Otto Passarge

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Otto Passarge
Geboren: 12. November 1891
Gestorben: 16. Mai 1976

Otto Karl Hermann Passarge, * 12. November 1891 in Lübeck; † 16. Mai 1976 Lübeck; Maurer, Stuckateur, Bürgermeister von Lübeck; Mitglied der SPD ab 1908.

Leben & Beruf

Otto Passarge war der Sohn eines Schuhmachers und seiner schwedischen Ehefrau.[1] Sein Vater starb schon 1895. Otto Passarge besuchte die Volksschule und machte eine Lehre als Maurer. Von 1910 bis 1914 war er als wandernder Handwerksgeselle in Deutschland und für zwei Jahre auch in der Schweiz unterwegs. Dort hörte er Vorträge von August Bebel und Leo Trotzki.[2] Ab 1914 nahm er als Kriegsfreiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. Dessen Ende erlebte er in Zwickau, wo er noch 1918 seine Ehefrau Hedwig, geb. Liebscher, heiratete.[2]

1919 kehrte Otto Passarge mit seiner Frau nach Lübeck zurück. 1923 wurde er Vorstandsmitglied und Geschäftsführer des neu gegründeten "Bauvereins Selbsthilfe", eines gemeinnützigen Vereins zur Unterstützung des gemeinschaftlichen Bauens von Kleinwohnungen.[2]

1933 verlor er seine Arbeit. Die Nazis sperrten ihn zunächst im KZ Fuhlsbüttel ein. Ab 1935 betrieb er einen Kolonialwarenladen in der Vorstadt St. Lorenz[2] und betätigte sich die nächsten Jahre im Widerstand[3]. 1936 wurde er erneut verhaftet, 1939/1940 verbrachte er längere Zeit im KZ Oranienburg. 1943 meldete er sich zur Wehrmacht, um der weiteren Verfolgung durch die Gestapo zu entgehen.[2] Nach anderen Informationen wurde er 1944 zum Kriegsdienst verpflichtet.[3]

Nach der Nazi-Herrschaft und seiner Rückkehr nach Lübeck stellte er sich sofort für den Neuaufbau der kommunalen Selbstverwaltung zur Verfügung. Ab 1950 war er hauptamtlicher Bürgermeister der Stadt, bis er 1956 wegen eines Herzleidens in den Ruhestand ging.[2]

Das Ehepaar lebte am Ende seines Landtagsmandats in der Robert-Koch-Straße 2 in Lübeck. Sie hatten keine Kinder; Hedwig Passarge starb 1964.[2] Otto Passarge starb 1976 mit 84 Jahren in Lübeck.

Partei & Politik

Mit 17 Jahren trat Otto Passarge 1908 in die SPD ein[3] und gründete mit anderen die Sozialistische Arbeiterjugend in Lübeck. Von 1911 bis 1913 war er Präsident des Deutschen Arbeitervereins in Basel.

1929 nahm er als Delegierter am SPD-Parteitag in Magdeburg teil.[4]

Ab 1924 war er Leiter des Reichsbanners in Lübeck und dessen technischer Leiter im Gau Mecklenburg-Lübeck.

Lübecker Bürgerschaft

Zunächst war Otto Passarge bürgerlicher Deputierter in der Bau-, in der Finanzbehörde, beim Jugendamt und im Polizeibeirat. Mit 30 Jahren wurde er 1921 in die Lübecker Bürgerschaft gewählt und gehörte ihr bis zur Machtübernahme der Nazis 1933 an. Seine Schwerpunkte waren Jugend- und Baupolitik sowie das Polizeiwesen, für die er auch in den entsprechenden Ausschüssen tätig war. Ab 1930 war er Fraktionsvorsitzender[3] und Vorsitzender des Ältestenrats der Bürgerschaft.

Anfang August 1945 berief der eingesetzte Oberbürgermeister Emil Helms den politisch unbelasteten Otto Passarge mit Zustimmung des britischen Gouverneurs zum Lübecker Polizeipräsidenten[5].

"Von 1933 an war Passarge aus politischen Gründen mehrmals verhaftet und in Konzentrationslager gebracht worden, da er Kontakte zu Dr. Julius Leber hatte und in Berlin aus der Sicht der Nationalsozialisten illegalen Tätigkeiten nachgegangen war. Während seiner Haft im Konzentrationslager lernte Passarge den Sohn des französischen Sozialisten Leon Blum kennen, der 1945 als Offizier der Militärregierung in Lübeck tätig war. Aufgrund dieses Kontaktes gelang es Passarge, eine gute Verbindung zu Oberstleutnant Munro herzustellen und so Zugang zur britischen Militärregierung zu finden."[6]

Bürgermeister

Im März 1946 wurde Otto Passarge von der Bürgerschaft mit 41 zu 9 Stimmen[6] zum Bürgermeister von Lübeck gewählt; Sein Amt als Polizeipräsident legte er nieder. Zu dieser Zeit war der Bürgermeister ein reines Ehrenamt; Verwaltungschef war der Oberstadtdirektor, in Lübeck Emil Helms. 1950 kehrte die schleswig-holsteinische Gemeindeordnung zur Hauptamtlichkeit der Bürgermeister*innen zurück. Die Bürgerschaft wählte Otto Passarge für sechs Jahre zum Bürgermeister.[2]

