12. Wahlperiode 1988-1992

Aus SPD Geschichtswerkstatt

In der 12. Wahlperiode übernahm die SPD nach 38 Jahren Opposition und der Landtagswahl 1988 wieder die Regierung. Ministerpräsident wurde Björn Engholm.

Rechenschaftsbericht 1989-1991

Der Fraktionsvorsitzende Gert Börnsen berichtete:

"1. Unsere Arbeit trägt Früchte.

Diese Feststellung kann die Landtagsfraktion für die ersten 36 Monate ihrer Arbeit treffen. Es sind Monate voller neuer Herausforderungen gewesen: Hohe Erwartungen der Menschen in Schleswig-Holstein, noch höhere Erwartungen der SPD-Mitglieder an die Mehrheitsfraktion und an die von ihr gewählte Regierung waren Ansporn und Belastung zugleich.

Die CDU hatte 1988 einen politischen Trümmerhaufen hinterlassen, moralisch wie finanziell. Darauf ließ sich keine solide sozialdemokratische Landespolitik gründen. Große Entwürfe mußten zunächst hinter Aufräumungsarbeiten zurückstehen. Manche verständliche Ungeduld mußte besänftigt werden.

Dies gilt bis heute fort, wenn es um den finanziellen Spielraum geht, der uns zur politischen Gestaltung bleibt. Die Überschuldung des Landes aus den Zeiten Stoltenbergs und Barschels liegt wie Bleigewicht auf den Schultern, die Steuer- und Finanzpolitik der Regierung Kohl wirft uns zusätzlich Knüppel zwischen die Beine. Daß wir trotzdem den Umbau der Landespolitik nach sozialdemokratischen Schwerpunkten in Gang setzen konnten, ist Verdienst der Regierung Björn Engholm insgesamt sowie der Beharrlichkeit und Zähigkeit unserer Finanzministerin ("alternativ statt additiv").

Die Schleswig-Holsteinische Wirtschaft ist weiter im Aufwind. Dies ist der Erfolg einer umsichtigen Wirtschaftspolitik. Das Wirtschaftswachstum lag mit 5,2 % Steigerung deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Auch beim Abbau der Arbeitslosigkeit ist Schleswig-Holstein erfolgreicher als andere Bundesländer. Kein Land in Norddeutschland hat eine niedrigere Arbeitslosenquote.

Gezielte Wirtschaftsförderungsprogramme haben zu knapp 100 neuen Unternehmen und fast 3000 neuen Arbeitsplätzen geführt. Schleswig-Holstein hat mit der neuen Landesregierung ökonomisch beträchtlich an Substanz gewonnen. Neue Technologie wird zum selbstverständlichen Standard von Industrie und Handwerk gehören. Die Technische Fakultät, das Fraunhofer-Institut in Itzehoe und die Technologie-Stiftung sind nur drei Beispiele, wie unserem Land die Zukunft geöffnet wird: modern und ökologisch verantwortbar.

2. Aufgabe der Mehrheitsfraktion ist die parlamentarische Unterstützung der Regierung Engholm, die konstruktive Begleitung ihrer Arbeit durch eigene Initiativen, die Auseinandersetzung mit der parlamentarischen Opposition und die öffentliche Umsetzung der Gesetzgebung. Mit großem Fleiß und Engagement hat die SPD-Landtagsfraktion die programmatischen Vorgaben der Partei in der Parlamentsarbeit umgesetzt. Die erfolgreiche Halbzeitbilanz aus unserer ersten Wahlperiode haben wir in einer Broschüre vorgelegt.

Unsere Arbeit läßt sich in folgenden Schwerpunkten zusammenfassen.

  • Aufbruch von verkrusteten Strukturen durch Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger. Abbau von staatlicher Bevormundung, Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Politik auch zwischen den Wahlen und die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Gesellschaft, Beruf und Politik.
  • ökologischer Umbau Schleswig-Holsteins, der eine zukunftsweisende Umweltpolitik mit einer erfolgreichen Wirtschafts- und Verkehrspolitik vereinbar macht.
  • Kinderfreundliches Schleswig-Holstein nach skandinavischem Vorbild: die Kindergartenversorgung wird endlich angepackt,und die Belange von Kindern sollen in allen Politikfeldern besser berücksichtigt werden.
  • Bildungspolitik für ein offenes Schulsystem, eine gesicherte Unterrichtsversorgung, eine moderne berufliche Bildung und einen vielfältigen und zukunftsweisenden Ausbau von Fachhochschulen und Universität.

