Bruno Diekmann: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Bruno Diekmann''', * [[19. April]] [[1897]] in Kiel-Dietrichsdorf<ref>Schleswig-Holsteinische Volkszeitung v. 19.04.1962</ref>; † [[11. Januar]] [[1982]] in Kiel; Ingenieur, Ministerpräsident. [[1919]] Eintritt in die SPD.
'''Bruno Diekmann''', * [[19. April]] [[1897]] in Kiel, † [[11. Januar]] [[1982]] in Kiel; Ingenieur, Ministerpräsident. [[1919]] Eintritt in die SPD.


==Werdegang==
==Werdegang==
Nach dem Besuch der Volksschule und einer Privatschule<ref>Lt. ''Handbuch des Deutschen Bundestages der 5. Wahlperiode'', angeführt im Landtagsinformationssystem</ref> machte Bruno Diekmann eine Lehre als Elektriker. [[1916]] wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und nahm bis November [[1918]] am 1. Weltkrieg teil. In der Folgezeit bildete er sich durch Selbststudium in den Bereichen Volkswirtschaft, Naturwissenschaften, Mathematik und Technik weiter.<ref>''[https://www.munzinger.de/search/go/document.jsp?id=00000001729 Bruno Diekmann]'', in: ''Internationales Biographisches Archiv'' 34/1954 vom 16. August 1954, im Munzinger-Archiv</ref> Nach einem Abschluss als Telefonbau-Ingenieur arbeitete er als Angestellter bei der Maschinenbaufirma Deutsche Werke AG in Kiel und war dort auch im Betriebsrat<ref>''[https://www.munzinger.de/search/go/document.jsp?id=00000001729 Bruno Diekmann]'', in: ''Internationales Biographisches Archiv'' 34/1954 vom 16. August 1954, im Munzinger-Archiv</ref>, bis er zu Beginn der NS-Herrschaft [[1933]] entlassen wurde.<ref>Lt. ''Wer ist wer?'' (17. Ausg. 1971/73), angeführt im Landtagsinformationssystem</ref> Seit [[1918]] engagierte er sich gewerkschaftlich im Kieler Metallarbeiter-Verband.<ref>''[https://www.munzinger.de/search/go/document.jsp?id=00000001729 Bruno Diekmann]'', in: ''Internationales Biographisches Archiv'' 34/1954 vom 16. August 1954, im Munzinger-Archiv</ref>  
Bruno Diekmann wuchs in in Kiel-Dietrichsdorf auf.<ref name=":2">''[[VZ]]'', 19.4.1962</ref>Nach dem Besuch der Volksschule und einer Privatschule<ref>Lt. ''Handbuch des Deutschen Bundestages der 5. Wahlperiode''</ref> machte Bruno Diekmann eine Lehre als Elektriker. [[1916]] wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und nahm bis November [[1918]] am 1. Weltkrieg teil. In der Folgezeit bildete er sich durch Selbststudium in den Bereichen Volkswirtschaft, Naturwissenschaften, Mathematik und Technik weiter.<ref name=":0">''[https://www.munzinger.de/search/go/document.jsp?id=00000001729 Bruno Diekmann]'', in: ''Internationales Biographisches Archiv'' 34/1954 vom 16.8.1954 ("Munzinger-Archiv")</ref> Nach einem Abschluss als Telefonbau-Ingenieur arbeitete er als Angestellter bei der Maschinenbaufirma Deutsche Werke AG in Kiel und war dort auch im Betriebsrat<ref name=":0" />, bis er zu Beginn der NS-Herrschaft [[1933]] entlassen wurde.<ref name=":1">Lt. ''Wer ist wer?'' (17. Ausg. 1971/73)</ref> Seit [[1918]] engagierte er sich gewerkschaftlich im Kieler Metallarbeiter-Verband.<ref name=":0" />  


