

Aus SPD Geschichtswerkstatt
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Der Ortsverein Kiel-Pries/Friedrichsort ist eine Gliederung im Kreisverband Kiel. Er hat seine Ursprünge vor 1895, existierte aber als eigenständiger „SPD-Verein“ wahrscheinlich erstmals nach der Revolution und gehört seit 1922 zu Kiel.

Zu Vorsitzenden wurden am 30. Mai 2021 als Doppelspitze Ingrid Havemann und Fabian Reichardt gewählt; seit 10. November 2021 war Ingrid Havemann alleinige Vorsitzende. Sie lösten Uli Paproth ab, der dem Ortsverein seit 2009 vorgestanden hatte. Seine Vorgänger waren u.a. Volkhard Hanns, Mathias Stein, Karsten Langfeldt und Jürgen Röpstorff. Mit Stand vom 31. Dezember 2020 hatte der Ortsverein 42 Mitglieder.

"Historischer Infostand" zum Parteijubiläum

Zum "Tag der Ortsvereine" am 4. Mai 2013 zum 150jährigen Bestehen der SPD präsentierte der Ortsverein einen "historischen Infostand" in historischen Kostümen. Es wirkten mit von rechts Waltraud Bischoff, Birgit Wellendorf, Antje Möller-Neustock und als Moritatensänger Klaus Keil. Nicht im Bild sind Volkhard Hanns und Uli Paproth.

Vorgeschichte

1892 entschied die Versammlung in Dänischenhagen, dass sie sich auf dem Parteitag von dem Delegierten aus Friedrichsort vertreten lassen wolle. Im Protokoll wird später die Teilnahme des Genossen Götke vermerkt.[1]

Bereits 1893 gab es in Pries und Friedrichsort SPD-Mitglieder, darunter den Schumacher Hoffmann, denen von der Polizei die Schuld an mehreren Brandstiftungen zugeschoben werden sollte.[2] Auch 1894 sind sozialdemokratische Aktivitäten in Friedrichsort belegt, es soll eine „öffentliche Versammlung für Frauen und Männer“ mit dem Genossen Klüß [vermutlich VZ-Redakteur Joachim Klüß] als Redner stattgefunden haben.[3]

Am 10. März 1895 sprach Carl Legien im Lokal des Herrn Göttsch in Pries auf einer von ca. 250 Personen besuchten Volksversammlung. Im Anschluss wurde eine Protestresolution beschlossen und „noch eine Kommission von 3 Personen gewählt […], um die Gründung eines Arbeiterbildungsvereins für Pries und Umgegend in die Hand zu nehmen“. Der Vorsitzende schloss die Versammlung mit einem Hoch auf die Sozialdemokratie.[4] Der erwähnte Vorsitzende war wohl der zu Beginn gewählte Versammlungsleiter. Wenige Tage später nahm Friedrichsort als einer von nur fünf Orten an der Wahlkreiskonferenz in Schleswig teil.[5]

Bei der Wahlkreiskonferenz im Frühjahr 1898 wurde Pries-Friedrichsort durch den Kieler Wilhelm Brecour vertreten und es wurde festgestellt, dass dort eine politische Organisation nicht vorhanden sei, „da dort die kaiserliche Torpedowerkstatt die Arbeitsstätte vieler Genossen ist.“ Doch das politische Leben schlafe keineswegs, denn die Genossen träfen sich privat und von Kiel aus werde Einiges organisiert.[6] Nur wenige Monate später wurden tatsächlich zwei Arbeiter dort als „sozialdemokratische Agitatoren“ entlassen, weil sie am 1. Mai beim Flugblattverteilen in Dänischenhagen aufgegriffen worden waren.[7]

Zur Wahlkreiskonferenz im November 1898 schickte Friedrichsort einen schriftlichen Bericht, Pries und Holtenauwaren jeweils mit einem Gast vertreten. [8]

Im Juni 1900 muss es vor Ort schon eine stattliche Größe an Personen gegeben haben, die sich der Partei verbunden fühlten, denn es wurden 60 Mark Parteibeiträge an den Parteivorstand abgeführt.[9] Falls diese Summe nur aus Zahlungen des Monats bestand, dürften es wohl um die 200 inoffizielle Mitglieder gewesen sein.