3. Bis zum Frühjahr dieses Jahres hat der Landtag 45 Gesetze beraten und beschlossen. Diskussionen in den Facharbeitskreisen und Ausschüssen gehörten jedesmal genauso dazu wie viele Anhörungen von Experten und Betroffenen, gesellschaftlichen Gruppen.

Der Ausbau der Bürgerrechte und moderner demokratischer Abläufe in Land und Kommunen wurde grundlegend vorangetrieben in der neuen Landesverfassung, dem Abgeordnetengesetz und in der Kreis- und Gemeindeordnung. Durchgesetzt wurden u.a. Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung, Stärkung der Abgeordneten, Umsetzung der Gleichstellung. In den Verwaltungen wurde ein modernes Mitbestimmungsgesetz geltendes Recht, das bei den Personalratswahlen in diesem Frühjahr seine erste Bewährungsprobe bestanden hat.

Einer freien und effizienten Verwaltung dienten auch das Landesverwaltungsgesetz, das Landesverfassungsschutzgesetz, das Landesstatistikgesetz, das Landesdatenschutzgesetz und Landesrechnungshofgesetz.

Auch der Verzicht auf bestehende Gesetze konnte Fortschritt bringen: So die Aufhebung des Bannkreises um den Landtag, der Abbau der Ministerialzulage und die Kürzung der Aufwandsentschädigung für Minister und Staatssekretäre.

Bedauerlich bleibt, daß unser Gesetz zum Kommunalen Ausländerwahlrecht durch das Bundesverfassungsgericht aufgehoben wurde. Wir hoffen, daß die neue Verfassung der Bundesrepublik den Weg zu gleichberechtigten Mitwirkungsrechten für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger in ihrer Kommune endlich freigeben wird.

Um die Gerichte zu entlasten und Streitigkeiten zu verkürzen, wurde eine neue Schiedsordnung verabschiedet. Moderne gesetzliche Rahmen wurden geschaffen für die Architekten- und Ingenieurkammern, die Apothekerkammern und die Landwirtschaftskammern.

Auf demokratische Grundlagen wurde die Richterwahl gestellt. Weder die Richterverbände noch die Parteien können - wie es in CDU-Zeiten war - unangemessenen Einfluß auf die Personalentscheidungen nehmen.

Im Landesrundfunkgesetz wurden die Anforderungen an ein bürgernahes Programm neu beschrieben und die Kontrollmöglichkeiten aus der Vielfalt gesellschaftlicher Gruppen sichergestellt.

Grundlegend wurde auch das Bildungswesen reformiert: Das Schulgesetz machte die Gesamtschule zur Regelschule, schuf die Voraussetzungen für Integration von Behinderten und das 10. Schuljahr an Hauptschulen. Die Bildungsziele wurden entrümpelt, die Mitwirkungsmöglichkeiten für Eltern, Schule und Lehrer erweitert. Die finanzielle Grundlage der Schulträger wurde im Finanzausgleichsgesetz gesichert. Insbesondere die Demokratisierung der Hochschulgremien stand im Zentrum des neuen Landeshochschulgesetzes. Erstmals in Schleswig-Holstein gibt es ein Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz, das den Anspruch auf Bildungsurlaub für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelt und bereits vielfältig in Anspruch genommen wird.

Die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen wurden im Finanzausgleichsgesetz so geregelt, daß die Benachteiligung der kreisfreien Städte gemildert wurde und daß mehr Solidarität und Gerechtigkeit in der Finanzverteilung hergestellt werden konnten.

Du das Investitionsbankgesetz wurden im Bereich der Landesbank moderne Instrumente der Förderung in Wirtschaft und Wohnungsbau geschaffen.

Den Anfang einer Reihe von Gesetzen zum Umweltschutz bildete das Landeswassergesetz, das den Naturschutz, die Wasserwirtschaft, den Küstenschutz und den Tourismus vereinbar machen wird.

Weitere wichtige Gesetzesvorhaben für das laufende Jahr sind: Abfallwirtschaft, Naturschutz, Kindergärten, Jugendarbeit, Verwaltung und Polizei, Gleichstellung, Bürgerbeauftragter. Die Verteilung der Aufgaben in der Fraktion hat sich gegenüber dem vorigen Berichtszeitraum nur an wenigen Stellen verändert.

Ulrich Meyenborg ist aus dem Landtag ausgeschieden, um als Schulsenator in Lübeck Verantwortung zu übernehmen. Seine Nachfolgerin als Landtagsabgeordnete wurde Dora Heyenn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende wurde Heide Moser. Neuer Beisitzer im Fraktionsvorstand ist Holger Astrup.

[...]