Die Nazis nahmen ihn bis [[1939]] zweimal in "Schutzhaft". Ansonsten arbeitete er als Fernmeldetechniker; ab [[1939]], als verstärkt Männer zum Krieg eingezogen wurden, übertrug man ihm die Leitung der Fernsprechzentrale der Marinestation Ost in Kiel. [[1944]] wurde er im Rahmen der [[Aktion Gewitter]] wie viele andere verhaftet und ins KZ Neuengamme gebracht.<ref>Lt. ''Wer ist wer?'' (17. Ausg. 1971/73), angeführt im Landtagsinformationssystem</ref>  
Die Nazis nahmen ihn bis [[1939]] zweimal in "Schutzhaft". Ansonsten arbeitete er als Fernmeldetechniker; ab [[1939]], als verstärkt Männer zum Krieg eingezogen wurden, übertrug man ihm die Leitung der Fernsprechzentrale der Marinestation Ost in Kiel. [[1944]] wurde er im Rahmen der [[Aktion Gewitter]] wie viele andere verhaftet und ins KZ Neuengamme gebracht.<ref name=":1" />


[[Datei:Grabstein Bruno Diekmann.png|260px|thumb|left|Der Grabstein von Bruno Diekmann auf dem Südfriedhof Kiel]]Nach der NS-Herrschaft widmete er sich dem Wiederaufbau der Gewerkschaftsbewegung in Kiel und wurde zunächst hauptamtlicher Geschäftsführer, dann bis [[1948]] DGB-Vorsitzender. Ab [[1946]] gehörte er auch dem Zonenvorstand der Gewerkschaften an. Er lebte in der Saarbrückenstraße 39.<ref>Amtsblatt für Schleswig Holstein (Jahrgang 1950), S. ?; das Landtagsinformationssystem gibt Hausnr. 30 an, die nicht existiert.</ref> Seinen Beruf gab er für den Landtag mit "Geschäftsführer" an, seine Religionszugehörigkeit mit "konfessionslos". Über seinen Familienstand liegen bisher keine Informationen vor.
[[Datei:Grabstein Bruno Diekmann.png|260px|thumb|left|Der Grabstein von Bruno Diekmann auf dem Südfriedhof Kiel]]Nach der NS-Herrschaft widmete er sich dem Wiederaufbau der Gewerkschaftsbewegung in Kiel und wurde zunächst hauptamtlicher Geschäftsführer, dann bis [[1948]] DGB-Vorsitzender. Ab [[1946]] gehörte er auch dem Zonenvorstand der Gewerkschaften an. Er lebte in der Saarbrückenstraße 39.<ref>Amtsblatt für Schleswig Holstein (Jahrgang 1950), S. ?; das Landtagsinformationssystem gibt Hausnr. 30 an, die nicht existiert.</ref> Seinen Beruf gab er für den Landtag mit "Geschäftsführer" an, seine Religionszugehörigkeit mit "konfessionslos". Über seinen Familienstand liegen bisher keine Informationen vor.
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==Partei & Politik==
==Partei & Politik==
[[Datei:Hermann Lüdemann, Bruno Diekmann und Wilhelm Käber.jpg|260px|thumb|left|Hermann Lüdemann, Bruno Diekmann und Wilhelm Käber im Gespräch]]Der SPD schloss sich Bruno Diekmann [[1919]] an.<ref>Im ''Handbuch des Deutschen Bundestages der 5. Wahlperiode'', angeführt im Landtagsinformationssystem, ist das Jahr 1918 angegeben</ref> [[1933]] wurde er in den Vorstand der [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kieler SPD]] gewählt, nachdem er [[1929]] schon [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel - Stadtverordnete|Stadtverordneter]] geworden war.  
[[Datei:Hermann Lüdemann, Bruno Diekmann und Wilhelm Käber.jpg|260px|thumb|left|Hermann Lüdemann, Bruno Diekmann und Wilhelm Käber im Gespräch]]Der SPD schloss sich Bruno Diekmann [[1919]] an.<ref>Im ''Handbuch des Deutschen Bundestages der 5. Wahlperiode'' ist das Jahr 1918 angegeben</ref> [[1933]] wurde er in den Vorstand der [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel|Kieler SPD]] gewählt, nachdem er [[1929]] schon [[Sozialdemokratischer Verein Groß-Kiel - Stadtverordnete|Stadtverordneter]] geworden war.  


Von [[1948]] bis [[1965]] war er Mitglied im Bezirks- bzw. [[Landesvorstand]].
Von [[1948]] bis [[1965]] war er Mitglied im Bezirks-, später [[Landesvorstand]].


