Ortsverein Kiel-Pries/Friedrichsort

Der Ortsverein Kiel-Pries/Friedrichsort war eine Gliederung im Kreisverband Kiel. Er hatte seine Ursprünge vor 1895, existierte aber als eigenständiger SPD-Verein wahrscheinlich erstmals nach der Revolution und gehört seit 1922 zu Kiel.
Am 17. Januar 2025 schloss er sich mit dem Ortsverein Holtenau zum Ortsverein Kieler Norden zusammen.
Vorsitz
Am 30. Mai 2021 lösten Ingrid Havemann und Fabian Reichardt den langjährigen Vorsitzenden Uli Paproth ab. Nach dem Ausscheiden von Fabian Reichardt am 10. November war Ingrid Havemann alleinige Vorsitzende. Sie kandidierte nach ihrer Amtszeit nicht erneut. Als ihr Nachfolger wurde am 21. Mai 2023 Fabian Reichardt gewählt.
Neuer Ortsverein
Die Ortsvereine Pries/Friedrichsort und Holtenau sind über das ehemalige Gelände des Marineflieger-Geschwaders (MFG) 5, auf dem ein neuer Stadtteil entstehen wird, verbunden. Sie nahmen Gespräche über eine künftig noch engere Zusammenarbeit an den gemeinsamen Aufgaben auf. Ergebnis war der einstimmige Beschluss der Ortsvereine, sich in einem neuen Ortsverein zusammenzuschließen. In einem von Fabian Reichardt, Gesine Stück (als Interimsvorsitzende des OV Holtenau) und Marc Fricke (für den Kreisvorstand) moderierten Verfahren einigten sich die Mitglieder auf den Namen Kieler Norden.
Geschichte

Zum "Tag der Ortsvereine" am 4. Mai 2013 zum 150jährigen Bestehen der SPD präsentierte der Ortsverein einen "historischen Infostand" in historischen Kostümen. Es wirkten mit von rechts Waltraud Bischoff, Birgit Wellendorf, Antje Möller-Neustock und als Moritatensänger Klaus Keil. Nicht im Bild sind Volkhard Hanns und Uli Paproth.
Die Geschichte der SPD in Holtenau reicht nicht die ganzen 150 Jahre zurück. Aber schon 1892 entschied eine Versammlung in Dänischenhagen, dass sie sich auf dem Parteitag von dem Delegierten aus Friedrichsort vertreten lassen wolle. Im Protokoll wird später die Teilnahme des Genossen Götke vermerkt.[1]
Bereits 1893 gab es in Pries und Friedrichsort SPD-Mitglieder, darunter den Schumacher Hoffmann, denen die Polizei die Schuld an mehreren Brandstiftungen anzulasten versuchte.[2] Auch für 1894 sind sozialdemokratische Aktivitäten in Friedrichsort belegt, es soll eine "öffentliche Versammlung für Frauen und Männer" mit dem Genossen Klüß [vermutlich VZ-Redakteur Joachim Klüß] als Redner stattgefunden haben.[3]
Am 10. März 1895 sprach Carl Legien im Lokal des Herrn Göttsch in "Pries bei Friedrichsort" auf einer von ca. 250 Personen besuchten Volksversammlung. Im Anschluss wurde eine Protestresolution beschlossen und „noch eine Kommission von 3 Personen gewählt […], um die Gründung eines Arbeiterbildungsvereins für Pries und Umgegend in die Hand zu nehmen“. Der Vorsitzende schloss die Versammlung mit einem Hoch auf die Sozialdemokratie.[4] Der erwähnte Vorsitzende war wohl der zu Beginn gewählte Versammlungsleiter. Wenige Tage später nahm Friedrichsort als einer von nur fünf Orten an der Wahlkreiskonferenz in Schleswig teil.[5]
Bei der Wahlkreiskonferenz im Frühjahr 1898 wurde Pries-Friedrichsort durch den Kieler Wilhelm Brecour vertreten und es wurde festgestellt, dass dort eine politische Organisation nicht vorhanden sei, „da dort die kaiserliche Torpedowerkstatt die Arbeitsstätte vieler Genossen ist.“ Doch das politische Leben schlafe keineswegs, denn die Genossen träfen sich privat und von Kiel aus werde Einiges organisiert.[6] Nur wenige Monate später wurden tatsächlich zwei Arbeiter dort als „sozialdemokratische Agitatoren“ entlassen, weil sie am 1. Mai beim Flugblattverteilen in Dänischenhagen aufgegriffen worden waren.[7]
Zur Wahlkreiskonferenz im November 1898 schickte Friedrichsort einen schriftlichen Bericht, Pries und Holtenauwaren jeweils mit einem Gast vertreten. [8]
Im Juni 1900 muss es vor Ort schon eine stattliche Größe an Personen gegeben haben, die sich der Partei verbunden fühlten, denn es wurden 60 Mark Parteibeiträge an den Parteivorstand abgeführt.[9] Falls diese Summe nur aus Zahlungen des Monats bestand, dürften es wohl um die 200 inoffizielle Mitglieder gewesen sein.