"Viele Probleme, mit denen Emil Helms sich konfrontiert gesehen hatte, waren auch in der Amtszeit von Passarge bei weitem noch nicht gelöst. Eine zentrale Rolle spielte immer noch die Unterbringung der Flüchtlinge, die eine Verbesserung der Versorgung mit Wohnraum dringend erforderlich machte, gleichzeitig wurde auch mit dem Aufbau der zerstörten Altstadt Lübecks begonnen. Ein großes Verdienst errang Passarge dadurch, dass er die Sprengung der elf Hochbunker verhinderte, die die Briten forderten, obwohl damit weiterer Wohnraum in der Altstadt gefährdet worden wäre. Zudem nutzte Passarge seine guten Beziehungen zur Militärregierung, um die Demontage einiger Großbetriebe zu verhindern, so dass eine Grundlage für den wirtschaftlichen Wiederaufbau in der Stadt erhalten blieb."[6]

"Besondere Verdienste erwarb er sich um die Aussöhnung mit den skandinavischen Staaten. Auf seine Anregung gingen die Nordischen Tage in Lübeck zurück, die zwischen 1953 und 1956 dreimal stattfanden und der Wiederherstellung der kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den nordischen Ländern dienten."[2]

Landtag

In der Landtagswahl 1947 wurde Otto Passarge für den Wahlkreis 40 (Lübeck IV) direkt in den Landtag gewählt. Er war Mitglied im Polizeiausschuss, im Wirtschaftssausschuss und im Ausschuss für die Wahrung der Rechte der Volksvertretung. Außerdem nahm er als Vertreter der SPD 1949 an der 1. Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten teil. Zur Landtagswahl 1950 trat er wegen seiner Wahl zum Lübecker Bürgermeister nicht wieder an.

Ehrungen

Otto Passarge. Skulptur vor dem Lübecker Bauverein
  • 1956 wurde Otto Passarge das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen.
  • Schweden ehrte ihn im selben Jahr mit dem Kommandeurskreuz des Vasa-Ordens.[2]
  • 1957 wurde mit der Freiherr-vom-Stein-Medaille des Landes sein kommunlpolitisches Engagement gewürdigt.[2]
  • 1961 erhielt er mit der goldenen Gedenkmünze "Bene Merenti" die höchste Auszeichnung der Stadt Lübeck.
  • Nach Otto Passarge sind in Lübeck eine Schule, eine Straße und der Otto-Passarge-Saal benannt.
  • Seit 1998 steht vor dem Verwaltungsgebäude des Lübecker Bauvereins eine von Josef Wieczorek geschaffene Skulptur von Otto Passarge.[7]

Literatur

  • Gaul, Gerhard: Ein Mann der ersten Stunde. Zum Gedenken an Otto Passarge. In: Lübeckische Blätter, Nr. 11 vom 29.5.1976.
  • Hemmie, Dagmar: Otto Passarge (1891-1976). Leben und Wirken für Lübeck (Lübeck 2011)
  • Seggern, Jessica von: Demokratischer Neubeginn in Lübeck: Emil Helms und Otto Passarge als oberste Repräsentanten der Stadt nach 1945. In: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, Band 86 (2006), S. 229-242. (Digitalisat)
  • Sinner, Karl-Ernst: Tradition und Fortschritt. Senat und Bürgermeister der Hansestadt Lübeck 1918-2007, Band 46 der Reihe B der Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck, herausgegeben vom Archiv der Hansestadt Lübeck (Lübeck 2008), S. 186–189
  • Freitag, Hans-Henning: Passarge, Otto Karl Hermann. In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck (SHBL), Band 11 (2000), S. 310-312 (BioLex Digital, S. 2013-2015)
  • Archiv der Hansestadt Lübeck: Entnazifizierung, "Ohne Kosten" Nr. 449
  • Archiv der Hansestadt Lübeck: Hauptamt Nr. 431

Links

  • Landtagsinformationssystem: Otto Passarge
  • Wikipedia: Otto Passarge
  • Biografie von Otto Passarge. In: Schröder, Wilhelm H.: Sozialdemokratische Parlamentarier in den deutschen Reichs- und Landtagen 1876–1933 (BIOSOP)

Einzelnachweise

  1. SHBL, S. 310
  2. 2,00 2,01 2,02 2,03 2,04 2,05 2,06 2,07 2,08 2,09 2,10 SHBL, S. 311
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8, S. 558
  4. Biografie von Otto Passarge. In: Wilhelm H. Schröder: Sozialdemokratische Parlamentarier in den deutschen Reichs- und Landtagen 1876–1933 (BIOSOP)
  5. Lübeck und Artikel 29 Abs. 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Akten und Urteil im Beschwerdeverfahren der Vaterstädtischen Vereinigung Lübeck e. V. vor dem Bundesverfassungsgericht. In: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, Band 27 (1957), Seite 62
  6. 6,0 6,1 6,2 Seggern, Jessica von: Demokratischer Neubeginn in Lübeck: Emil Helms und Otto Passarge als oberste Repräsentanten der Stadt nach 1945. In: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, Band 86 (2006), S. 229-242. (Digitalisat)
  7. Wikipedia: Erinnerungs- und Denkmale in Lübeck