Ab [[1948]] gehörte er dem wirtschaftspolitischen Ausschuss der Gesamtpartei an.<ref>{{Wikipedia}}, abgerufen 21.8.2021</ref>
Ab [[1948]] gehörte er dem wirtschaftspolitischen Ausschuss der Gesamtpartei an.<ref>{{Wikipedia}}, abgerufen 21.8.2021</ref>


Er nahm als Delegierter am außerordentlichen Parteitag der SPD vom [[13. - 15. November]] [[1959]] in Bad Godesberg teil, auf dem das [[Godesberger Programm]] beschlossen wurde.<ref>Protokoll des außerordentlichen Parteitags der SPD vom 13.-15. November 1959 in Bad Godesberg, herausgegeben vom Vorstand der SPD Deutschlands, S. 619</ref>
Er nahm als Delegierter am außerordentlichen Parteitag der SPD vom [[13. November|13.]]-[[15. November]] [[1959]] in Bad Godesberg teil, auf dem das [[Godesberger Programm]] beschlossen wurde.<ref>Protokoll des außerordentlichen Parteitags der SPD vom 13.-15. November 1959 in Bad Godesberg, herausgegeben vom Vorstand der SPD Deutschlands, S. 619</ref>


===Landtag und Bundestag===
===Landtag und Bundestag===
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Die [[Entnazifizierung in Schleswig-Holstein#Aufarbeitung|Studie von Danker/Lehmann-Himmel zur NS-Belastung des Landtages]] ordnet ihn unter den fünf möglichen Kategorien als "oppositionell 'gemeinschaftsfremd'"<ref>Vgl. {{Vorlage:Drucksache-18-4464}}, S. 173. Die fünf Kategorien lauten "exponiert nationalsozialistisch", "systemtragend karrieristisch", "ns-sozialisiert", "angepasst ambivalent" und "oppositionell 'gemeinschaftsfremd'".</ref> und darin als "Protagonist der Arbeiterbewegung" ein<ref>{{Vorlage:Drucksache-18-4464}}, S. 279. Grundlage ihrer Einordnung sind Akten im Landesarchiv (LASH Abt. 460.19, Nr. 855 und Abt. 605, Nr. 1992, Fasz. 3).</ref>.
Die [[Entnazifizierung in Schleswig-Holstein#Aufarbeitung|Studie von Danker/Lehmann-Himmel zur NS-Belastung des Landtages]] ordnet ihn unter den fünf möglichen Kategorien als "oppositionell 'gemeinschaftsfremd'"<ref>Vgl. {{Vorlage:Drucksache-18-4464}}, S. 173. Die fünf Kategorien lauten "exponiert nationalsozialistisch", "systemtragend karrieristisch", "ns-sozialisiert", "angepasst ambivalent" und "oppositionell 'gemeinschaftsfremd'".</ref> und darin als "Protagonist der Arbeiterbewegung" ein<ref>{{Vorlage:Drucksache-18-4464}}, S. 279. Grundlage ihrer Einordnung sind Akten im Landesarchiv (LASH Abt. 460.19, Nr. 855 und Abt. 605, Nr. 1992, Fasz. 3).</ref>.


Nach der Niederlage in der [[Landtagswahl 1950]] wählte ihn die Fraktion zu ihrem Vorsitzenden. Am [[2. Oktober]] [[1953]] legte er sein Landtagsmandat nieder, weil er ebenfalls über die Liste in den Bundestag gewählt worden war, dem er bis [[1969]] angehörte. Er setzte sich besonders für die Interessen der Fischerei und der Landwirtschaft ein. Im vierten Bundestag wurde er auch Mitglied des Verteidigungsausschusses<ref>Schleswig-Holsteinische Volkszeitung v. 19.04.1962</ref>. Als MdB nahm er an vier Bundesversammlungen teil.
Nach der Niederlage in der [[Landtagswahl 1950]] wählte ihn die Fraktion zu ihrem Vorsitzenden. Am [[2. Oktober]] [[1953]] legte er sein Landtagsmandat nieder, weil er ebenfalls über die Liste in den Bundestag gewählt worden war, dem er bis [[1969]] angehörte. Er setzte sich besonders für die Interessen der Fischerei und der Landwirtschaft ein. Im vierten Bundestag wurde er auch Mitglied des Verteidigungsausschusses.<ref name=":2" /> Als MdB nahm er an vier Bundesversammlungen teil.