Die Nachwahlen für den Reichstagswahlkreis 1903 geben einen Blick auf die örtlichen Mehrheitsverhältnisse: In der Stichwahl zwischen dem SPD-Kandidaten Paul Hoffmann (Hamburg) und dem liberalen Gegenkandidaten Spethmann ging es in Friedrichsort 114:83, in Pries 251:76 und in Holtenau 187:72 aus.[10]

Bei der Reichstagswahl 1912 gab es in Pries mit 99% die wohl höchste Wahlbeteiligung im Reich. Dabei wählten 546 Personen die SPD (1907 noch 315). Im gesamten dritten Reichstagswahlkreis (Schleswig-Eckernförde) gab es zu dieser Zeit 1349 Mitglieder.[11]

1913 gelang es der SPD, 6 von 12 Gemeinderatssitzen in Pries zu besetzen. Der Vorwärts wies darauf hin, dass dies ein bemerkenswertes Ergebnis sei, da die Wahl öffentlich gewesen wäre und die meisten Arbeiter dort in der Marine-Torpedoanstalt beschäftigt wären, wo ihnen bei sozialdemokratischer Betätigung die Entlassung angedroht sei.[12]

Friedrichsort könnte zum Sozialdemokratischen Verein Holtenau und Umgegend gehört haben, denn im Rahmen der Abspaltung zur USPD ist stets von den „Genossen von Friedrichsort-Holtenau“ die Rede.[13] Offen ist, ob der 1895 geplante Arbeiterbildungsverein 1903 im Sozialdemokratischen Verein für Holtenau und Umgegend aufging.

Auch die Gewerkschaften waren im Ort vertreten, so existierte eine Abteilung des Deutschen Werftarbeiterverbands, deren Vorsitzender 1902 Bade hieß.[14] Auch zur Konferenz der Metallarbeiter 1899 erschien ein Vertreter aus Pries.[15]


Der Arbeitersport wurde ausgeübt in der Freien Turnerschaft Friedrichsort und Umgebung, die 1945 mit den beiden anderen Sportvereinen im Ort fusionierte.


1918 kam es in Friedrichsort zu organisierten Plünderungen, als der Soldatenrat tausende Flaschen Alkohol und Zigaretten in den Wohnungen von Offizieren und Wohlhabenden sowie bei Geschäftsleuten beschlagnahmte.[16]

1920 trat der Friedrichsorter Genosse Panitzki für die USPD auf Platz 10 der Landesliste für den Reichstag an.[17]

Für die in Schleswig-Holstein erst im Februar 1921 stattfindende Reichstagswahl 1920 trat auf Platz 11 des Listenvorschlags „Friedrich Hansen, Kolporteur, Pries-Friedrichsort, Diekmissen 98“ an.[18] Die Straße Diekmissen liegt im Ortsteil Schusterkrug, der eigentlich zur Gemeinde Holtenau gehörte.

Links


  1. Hamburger Echo, 2.3.1892, S. 7
  2. Hamburger Echo 11.1.1893, S. 3
  3. Die Gleichheit 30.5.1894
  4. Hamburger Echo, Mittwoch 13. März 1895
  5. Hamburger Echo, 15.3.1895
  6. Hamburger Echo, 8.3.1898, S.5
  7. Hamburger Echo, 14.5.1898
  8. Hamburger Echo, 26.11.1898, S.3
  9. Vorwärts 10.7.1900
  10. Hamburgischer Correspondent, 11.2.1903, S. 3
  11. Vorwärts 21.8.1912
  12. Vorwärts 12.6.1913
  13. Mitteilungsblatt des Verbandes der Sozialdemokratischen Wahlvereine Berlins und Umgegend : Organ des Bezirksverbandes Berlin-Brandenburg der USPD. 18.2.1917 und 18.3.1917
  14. Vorwärts 3.4.1902
  15. Hamburger Echo 17.1.1899
  16. Freiheit 19.12.1818
  17. Freiheit 26.5.1920
  18. vgl. Hamburger Echo, 16.2.1921, S. 6