Jochen Steffen: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 30. August 2015, 00:55 Uhr

Jochen Steffen
Jochen Steffen
Jochen Steffen
Geboren: 19. September 1922
Gestorben: 27. September 1987

Karl Joachim Jürgen 'Jochen' Steffen, * 19. September 1922 in Kiel-Gaarden, † 27. September 1987 in Kiel; Journalist und Publizist. Verheiratet mit Ilse, geb. Zimmermann, ein Sohn. Wegen seiner eindeutigen Vertretung linker Positionen auch "Der Rote Jochen" genannt. Mitglied der SPD von 1946 bis 1979, Landesvorsitzender 1965 bis 1975.

Werdegang

Nach der Volksschule ging er auf das Reform-Realgymnasium "Admiral Graf Spee".

Auf der Oberschule hatte Steffen einen linken Lehrer, den Oberstudiendirektor Schadow, der mit seiner riskanten Regimefeindlichkeit Steffens politisches Bewusstsein weckte:

"beim Segeln auf der Förde, wohin Spitzel nicht folgen konnten, trieben Lehrer und Schüler Theorie; Steffen las Lenin und das Kommunistische Manifest; lernte im Kontakt mit ursprünglich linken Werftarbeitern, 'wie schlimm das ist, wenn Arbeiter keine Führung haben, denn die wußten alle nur, daß das Scheiße war mit dem Nationalsozialismus und daß sie laut Marx und Lenin den Laden jetzt eigentlich in die Pfanne hauen sollten, aber sie wußten nicht wie'. Faschismus wurde dem Roten Jochen zur traumatischen Erfahrung, Sozialismus zum Ziel."[1]

1941 machte Jochen Steffen sein Kriegsabitur, bevor er zur Marine eingezogen wurde. Sein Kompaniechef war ein späterer Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Helmut Lemke. Steffen hielt sich bei der Marine zurück und blieb Obergefreiter.

Nach dem Krieg musste er zunächst ein Vorsemester absolvieren, bevor er mit seinem Kriegsabitur zum Studium der Philosophie, Psychologie und Soziologie - später noch Politologie - zugelassen wurde. Er trat dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) bei, dessen Kieler Zweig er zusammen mit seinem ehemaligen Mitschüler Hans-Gottfried Schadow gründete. Steffen arbeitete bis 1956 als Assistent am Institut für Wissenschaft und Geschichte der Politik unter Professor Michael Freund. [2] Co-Assistent bei Freund war Gerhard Stoltenberg.[3]

Jochen Steffen war verheiratet mit der Berliner Mode-Designerin Ilse Annemarie Johanna Zimmermann, die er nur mit ihrem Mädchennamen "Zimmermann!" rief und die ihn zehn Jahre lang finanzierte.[4] Die beiden heirateten am 11. Mai 1945, drei Tage nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches - sie hatten sich bei der Marine im damaligen Gotenhafen (Gdynia/Polen) kennengelernt. Ilse Steffen führte die Finanzen der Familie und chauffierte ihren Mann zu allen Terminen, denn er selbst machte nie einen Führerschein.[5] Am Vorabend des Saarbrücker Parteitages im Mai 1970 ließ sich Steffen bei einem Treffen der Jusos entschuldigen: Er feiere Silberhochzeit, und seine Frau sei ihm wichtiger als die Partei.[6] Die beiden haben einen Sohn, Jens Peter Steffen (* 1954).[7]

Jochen Steffen war der Patenonkel von Günther Jansens Sohn Sebastian.[8]

Partei

1946 trat Jochen Steffen in die SPD ein und wurde 1948 im Vorstand des Kreisverbandes Kiel "Leiter der Jüngerenarbeit".

"Als Jochen Steffen im Mai 1946 der SPD beitrat, merkte seine Mutter an, nun 'sei er in Hein Butter sein Verein'. Im agrarischen Schleswig-Holstein waren das die Dorftrottel."[9]

1954 wurde er Juso-Landesvorsitzender und erhielt prompt ein Jahr später "Redeverbot" wegen massiver Kritik am Parteivorsitzenden Dr. Erich Ollenhauer.[10]

Von 1958 bis 1977 war er Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein, seit 1973 Vorsitzender der Grundwertekommission der SPD.[11]

Landesvorsitz

Jochen Steffen war hauptamtlicher Landesvorsitzender der SPD Schleswig-Holstein von 1965 bis 1975. Erstmals gewählt wurde er am 15./16. Mai 1965. Die Landesparteitage am 1./2. Juli 1967, am 22./23. März 1969, am 19./20. Juni 1971 und am 24./25. Februar 1973 bestätigten ihn jeweils im Amt.