===Landesregierung===
===Landesregierung===
Schon [[1946]] wurde er im [[Kabinett Steltzer I|Kabinett]] von Theodor Steltzer Wirtschaftsminister. [[1947]] kam das Ressort im [[Kabinett Lüdemann I|Kabinett Lüdemann]] Verkehr hinzu. Gleichzeitig wurde er stellvertretender Ministerpräsident. [[1948]] übernahm er zusätzlich kommissarisch das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Am [[29. August]] [[1949]] folgte er [[Hermann Lüdemann]] als Ministerpräsident. In dieser Funktion rief er offenbar für die [[Landtagswahl 1950]] zu einem "Burgfrieden" auf, der einen fairen Wahlkampf gewährleisten sollte.<ref>{{Vorlage:Drucksache-18-4464}}, S. 340</ref>
Schon [[1946]] wurde er im [[Kabinett Steltzer I|Kabinett]] von Theodor Steltzer Wirtschaftsminister. [[1947]] kam das Ressort im [[Kabinett Lüdemann I|Kabinett Lüdemann]] Verkehr hinzu. Gleichzeitig wurde er stellvertretender Ministerpräsident. [[1948]] übernahm er zusätzlich kommissarisch das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Am [[29. August]] [[1949]] folgte er [[Hermann Lüdemann]] als Ministerpräsident. In dieser Funktion rief er offenbar für die [[Landtagswahl 1950]] zu einem "Burgfrieden" auf, der einen fairen Wahlkampf gewährleisten sollte.<ref>{{Vorlage:Drucksache-18-4464}}, S. 340</ref>


Ab [[1951]] gehörte er vermutlich in seiner Landtagsfunktion dem Vorstand der Deutsche Werke AG in Kiel an.<ref>Lt. ''Wer ist wer?'' (17. Ausg. 1971/73), angeführt im Landtagsinformationssystem</ref>
Ab [[1951]] gehörte er vermutlich in seiner Landtagsfunktion dem Vorstand der Deutsche Werke AG in Kiel an.<ref name=":1" />


==Ehrungen==
==Ehrungen==
Am [[11. November]] [[1963]] wurde Bruno Diekmann das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland durch den Ministerpräsidenten Helmut Lemke überreicht.<ref>Plenarprotokoll vom [http://lissh.lvn.parlanet.de/shlt/lissh-dok/infothek/wahl05/plenum/plenprot/XQQP05-22.pdf 16. Dezember 1963], Seite 660</ref> Die Verleihung datierte vermutlich vom [[18. Oktober]] des Jahres; am selben Tag wurde [[Wilhelm Käber]] ebenso geehrt.
Am [[11. November]] [[1963]] wurde Bruno Diekmann das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland durch den Ministerpräsidenten Helmut Lemke überreicht.<ref>Plenarprotokoll vom [http://lissh.lvn.parlanet.de/shlt/lissh-dok/infothek/wahl05/plenum/plenprot/XQQP05-22.pdf 16. Dezember 1963], Seite 660</ref> Die Verleihung datierte vermutlich vom [[18. Oktober]] des Jahres; am selben Tag wurde [[Wilhelm Käber]] ebenso geehrt.


