Wilhelm Siegel
Wilhelm Siegel |
Wilhelm Arnold Albrecht Siegel, * 15. Dezember 1890 in Hamburg, † 5. November 1977 in Schmalenbeck, Gem. Großhansdorf; Volksschullehrer, Landrat, Minister. Mitglied der SPD seit 1946.
Leben & Beruf
Wilhelm Siegel war der Sohn von Nicolaus Anton Heinrich Siegel (1856-1945), einem Buchführer am Neuen Allgemeinen Krankenhaus Hamburg-Eppendorf, und Anna Johanna Henriette Siegel, geb. Hauschild (1862-1922). Er besuchte in Hamburg bis 1908 "die Seminarschule Binderstraße, die er mit einem dem "Einjährigen" vergleichbaren Abschluss beendete"[1], anschließend bis 1913 das Lehrerseminar und leistete ab Oktober des Jahres seinen Militärdienst ab. Nach Beginn des 1. Weltkriegs wurde er im Herbst 1914 zum Kriegsdienst an der Westfront eingezogen, aber im Januar 1917 wegen Herzbeschwerden nach einer Typhuserkrankung ins Zivilleben entlassen. Im Mai/Juni 1917 konnte er mit einer Ausnahmegenehmigung die Zweite Lehrerprüfung nachholen und erhielt eine feste Anstellung im Hamburger Schuldienst.[1]
Bei Machtantritt der Nazis verlor er aufgrund seiner früheren KPD-Mitgliedschaft seine Stelle. Jedoch stellten sie ihn im Oktober 1933 wieder ein, was mit dem Beitritt zum Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) verbunden war. 1934 trat er auch der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) bei; weiteres Engagement ist nicht bekannt, dies war wohl das Mindeste, um im Dienst verbleiben zu können. 1948 wurde er im Entnazifizierungsverfahren als "unbelastet" eingestuft.[1] Die Studie von Danker/Lehmann-Himmel stuft seine Grundorientierung unter den fünf möglichen Kategorien als "angepasst-ambivalent"[2] und ihn darin als "Inkludierten Volksgenossen" ein.[3] 1943 ordnete ihn die Schulbehörde zur Betreuung evakuierter Hamburger Kinder an die Volksschule Ahrensburg ab. Von Juli 1945 an leitete er als Rektor die Volksschule Forsmannstraße in Hamburg-Winterhude. Zum 1. Mai 1950 schied er aus dem Schuldienst aus. Noch in hohem Alter bezeichnete er sich jedoch gern als "Schulmeister".[4]
Er war seit dem 21. März 1918 verheiratet mit Friederike Charlotte Siegel, geb. Kiehl (1891-1970); die beiden bekamen fünf Töchter. 1927 oder 1928 zog die Familie nach Schmalenbeck, damals eine hamburgische Exklave[1], heute ein Ortsteil von Großhansdorf.
Wilhelm Siegels Hobby war - vielleicht erst in späteren Jahren - die Fotografie. Mit 80 Jahren zeigte er seine erste Ausstellung.[5]
Partei & Politik
Etwa 1917 schploss sich Wilhelm Siegel zunächst der USPD an, von 1918 bis 1923 dann der KPD. Danach betätigte er sich bis zu seinem Eintritt in die SPD 1946 nicht mehr politisch.
Von 1949 bis 1951 sowie von 1957 bis 1963 war er Mitglied im Landesvorstand[6]
Kommunalpolitik
Er wurde von der britischen Militärregieung in den ernannten Kreistag des Kreises Stormarn vom 10. Januar 1946 berufen, nach der Kommunalwahl 1946 gehörte er dem ersten gewählten Kreistag an. Vom 1. November 1946 bis 31. März 1950 amtierte er als ehrenamtlicher Landrat (d.h. Vorsitzender des Kreistages; später hieß diese Funktion Kreispräsident*in).
Außerdem war er als Beisitzer im Entnazifizierungsausschuss für den Kreis Stormarn aktiv und leitete von April bis Oktober 1946 als Vorsitzender den Bezirksausschuss in Ahrensburg.
Durch eine neue Kreisordnung wurden die Leitungen der Kreisverwaltungen neu geordnet. Am 28. April 1950 siegte Wilhelm Siegel in der Stichwahl um die Verwaltungsspitze gegen den bisherigen Oberkreisdirektor.