Bereits zu seiner Wahl bläst ihm der Gegenwind ins Gesicht. Die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung schreibt:

"Die CDU und ihre publizistischen Assistenten haben immer wieder versucht, Steffen zu einem 'Radikalen' zu stempeln. Auch in den ersten Kommentaren, die gestern aus dieser Richtung zu hören waren, kam das Wort 'radikal' vor. Diese Bezeichnung ist kindisch und albern. Wer allerdings Verstand, die Fähigkeit logisch zu denken und demokratisch-politisches Engagement mit dem Begriff 'radikal' gleichsetzt, der hat das Recht, Steffen einen Radikalen zu nennen."[12]

Fraktionsvorsitz

Von 1966 bis 1973 war Steffen Fraktionsvorsitzender und Oppositionsführer in Schleswig-Holsteinischen Landtag.

"Wilhelm Käber, Fraktionsvorsitzender der SPD und Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag, legte am 18.10 1966 vor der Landtagswahl sein Amt nieder, um damit die Vorbereitung und Führung des kommenden Wahlkampfes in jüngere Hände zu geben. Er erklärte, daß er sich nach 20jähriger Tätigkeit im Schleswig-Holsteinischen Landtag aus der parlamentarischen Arbeit zurückziehen wolle.
Auf Vorschlag des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Gerhard Strack empfahl der Landesvorstand der SPD einstimmig der Landtagsfraktion, den Landesvorsitzenden Joachim Steffen zum fraktionsvorsitzenden und damit zum Oppositionsführer zu wählen. Die Fraktion folgte der Empfehlung und wählte Steffen ohne Gegenstimmen und bei zwei Enthaltungen zum Fraktionsvorsitzenden und damit zum Oppositionsführer.
Nach den Landtagswahlen wurde Joachim Steffen von der neuen Fraktion wieder zum Vorsitzenden gewählt.…"[13]

Spitzenkandidaturen

1967 und 1971 trat Jochen Steffen erfolglos als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein an. 1967 war sein Gegenkandidat von der CDU Steffens alter Marine-Chef Helmut Lemke. 1971 verlor er gegen seinen ehemaligen Co-Assistenten Gerhard Stoltenberg.

Politik

Bundesparteitag der SPD in Hannover, 1973

Jochen Steffen war bekannt für seinen eckigen politischen Stil. In einem politischen Nachruf schrieb DIE ZEIT 1973:

"Journalisten suchten ihre Notizblöcke und politische Gegner volle Deckung, wenn der hemdsärmelig-bullige „Rote Jochen" ans Rednerpult eilte. Er gab sich mal zornig, mal zotig, dann wieder drohend oder dämpfend. Stets jedoch ließ er auf seine politischen Gegner ("intellektuell Verblödete") ein Feuerwerk von Attacken niedergehen, jene ihm eigene Mischung aus Analyse, Argumentation und Aggressivität. Ordnungsrufe des Präsidenten gehörten genauso zu einer Rede "Marke Steffen" wie die Warnung vor einem Mißbrauch seiner Partei: "Die sozialdemokratische Fraktion dieses Landtags ist kein Minimax, den sie beliebig von der Wand nehmen können, um Feuer zu löschen" — Feuer, das er oft genug selbst gelegt hatte und an dessen Wirkung er sich zu wärmen schien."[14]

Er galt aber auch als Parteiintellektueller, der sein Handeln stets theoretisch zu untermauern suchte. Ihm ging es nie nur um die Entscheidung von Sachfragen, sondern immer um die Lösung langfristiger Probleme:

"Die Rolle der Natur, der naturgebundenen Lebensgrundlagen der Menschen war von ihm in seinem Buch „Strukturelle Revolution" untersucht worden. Im Ergebnis formuliert er eine philosophisch wie auch politisch entscheidende Trialektik von Mensch, Gesellschaft und Natur, ohne deren Beachtung […] sich jeder ökonomische Fortschritt aufhebt."[15]

DER SPIEGEL schrieb 1971 - kurz vor der Landtagswahl:

"Zunächst einmal ist er tief durchdrungen von seiner überlegenen Theoriekenntnis -- davon also, mehr Grundsätzliches über Politik und Gesellschaft gelesen und das Gelesene besser verstanden zu haben als die meisten aktiven Politiker (die sozialdemokratischen keineswegs ausgenommen). Er ist ein typischer Fall von intellektuellem Hochmut, doch ist dieser Hochmut weder gänzlich unbegründet noch gänzlich undifferenziert. Steffen ist von Natur Methodiker, versteht sich auch als solcher und räumt ein, daß er, wie die meisten Methodiker, der Gefahr ausgesetzt ist, sich von der "Stimmigkeit" eines Systems, von der gedanklichen Geschlossenheit einer Theorie, faszinieren zu lassen. Und das schließt die Gefahr ein, Teilwahrheiten zu verabsolutieren."[16]

DDR

Bereits auf dem Landesparteitag 1966 in Eutin griff er Egon Bahrs Idee des "Wandels durch Annäherung" auf und forderte mit der Eutiner Erklärung die Aufnahme von Gesprächen mit der DDR-Führung.[17] "Als demokratischer Sozialist suchte er nach dem „dritten Weg“ zwischen den weltpolitischen Blöcken, besuchte Präsident Tito in Jugoslawien und diskutierte die Abkehr vom orthodoxen Kommunismus. Gegen lauten Protest der Bonner SPD-Zentrale verglich er öffentlich die Intervention der USA in der Dominikanischen Republik mit dem Überfall des Warschauer Paktes auf die Tschechoslowakei."[18]

Studentenrevolte 1968

1968 plädierte Jochen Steffen für ein Bündnis der SPD mit den revoltierenden Studierenden. Dem Spiegel gegenüber sagte er, dass es darum gehe, wer die zukünftige Entwicklung einer modernen Industriegesellschaft richtig einschätze[19]:

"Wenn sie falsche Parolen haben, auf Ho Tschi-minh schwören oder auf Che Guevara, dann muß sich die SPD als Partei der sozialen Reformen zuerst einmal fragen, warum die Studenten sich für solche Idole begeistern. Denn die Studenten haben solche Idole doch nur, weil ihnen die politischen Probleme ihrer eigenen Gesellschaft nicht konkret, sondern irrational dargeboten werden."

Gert Börnsen erinnert sich später:

"Als ich ihn kennen lernte, betrat er den überfüllten Hörsaal der Freien Universität Berlin vor mehreren tausend Studentinnen und Studenten, Assistenten, Professoren und auswärtigen Gästen sowie weiteren Referenten im Auditorium Maximum. Die Studenten saßen auf Fensterbänken und Treppen in dicken Trauben. Die Atmosphäre war geladen, die Lautstärke zum Teil unerträglich, Pfiffe, Gelächter, Zwischenrufe erfüllten den großen Raum. Es war nicht schwer, die Vertreter des Verfassungsschutzes in ihren diskreten Anzügen zu erkennen. Auch Polizistengruppen standen in dunklen Ecken. Die Menge war aufgeregt, da der AStA zu Themen der gesellschaftlichen Revolution und Entwicklung neben Soziologen und linken Gewerkschaftern einen sozialdemokratischen Politiker eingeladen hatte. Den Sozi würde man auslachen und fertig machen. Es war die Zeit der Sit-ins und Teach-ins, die Zeit der „Kritischen Universität“, die Zeit der Emanzipation von den althergebrachten Regeln der Professorenuniversität. Es war die Zeit der weltweiten Kritik am Vietnam-Krieg der Amerikaner, aber auch der Beginn der Aufarbeitung der Naziverbrechen der Elterngeneration. Einige wenige Professoren wurden respektiert als humane und intellektuelle Autoritäten - der Theologe Helmut Gollwitzer etwa oder der deutsch-amerikanische Politikwissenschaftler Herbert Marcuse –, Politiker wie der Berliner Bürgermeister Klaus Schütz aber wurden demonstrativ ausgepfiffen. Nur wenige bekannte Sozialdemokraten trauten sich zur Diskussion (etwa Schulsenator Carl-Heinz Evers) – obwohl Jungsozialisten und linke Sozialdemokraten in den Studentenvertretungen meist die Organisation der Veranstaltungen wahrnahmen.
Jochen Steffen war seit einigen Jahren Landes- und Fraktionsvorsitzender der SPD in Schleswig-Holstein und galt als linker Flügelmann der Partei. Im Gegensatz zu Anderen verzichtete er auf taktische und opportunistische Einlagen: Seine Gesellschaftsanalyse war fundamental und gespickt mit marxistischen Zitaten. Anfangs wollten seine Gegner ihn deshalb als Heuchler darstellen, aber dann hörten immer mehr zu. Steffen nahm keine Rücksicht auf die konservativen Strukturen und programmatischen Leitsätze seiner Partei – er deklamierte aus seiner souveränen Überzeugung heraus und provozierte seinerseits die aufmüpfigen Studenten wegen ihres chaotischen Handelns. Seine plattdeutschen Kommentare und Döntjes riefen immer mehr Lacher und zustimmenden Beifall hervor. Sein immer wiederholtes Credo war: „Für diese Arbeiterbewegung erfolgt der Aufbau der Gesellschaft auf den Interessen derjenigen, die in der Gesellschaft ganz unten sind, die Erniedrigten und Beleidigten. Dazu verpflichten uns Menschlichkeit und Solidarität gleichermaßen.“
Wir junge Sozialdemokraten im AStA und den Studentenvertretungen waren begeistert und luden den Schleswig-Holsteiner immer wieder ein. Steffen war einer der ganz wenigen Sozialdemokraten, die mit lautem Trommeln den Saal verlassen konnten. Die Berliner SPD – ohnehin überwiegend stockkonservativ bis reaktionär – hätte ihn am liebsten geächtet; die jungen Leute aber liefen ihm in Scharen zu. Jochen Steffen war 1968/69 nicht nur in seinem Landesverband, sondern an den Universitäten und in zahlreichen großen Städten ein wirkungsvoller Magnet für das soziale und globale Weltgewissen der jungen Leute, die nach neuen Perspektiven suchten."[20]

Orientierungsrahmen 85

Jochen Steffen und Helmut Schmidt, 1973

Der "Orientierungsrahmen 85" war das Ergebnis einer breiten Diskussion in der SPD seit 1970; er wurde 1975 auf dem Bundesparteitag in Mannheim beschlossen. Jochen Steffen arbeitete von Beginn an als Vize-Vorsitzender der zuständigen "Langzeit-Kommission" zusammen mit deren Vorsitzenden Helmut Schmidt und Hans Apel federführend daran mit. Es sollten damit Instrumentarien zur Beeinflussung von Investitionen und zur öffentlichen Kontrolle wirtschaftlicher Macht erarbeitet und stärkere verteilungspolitische Effekte erreicht werden.[21]

Grundwertekommission

Seit 1973 war Jochen Steffen Vorsitzender der SPD-Grundwertekommission. Doch im November 1976 trat er von diesem Amt zurück. In einem langen, handgeschriebenen Brief begründete er dem Parteivorsitzenden Willy Brandt seine Entscheidung:

"[...] Ich bin Reformist. Unsere Praxis zur Zeit ist antireformistisch. Ich glaube zutiefst, daß es keine qualitativen Veränderungen gibt im Sinne von Verbesserungen des gesellschaftlichen Lebens, die allein durch Mittel und Maßnahmen des Staates, die ich nicht gering schätze, zu bewerten wären. Ohne gleichzeitige qualitative Veränderung der bisherigen Werte, Organisation und Kommunikation der Menschen in einem Akt der staatlichen, erreichen wir schließlich das Gegenteil von dem, was wir wollen. Ich bin kein Staatssozialist, unsere Praxis ist extrem staatssozialistisch. Ich glaube, unter diesen Bedingungen sind alle ökonomischen Fortschritte Rückschritte in der Menschlichkeit, in der Beziehung Mensch - Arbeit - Gesellschaft und Natur, und dieses müssen wir ändern."[22]

Bundeswehr

1976 erklärte Jochen Steffen, wie er sich die Zukunft der Bundeswehr vorstelle:

"300 Mann, straff organisiert und geschult in atomarer, bakteriologischer und chemischer Kriegführung, würden, so Steffen, reichen, einen möglichen Aggressor gründlich das Fürchten zu lehren. Eine solche Spezialtruppe hätte den gleichen Abschreckungseffekt wie die teure Bundeswehr, prophezeite der Kieler bei einer Podiumsdiskussion im nordfriesischen Husum, zudem könnten durch das Billig-Heer eingesparte Milliarden in soziale Reformen investiert werden. Auch Einsatzpläne für den Ernstfall hat Steffen parat. Etwa so: 'Diese Leute haben eine Atombombe im Köfferchen und lassen sie beispielsweise in Moskau explodieren.'" [23]

Austritt

Nach der Landtagswahl 1971 zog sich Steffen nach und nach aus der Politik zurück. Zunächst gab er 1973 die Oppositionsführung an Klaus Matthiesen ab. Auf Vorschlag Steffens wurde 1975 Günther Jansen sein Nachfolger als Landesvorsitzender, am 6. September 1977 gab er sein Landtagsmandat auf. 1979 trat Jochen Steffen aus der SPD aus - er kritisierte, dass die SPD die Frage der Atomkraft nicht mehr von einem Endlager abhängig machte und sich statt dessen mit Zwischenlagern begnügte. Außerdem konnte er sich mit dem wirtschaftsfreundlichen Kurs der SPD nicht abfinden. DER SPIEGEL schrieb damals zur Begründung:

"'Angesichts meiner seelischen Belastung', schrieb er dem schleswig-holsteinischen Landesvorsitzenden Günther Jansen in der vorletzten Woche, 'mitverantworten zu müssen', was er den 'Grundwertekonflikt' der Regierungspolitik nennt, erklärte Steffen seinen Austritt aus der SPD."[24]

In seiner Trauerrede für Jochen Steffen zitierte Günther Jansen eine Passage aus diesem Schreiben:

"Den Austritt aus der Partei vollziehe ich in einer Mischung aus Erleichterung und wehmütiger Trauer. Mit wehmütiger Trauer angesichts der Bindungen zu jenen Menschen, mit denen mich gemeinsame Tätigkeit über viele Jahre für gemeinsame Ziele verband, angesichts der Ungelegenheiten, die ich gerade jenen bereiten muß, die ich am meisten schätze, und angesichts der Tatsache, daß ich mich von mehr als 30 Jahren praktischer Tätigkeit trenne. Das ist kein Spaß. Aber es gibt einen Punkt, wo Selbstachtung und Treue zu freiwillig akzeptierten Prinzipien in der Person untrennbar verbunden den Schritt erfordern. Hat die Ohnmacht des einzelnen gegenüber dem praktischen Geschehen einen Grad erreicht, wo weiteres Schweigen oder gar Mitmachen ein Schuldigwerden an den Mitmenschen und den eigenen Überzeugungen oder Grundwerten erreicht, dann ist ein Kompromiß nicht mehr möglich. Der Mensch hat sein Gewissen nicht, um die Politik in dasselbe einzuführen. Sein Gewissen hat die Politik zu bestimmen. Ist hier eine Unvereinbarkeit aufgetreten, so muß er gehen. Auch, was ich sehr wohl weiß, wenn man gerade denen wehetut, die man als gesinnungsfeste Charaktere schätzt, die sich bemühen, aufrecht in der politischen Landschaft der SPD zu stehen, auch noch diese weniger treffen zu müssen, macht mir meinen Schritt nicht leichter. Die Realpolitiker betrifft das ohnehin. Die es betrifft, bitte ich um Verständnis und Entschuldigung."[25]

1980 unterstützte Steffen DIE GRÜNEN.

Publizist

Jochen Steffen begann seine journalistische Karriere Mitte der 1950er Jahre als Chefredakteur der Flensburger Presse, später als Redakteur und Leitartikler der Kieler Volkszeitung. Er war Herausgeber der Wochenzeitung Nordwoche und von das da. Er trat auch als Kabarettist in der Rolle des Kieler Werftarbeiters "Kuddl Schnööf" auf.[26]

Ehrungen

  • Von 1999 bis 2001 fuhren zwischen Brunsbüttel und Cuxhafen drei rote PKW-Fähren - eine von ihnen hieß "Jochen Steffen". Die Linie erwies sich allerdings als unrentabel und wurde eingestellt.[27]

Veröffentlichungen

Kuddl Schnööf

Sachbücher

Essays

  • Jochen Steffen über Herbert Wehner: Bundestagsreden - Explosionen auf 6 x 9, DER SPIEGEL 11/1971