==Stimmen==
==Stimmen==
 
*"Der [[Landesvorsitzende/r|Landesvorsitzende]] der schleswig-holsteinischen SPD, [[Günther Jansen]], und der Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag, [[Klaus Matthiesen]], erklärten, Bruno Diekmann habe sich in den schweren und bitteren Nachkriegsjahren als [[Kabinett Lüdemann I|Minister]], [[:Kategorie:MinisterpräsidentIn|Ministerpräsident]] und Parlamentarier um die geistige und politische Verankerung der Demokratie und besonders um den Wiederaufbau Schleswig-Holsteins verdient gemacht. Mit Bruno Diekmann verliere die schleswig-holsteinische SPD einen Mann, der nichts davon hielt, in Geschichtsbüchern verewigt zu werden, der aber in sie hineingehöre, weil er schleswig-holsteinische Geschichte geprägt und gestaltet habe. Bruno Diekmann war ein Mann mit unbestechlichem moralischen Engagement und mit politischer Standhaftigkeit. Wer wie er von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager geschickt wurde, konnte gegenüber den Siegermächten in seinem Kampf gegen die Demontage der Industriebetriebe nach [[1945]] glaubhaft die Interessen seiner Landsleute vertreten. Wer wie er [[1933]] Arbeit und Einkommen wegen seiner politischen Überzeugung verlor und trotzdem ihr treu blieb, konnte auf deutscher Seite als glaubhafter Anwalt für die dänische Minderheit zur Sicherung ihrer freien Entfaltung im politischen und kulturellen Leben wirken. Bruno Diekmanns Ableben rufe allen Schleswig-Holsteinern dessen geschichtliche Leistung für unser Land ins Bewußtsein."<ref>[[Landesverband|SPD Schleswig-Holstein]]: Nachruf auf Bruno Diekmann, Januar 1982</ref>
*"Der Landesvorsitzende der schleswig-holsteinischen SPD, [[Günther Jansen]], und der Oppositionsführer im SchleswigHolsteinischen Landtag, [[Klaus Matthiesen]], erklärten, Bruno Diekmann habe sich in den schweren und bitteren Nachkriegsjahren als [[Kabinett Lüdemann I|Minister]], [[:Kategorie:MinisterpräsidentIn|Ministerpräsident]] und Parlamentarier um die geistige und politische Verankerung der Demokratie und besonders um den Wiederaufbau Schleswig-Holsteins verdient gemacht. Mit Bruno Diekmann verliere die schleswig-holsteinische SPD einen Mann, der nichts davon hielt, in Geschichtsbüchern verewigt zu werden, der aber in sie hineingehöre, weil er schleswig-holsteinische Geschichte geprägt und gestaltet habe. Bruno Diekmann war ein Mann mit unbestechlichem moralischen Engagement und mit politischer Standhaftigkeit. Wer wie er von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager geschickt wurde, konnte gegenüber den Siegermächten in seinem Kampf gegen die Demontage der Industriebetriebe nach 1945 glaubhaft die Interessen seiner Landsleute vertreten. Wer wie er 1933 Arbeit und Einkommen wegen seiner politischen Überzeugung verlor und trotzdem ihr treu blieb, konnte auf deutscher Seite als glaubhafter Anwalt für die dänische Minderheit zur Sicherung ihrer freien Entfaltung im politischen und kulturellen Leben wirken. Bruno Diekmanns Ableben rufe allen Schleswig-Holsteinern dessen geschichtliche Leistung für unser Land ins Bewußtsein."


==Archive==
==Archive==
*Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA): [http://purl.org/pressemappe20/folder/pe/003990 Pressemappe Bruno Diekmann]
*Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA): [http://purl.org/pressemappe20/folder/pe/003990 Pressemappe Bruno Diekmann]



Version vom 18. November 2024, 03:03 Uhr

Bruno Diekmann
Bruno Diekmann
Bruno Diekmann
Geboren: 19. April 1897
Gestorben: 11. Januar 1982

Bruno Diekmann, * 19. April 1897 in Kiel, † 11. Januar 1982 in Kiel; Ingenieur, Ministerpräsident. 1919 Eintritt in die SPD.

Werdegang

Bruno Diekmann wuchs in in Kiel-Dietrichsdorf auf.[1]Nach dem Besuch der Volksschule und einer Privatschule[2] machte Bruno Diekmann eine Lehre als Elektriker. 1916 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und nahm bis November 1918 am 1. Weltkrieg teil. In der Folgezeit bildete er sich durch Selbststudium in den Bereichen Volkswirtschaft, Naturwissenschaften, Mathematik und Technik weiter.[3] Nach einem Abschluss als Telefonbau-Ingenieur arbeitete er als Angestellter bei der Maschinenbaufirma Deutsche Werke AG in Kiel und war dort auch im Betriebsrat[3], bis er zu Beginn der NS-Herrschaft 1933 entlassen wurde.[4] Seit 1918 engagierte er sich gewerkschaftlich im Kieler Metallarbeiter-Verband.[3]