5. Die sozialdemokratische Reformpolitik von Fraktion und Regierung ist auf mehrere Legislaturperioden mit eigenständiger Mehrheit angelegt."

Rechenschaftsbericht 1991-1993

"Die Legislaturperiode 1988-1992 läßt sich mit "Reformeifer" überschreiben. Nach jahrzehntelangen CDU-Regierungen gab es in Schleswig-Holstein einen Reformstau: Schlußlicht bei der Kindergartenversorgung, Zensur von Schülerzeitschriften, Gesamtschule als absolute Ausnahme. Mit über 100 Gesetzen haben wir unser Land im wahrsten Sinne des Wortes umgekrempelt und gleichzeitig unter der Uberschrift "alternativ statt additiv" eine solide Finanzpolitik verfolgt, die uns auch in Zukunft die notwendigen Spielräume für zentrale Infrastrukturvorhaben läßt.

In der ersten sozialdemokratisch geführten Landesregierung haben wir das Fundament für ein soziales, liberales, wirtschaftlich und ökologisch modernes Schleswig-Holstein gelegt und in der jetzigen Legislaturperiode beginnt der zweite Bauabschnitt. Große Reformvorhaben wie die Elektrifizierung der Eisenbahn oder der Landeshochschulplan befinden sich in der Realisierungsphase.

Die Deutsche Einheit hat inzwischen das Land finanzpolitisch voll erfaßt. Unter diesen Bedingungen ist die Realisierung unserer Reformvorhaben eine große Leistung. Leere Kassen dürfen aber nicht das Ende sozialdemokratischer Reformpolitik bedeuten, im Gegenteil: sie sind eine Herausforderung zur Konzentration auf politische Schwerpunkte und zur Verstetigung begonnener Projekte. Nach der Zeit des überfälligen Reformschubs hat jetzt die Phase der Reformverstetigung begonnen.

Gemeinsam mit Partei und Regierung hat sich die Fraktion auf vier politische Schwerpunkte geeinigt: Soziale Gerechtigkeit, Wohnungsbau, Ökologische Modernisierung und Arbeitsmarktpolitik. Hinzu kommt der Ausbau unserer Hochschullandschaft mit den Schwerpunkten Fachhochschulen und Technischer Fakultät, die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs, kontinuierlicher Ausbau einer zukunftsträchtigen und technologieorientierten Wirtschaftspolitik. [...]"

Vorstand

Arbeitskreisvorsitzende

Fraktion

  1. Marliese Alfken, nachgerückt am 31. Mai 1988[1]
  2. Uwe Amthor
  3. Heinz-Werner Arens
  4. Jürgen Baasch
  5. Hermann Benker
  6. Gisela Böhrk
  7. Gert Börnsen
  8. Björn Engholm
  9. Ute Erdsiek-Rave
  10. Günter Fleskes
  11. Uwe Gunnesson
  12. Horst Hager
  13. Sabine Hamer
  14. Dora Heyenn, nachgerückt am 7. November 1990 für Ulrich Meyenborg
  15. Jürgen Hinz
  16. Uwe John
  17. Rudolf Johna
  18. Ursula Kähler
  19. Klaus Klingner
  20. Gyde Köster
  21. Gabriele Kötschau
  22. Joachim Lohmann
  23. Udo Lumma
  24. Wilhelm Marschner
  25. Ulrich Meyenborg, ausgeschieden am 1. November 1990
  26. Rüdiger Möbusz
  27. Heide Moser
  28. Konrad Nabel
  29. Günter Neugebauer
  30. Lianne Paulina-Mürl
  31. Gerhard Poppendiecker
  32. Gert Roßberg
  33. Ernst Dieter Rossmann
  34. Sabine Schröder
  35. Alfred Schulz
  36. Rolf Selzer
  37. Manfred Sickmann
  38. Ruth Springer
  39. Jens Vollert
  40. Frauke Walhorn
  41. Sigrid Warnicke
  42. Peter Wellmann
  43. Dietrich Wiebe
  44. Hans Wiesen
  45. Udo Wnuck, nachgerückt am 31. Mai 1988[2]
  46. Peter Zahn

Einzelnachweise

  1. An diesem Tag traten drei der direkt Gewählten in die Regierung ein: Gisela Böhrk, Klaus Klingner und Hans Wiesen. Für wen sie nachrückte, ist bisher nicht geklärt.
  2. An diesem Tag traten drei der direkt Gewählten in die Regierung ein: Gisela Böhrk, Klaus Klingner und Hans Wiesen. Für wen er nachrückte, ist bisher nicht geklärt.