"Der Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE), teilweise Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten, positionierte sich gegen den SPD-Landrat und Befürworter der Entnazifizierung."[1]
Vom 16. Mai 1950 bis zum Eintritt in den Ruhestand am 31. März 1956 war er hauptamtlicher Landrat des Kreises Stormarn - der einzige, der dieses Amt sowohl ehren- als auch hauptamtlich ausübte, und der erste sozialdemokratische Landrat des Kreises.[1]
"Siegel setzte sich in seiner Amtszeit v.a. für den Ausbau von Bad Oldesloe zur Kreisstadt ein. Das neue Stormarnhaus als Sitz der Kreisverwaltung wurde 1952 eingeweiht. Zudem waren noch die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs mit einer starken Zunahme der Bevölkerung durch den Zustrom von Flüchtlingen und der daraus resultierenden Wohnungsnot und des Arbeitsplatzmangels zu bewältigen. So gehörte neben Wohnungsbauprogrammen die Ansiedlung von Gewerbe zu den Hauptinteressen des Landrats. [...] Als ehemaliger Lehrer und Minister für Volksbildung initiierte er außerdem eine Reihe von Schul- und Jugendheimprojekten."[1]
Landtag
In der Landtagswahl 1947 wurde er direkt in den Landtag gewählt, im Wahlkreis 36 (Stormarn-Oldesloe). In der Landtagswahl 1950 wurde er über die Liste, 1954 wieder direkt gewählt, diesmal im Wahlkreis 38 (Stormarn-Nord). In die Landtage 1958 und 1962 kam er wieder über die Liste.
Er war aktiv in den Ausschüssen für Verfassung und Geschäftsordnung, Volksbildung und Erziehung, Inneres, Gesundheitswesen bzw. Gesundheit und Volkswohlfahrt, Volksbildung (Vorsitz 1954-1967), Wahrung der Rechte der Volksvertretung sowie Finanzen, Von 1958 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Parlament war er 1. Vizepräsident des Landtages und Mitglied des Ältestenrates.
Landesregierung
Vom 29. August 1949 bis zum 5. September 1950 amtierte Wilhelm Siegel als Landesminister für Volksbildung im Kabinett von Bruno Diekmann.
Ehrungen
Am 23. März 1956 wurde Wilhelm Siegel mit dem Großen Verdienstkreuz des Bundesverdienstkreuzes ausgezeichnet, am 30. September 1966 mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern.
Am 15. Dezember 1965, seinem 75. Geburtstag, wurde er zum Ehrenbürger der Gemeinde Großhansdorf ernannt. Dort heißt seit 1978 auch eine Straße Wilhelm-Siegel-Weg.[7]
Archive
- Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA): Pressemappe Wilhelm Siegel
Literatur & Links
- Danker, Uwe/Lehmann-Himmel, Sebastian: Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive (Husum 2017) ISBN 978-3-89876-857-3
- Schulz, Alfred: Wilhelm Siegel: Lehrer, Landrat u. Volksbildungsminister, in: Mitteilungen des Beirats für Geschichte der Arbeiterbewegung und Demokratie in Schleswig-Holstein (Malente 1988) S. 13 ff.
- Landtagsinformationssystem: Wilhelm Siegel (mit Foto)
- Wikipedia: Wilhelm Siegel
- Günther, Barbara: Wilhelm Siegel im Stormarn Lexikon Online
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 Günther, Barbara: Stormarn Lexikon Online, abgerufen 18.5.2020
- ↑ Vgl. Danker/Lehmann-Himmel, S. 179, 198. Die fünf Kategorien lauten "exponiert nationalsozialistisch", "systemtragend karrieristisch", "ns-sozialisiert", "angepasst ambivalent" und "oppositionell 'gemeinschaftsfremd'".
- ↑ Vgl. Danker/Lehmann-Himmel, S. 279. Grundlage ihrer Einordnung sind eine Akte im Landesarchiv (LASH Abt. 460.15, Nr. 354) sowie der unten genannte Aufsatz von Alfred Schulz.
- ↑ rm [Raimund Marfels]: Stormarn nimmt Abschied von Wilhelm Siegel, Lübecker Nachrichten (verm.), 10.11.1977
- ↑ rm [Raimund Marfels]: Landrat Wilhelm Siegels schönes Farbfoto-Hobby, Lübecker Nachrichten, 21.3.1971
- ↑ Wikipedia: Wilhelm Siegel gibt an "Bezirksvorstand der SPD Stormarn"; "Bezirk" war aber zu dieser Zeit der Begriff für den Landesverband. Es ist daher und auch angesicht anderer bekannter Daten offenbar der LV gemeint.
- ↑ RM [Raimund Marfels]: Wegbenennung ehrt Wilhelm Siegel, Lübecker Nachrichten (verm.), 10.5.1980. Das Datum ist mit Sicherheit unrichtig; nach dem Inhalt muss die Meldung von 1978 sein.