Die Nazis nahmen ihn bis 1939 zweimal in "Schutzhaft". Ansonsten arbeitete er als Fernmeldetechniker; ab 1939, als verstärkt Männer zum Krieg eingezogen wurden, übertrug man ihm die Leitung der Fernsprechzentrale der Marinestation Ost in Kiel. 1944 wurde er im Rahmen der Aktion Gewitter wie viele andere verhaftet und ins KZ Neuengamme gebracht.[4]

Der Grabstein von Bruno Diekmann auf dem Südfriedhof Kiel

Nach der NS-Herrschaft widmete er sich dem Wiederaufbau der Gewerkschaftsbewegung in Kiel und wurde zunächst hauptamtlicher Geschäftsführer, dann bis 1948 DGB-Vorsitzender. Ab 1946 gehörte er auch dem Zonenvorstand der Gewerkschaften an. Er lebte in der Saarbrückenstraße 39.[5] Seinen Beruf gab er für den Landtag mit "Geschäftsführer" an, seine Religionszugehörigkeit mit "konfessionslos". Über seinen Familienstand liegen bisher keine Informationen vor.

Er starb 1982 in Kiel. Seine letzte Ruhestätte fand er im Grab Nr. A 047 auf dem Kieler Südfriedhof; es ist noch vorhanden, der Stein steht jedoch seit 2007 nicht mehr aufrecht.[6]

Partei & Politik

Hermann Lüdemann, Bruno Diekmann und Wilhelm Käber im Gespräch

Der SPD schloss sich Bruno Diekmann 1919 an.[7] 1933 wurde er in den Vorstand der Kieler SPD gewählt, nachdem er 1929 schon Stadtverordneter geworden war.

Von 1948 bis 1965 war er Mitglied im Bezirks-, später Landesvorstand.

Ab 1948 gehörte er dem wirtschaftspolitischen Ausschuss der Gesamtpartei an.[8]

Er nahm als Delegierter am außerordentlichen Parteitag der SPD vom 13.-15. November 1959 in Bad Godesberg teil, auf dem das Godesberger Programm beschlossen wurde.[9]

Landtag und Bundestag

Nach der NS-Herrschaft gehörte er den beiden ernannten Landtagen von Schleswig-Holstein an, ebenso dem ersten und zweiten gewählten Landtag, jeweils über die Liste. Er übernahm zunächst den Vorsitz im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und gehörte auch dem Katastrophenabwehrausschuss an. Im 2. ernannten Landtag war er Mitglied in den Ausschüssen für die Wahrung der Rechte der Volksvertretung, für Wirtschaft, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, im Eingabenausschuss und im Ältestenrat.

Die Studie von Danker/Lehmann-Himmel zur NS-Belastung des Landtages ordnet ihn unter den fünf möglichen Kategorien als "oppositionell 'gemeinschaftsfremd'"[10] und darin als "Protagonist der Arbeiterbewegung" ein[11].

Nach der Niederlage in der Landtagswahl 1950 wählte ihn die Fraktion zu ihrem Vorsitzenden. Am 2. Oktober 1953 legte er sein Landtagsmandat nieder, weil er ebenfalls über die Liste in den Bundestag gewählt worden war, dem er bis 1969 angehörte. Er setzte sich besonders für die Interessen der Fischerei und der Landwirtschaft ein. Im vierten Bundestag wurde er auch Mitglied des Verteidigungsausschusses.[1] Als MdB nahm er an vier Bundesversammlungen teil.