Zitate

  • "Die Menschen sind nicht dazu da, ein wirtschaftliches System mit seinen Eliten und Privilegien zu verteidigen, das uns in die Krise sehenden Auges torkeln ließ und die nächste Krise vorbereitet" - Jochen Steffen, "Krisenmanagement oder Politik" (1974)
  • "Nach der Klassenlogik gehören die Sozialdemokraten in die Opposition; was sollen sie in der Regierung, wenn nicht verteilt, sondern beim Volk die Reparaturkosten kassiert werden sollen." - Jochen Steffen, 1976[28]

Links

Literatur

Siehe auch

Quellen

  1. Hermann Schreiber: Und führe uns, wohin wir nicht wollen, DER SPIEGEL 17/1971
  2. Jürgen Weber, (1988) Joachim Steffen - Der "rote Jochen" in "Demokratische Geschichte" Bd. 3, S. 597-602 Download
  3. Hermann Schreiber: Und führe uns, wohin wir nicht wollen, DER SPIEGEL 17/1971
  4. Angesichts meiner seelischen Belastung, DER SPIEGEL 49/1979
  5. Hermann Schreiber: Und führe uns, wohin wir nicht wollen, DER SPIEGEL 17/1971
  6. Ungefähres Gegenteil, DER SPIEGEL 17/1971
  7. Hermann Schreiber: Und führe uns, wohin wir nicht wollen, DER SPIEGEL 17/1971
  8. Beirat für Geschichte der Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein (Hrsg.): Jochen Steffen. Eine Dokumentation. Zur Gedenkveranstaltung am 30. September 1990 (Kiel 1990)
  9. Gert Börnsen Erinnerungen an Jochen Steffen, Demokratische Geschichte, Band 20, S. 309-326
  10. Gert Börnsen "Erinnerungen an Jochen Steffen", Demokratische Geschichte, Band 20, S. 309-326
  11. Jürgen Weber, (1988) Joachim Steffen - Der "rote Jochen" in "Demokratische Geschichte" Bd. 3, S. 597-602 Download
  12. SPD Schleswig-Holstein (Hrgs.) "Jahresberichte 1965/66 - SPD Landesparteitag in Kiel 1.+2. Juli '67
  13. SPD Schleswig-Holstein (Hrgs.) "Jahresberichte 1965/66 - SPD Landesparteitag in Kiel 1.+2. Juli '67"
  14. Wechsel im Kieler Landtag: Jochen Steffen zog sich zurück, DIE ZEIT, 11.5.1973
  15. Jürgen Weber, (1988) Joachim Steffen - Der "rote Jochen" in "Demokratische Geschichte" Bd. 3, S. 597-602 Download
  16. Hermann Schreiber: Und führe uns, wohin wir nicht wollen, DER SPIEGEL 17/1971
  17. Jürgen Weber, (1988) Joachim Steffen - Der "rote Jochen" in "Demokratische Geschichte" Bd. 3, S. 597-602 Download
  18. Gert Börnsen: Erinnerungen an Jochen Steffen, Demokratische Geschichte, Band 20, S. 309-326
  19. Endlich Tacheles reden, DER SPIEGEL 22/1968
  20. Gert Börnsen: Erinnerungen an Jochen Steffen, Demokratische Geschichte, Band 20, S. 309-326
  21. SPD: Intellektuellenpartei a.D. - Die geistige Krise der Sozialdemokratischen Partei, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 8/2010, Seite 95-104
  22. Beirat für Geschichte der Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein (Hrsg.): Jochen Steffen. Eine Dokumentation. Zur Gedenkveranstaltung am 30. September 1990 (Kiel 1990)
  23. Personalien, DER SPIEGEL 14/1976
  24. Angesichts meiner seelischen Belastung, DER SPIEGEL 49/1979
  25. Beirat für Geschichte der Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein (Hrsg.): Jochen Steffen. Eine Dokumentation. Zur Gedenkveranstaltung am 30. September 1990 (Kiel 1990)
  26. Jürgen Weber, (1988) Joachim Steffen - Der "rote Jochen" in "Demokratische Geschichte" Bd. 3, S. 597-602 Download
  27. Erinnerung an Jochen Steffen, gerdgruendler.de
  28. nach: http://www.zeit.de/online/2009/32/kiel-stegner-spd/seite-2