Die Nachwahlen für den Reichstagswahlkreis 1903 geben einen Blick auf die örtlichen Mehrheitsverhältnisse: In der Stichwahl zwischen dem SPD-Kandidaten Paul Hoffmann (Hamburg) und dem liberalen Gegenkandidaten Spethmann ging es in Friedrichsort 114:83, in Pries 251:76 und in Holtenau 187:72 aus.[10]
Bei der Reichstagswahl 1912 gab es in Pries mit 99 % die wohl höchste Wahlbeteiligung im Reich. Dabei wählten 546 Personen die SPD (1907 noch 315). Im gesamten dritten Reichstagswahlkreis (Schleswig-Eckernförde) gab es zu dieser Zeit 1349 Mitglieder.[11]
1913 gelang es der SPD, 6 von 12 Gemeinderatssitzen in Pries zu besetzen. Der Vorwärts wies darauf hin, dass dies ein bemerkenswertes Ergebnis sei, da die Wahl öffentlich gewesen wäre und die meisten Arbeiter dort in der Marine-Torpedoanstalt beschäftigt wären, wo ihnen bei sozialdemokratischer Betätigung die Entlassung angedroht sei.[12]
Friedrichsort könnte zum Sozialdemokratischen Verein Holtenau und Umgegend gehört haben, denn im Rahmen der Abspaltung zur USPD ist stets von den „Genossen von Friedrichsort-Holtenau“ die Rede.[13] Offen ist, ob der 1895 geplante Arbeiterbildungsverein 1903 im Sozialdemokratischen Verein für Holtenau und Umgegend aufging.
Auch die Gewerkschaften waren im Ort vertreten. So existierte eine Abteilung des Deutschen Werftarbeiterverbands, deren Vorsitzender 1902 Bade hieß.[14] Auch zur Konferenz der Metallarbeiter 1899 erschien ein Vertreter aus Pries.[15]
Der Arbeitersport wurde ausgeübt in der Freien Turnerschaft Friedrichsort und Umgebung, die 1945 mit den beiden anderen Sportvereinen im Ort fusionierte.
Während der Novemberrevolution 1918 kam es in Friedrichsort zu organisierten Plünderungen, als der Soldatenrat tausende Flaschen Alkohol und Zigaretten in den Wohnungen von Offizieren und Wohlhabenden sowie bei Geschäftsleuten beschlagnahmte.[16]
1920 trat der Friedrichsorter Genosse Panitzki für die USPD auf Platz 10 der Landesliste für den Reichstag an.[17]
Für die in Schleswig-Holstein erst im Februar 1921 stattfindende Reichstagswahl 1920 trat auf Platz 11 des Listenvorschlags "Friedrich Hansen, Kolporteur, Pries-Friedrichsort, Diekmissen 98" an.[18] Die Straße Diekmissen liegt im Ortsteil Schusterkrug, der eigentlich zur Gemeinde Holtenau gehörte.
Links
Einzelnachweise
- ↑ Hamburger Echo, 2.3.1892, S. 7
- ↑ Hamburger Echo, 11.1.1893, S. 3
- ↑ Die Gleichheit, 30.5.1894
- ↑ Aus Schleswig-Holstein, Hamburger Echo, 13.3.1895, Seite 3
- ↑ Hamburger Echo, 15.3.1895
- ↑ Hamburger Echo, 8.3.1898, S.5
- ↑ Hamburger Echo, 14.5.1898
- ↑ Hamburger Echo, 26.11.1898, S.3
- ↑ Vorwärts, 10.7.1900
- ↑ Hamburgischer Correspondent, 11.2.1903, S. 3
- ↑ Vorwärts, 21.8.1912
- ↑ Vorwärts, 12.6.1913
- ↑ Mitteilungsblatt des Verbandes der Sozialdemokratischen Wahlvereine Berlins und Umgegend : Organ des Bezirksverbandes Berlin-Brandenburg der USPD, 18.2.1917 und 18.3.1917
- ↑ Vorwärts, 3.4.1902
- ↑ Hamburger Echo, 17.1.1899
- ↑ Freiheit, 19.12.1818
- ↑ Freiheit, 26.5.1920
- ↑ Vgl. Hamburger Echo, 16.2.1921, S. 6