Landesregierung

Schon 1946 wurde er im Kabinett von Theodor Steltzer Wirtschaftsminister. 1947 kam das Ressort im Kabinett Lüdemann Verkehr hinzu. Gleichzeitig wurde er stellvertretender Ministerpräsident. 1948 übernahm er zusätzlich kommissarisch das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Am 29. August 1949 folgte er Hermann Lüdemann als Ministerpräsident. In dieser Funktion rief er offenbar für die Landtagswahl 1950 zu einem "Burgfrieden" auf, der einen fairen Wahlkampf gewährleisten sollte.[12]

Ab 1951 gehörte er vermutlich in seiner Landtagsfunktion dem Vorstand der Deutsche Werke AG in Kiel an.[4]

Ehrungen

Am 11. November 1963 wurde Bruno Diekmann das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland durch den Ministerpräsidenten Helmut Lemke überreicht.[13] Die Verleihung datierte vermutlich vom 18. Oktober des Jahres; am selben Tag wurde Wilhelm Käber ebenso geehrt.

Stimmen

  • "Der Landesvorsitzende der schleswig-holsteinischen SPD, Günther Jansen, und der Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Klaus Matthiesen, erklärten, Bruno Diekmann habe sich in den schweren und bitteren Nachkriegsjahren als Minister, Ministerpräsident und Parlamentarier um die geistige und politische Verankerung der Demokratie und besonders um den Wiederaufbau Schleswig-Holsteins verdient gemacht. Mit Bruno Diekmann verliere die schleswig-holsteinische SPD einen Mann, der nichts davon hielt, in Geschichtsbüchern verewigt zu werden, der aber in sie hineingehöre, weil er schleswig-holsteinische Geschichte geprägt und gestaltet habe. Bruno Diekmann war ein Mann mit unbestechlichem moralischen Engagement und mit politischer Standhaftigkeit. Wer wie er von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager geschickt wurde, konnte gegenüber den Siegermächten in seinem Kampf gegen die Demontage der Industriebetriebe nach 1945 glaubhaft die Interessen seiner Landsleute vertreten. Wer wie er 1933 Arbeit und Einkommen wegen seiner politischen Überzeugung verlor und trotzdem ihr treu blieb, konnte auf deutscher Seite als glaubhafter Anwalt für die dänische Minderheit zur Sicherung ihrer freien Entfaltung im politischen und kulturellen Leben wirken. Bruno Diekmanns Ableben rufe allen Schleswig-Holsteinern dessen geschichtliche Leistung für unser Land ins Bewußtsein."[14]

Archive

Literatur & Links

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 VZ, 19.4.1962
  2. Lt. Handbuch des Deutschen Bundestages der 5. Wahlperiode
  3. 3,0 3,1 3,2 Bruno Diekmann, in: Internationales Biographisches Archiv 34/1954 vom 16.8.1954 ("Munzinger-Archiv")
  4. 4,0 4,1 4,2 Lt. Wer ist wer? (17. Ausg. 1971/73)
  5. Amtsblatt für Schleswig Holstein (Jahrgang 1950), S. ?; das Landtagsinformationssystem gibt Hausnr. 30 an, die nicht existiert.
  6. Lt. Mail der Friedhofsverwaltung vom 10.10.2016
  7. Im Handbuch des Deutschen Bundestages der 5. Wahlperiode ist das Jahr 1918 angegeben
  8. Wikipedia: Bruno Diekmann, abgerufen 21.8.2021
  9. Protokoll des außerordentlichen Parteitags der SPD vom 13.-15. November 1959 in Bad Godesberg, herausgegeben vom Vorstand der SPD Deutschlands, S. 619
  10. Vgl. Danker, Uwe / Lehmann-Himmel, Sebastian: Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2016) (Drucksache 18/4464), S. 173. Die fünf Kategorien lauten "exponiert nationalsozialistisch", "systemtragend karrieristisch", "ns-sozialisiert", "angepasst ambivalent" und "oppositionell 'gemeinschaftsfremd'".
  11. Danker, Uwe / Lehmann-Himmel, Sebastian: Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2016) (Drucksache 18/4464), S. 279. Grundlage ihrer Einordnung sind Akten im Landesarchiv (LASH Abt. 460.19, Nr. 855 und Abt. 605, Nr. 1992, Fasz. 3).
  12. Danker, Uwe / Lehmann-Himmel, Sebastian: Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive (Schleswig-Holsteinischer Landtag 2016) (Drucksache 18/4464), S. 340
  13. Plenarprotokoll vom 16. Dezember 1963, Seite 660
  14. SPD Schleswig-Holstein: Nachruf auf Bruno Diekmann, Januar 1982