Ortsverein Holtenau: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 14. Dezember 2015, 17:44 Uhr

[[Datei:{{#setmainimage:Kiel Holtenau.jpg}}|right|180px]] Der Ortsverein Holtenau ist eine Gliederung des Kreisverbandes Kiel.

Geschichte

(Dieser historische Abriss des Ortsvereins wurde 2008 von Maik Schuhknecht verfasst. Wo die Darstellung über Holtenau hinausgeht, wurde gekürzt und ggf. auf andere Artikel der Geschichtswerkstatt verwiesen.)

Am 25, April 1903, ca. zwei Monate vor der anstehenden Reichstagswahl 1903, gründete sich im Dorf Holtenau der sozialdemokratische "Wahlverein für Holtenau und Umgegend". Holtenau lag im 3. schleswig-holsteinischen Reichstagswahlkreis (Schleswig/Eckernförde). Die Wahl bescherte der SPD einen ihrer größten Erfolge: Carl Legien zog erneut in den Reichstag ein, Sozialdemokraten gewannen fünf von zehn der schleswig-holsteinischen Wahlkreise und im Reich wurde die SPD mit über 3 Mio. Wählerstimmen stärkste Partei. Aus dem "Wahlverein" konstituierte sich am 18. Dezember 1905 mit 41 Mitgliedern der "Ortsverein für Holtenau und Umgegend".

Ziele

Die Ziele des politischen Kampfes der Holtenauer Sozialdemokraten lassen sich aus dem 10-Punkte-Programm ablesen, das 1903 im Norddeutschen Volkskalender veröffentlicht wurde. In der Präambel heißt es:

"Die sozialdemokratische Partei Deutschlands kämpft [...] nicht für neue Klassenprivilegien und Vorrechte, sondern für die Abschaffung der Klassenherrschaft und der Klassen selbst und für gleiche Rechte und Pflichten aller ohne Unterschied des Geschlechts und der Abstammung. Von diesen Anschauungen ausgehend, bekämpft sie in der heutigen Gesellschaft nicht bloß die Ausbeutung und Unterdrückung der Lohnarbeiter, sondern jede Art der Unterdrückung und Ausbeutung, richte sie sich gegen eine Klasse, eine Partei, ein Geschlecht oder eine Rasse."

In dem Programm finden sich alle wichtigen Forderungen wieder, die für unseren heutigen demokratisch verfassten Rechtsstaat von grundlegender Bedeutung sind: demokratisches Wahlrecht, das Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, die Gleichstellung von Mann und Frau, das Verbot von Kinderarbeit, die Erklärung der Religion zur Privatsache und die Unentgeltlichkeit des Schulunterrichts, des Rechtsbeistandes sowie ärztlicher Hilfeleistungen. Aber die Sozialdemokraten waren auch immer mehr als "nur" eine politische Vereinigung.

Vereinsleben

Die ersten Mitglieder des Ortsvereins waren Dreher, Schlosser und Former der Kaiserlichen Torpedowerkstatt in Friedrichsort, von denen viele in Arbeiterquartieren am Schusterkrug untergebracht waren. Um 1900 beschäftigten die Werkstätten ca. 1000 Arbeiter; während des 1. Weltkrieges wuchs ihre Zahl auf 6310 an. Hinzu kamen einige Handwerker und Kanalarbeiter aus Holtenau. Auch einige Arbeiterfrauen traten der Partei bei und kämpften erfolgreich für die Verwirklichung sozialer Rechte. So wurde auf Anregung der Genossinnen im Oktober 1910 eine Kinderschutzkommission beschlossen.

In Holtenau wurden die Mitgliederversammlungen vierteljährlich abgehalten. Versammlungslokal war das Hotel "Irene" am Schusterkrug. Neben den aktuellen Themen des Ortsvereins wie Mitglieder-, Kassen- und Abonnementbestand wurde von den Ergebnissen der Parteitage berichtet und darüber kontrovers diskutiert. Die Versammlungen wurden durch vielfältige Gastvorträge eigens hierfür angereister Referenten angereichert. Verbürgt sind die Vorträge "Der moderne Militarismus - eine Gefahr für das Proletariat", "Die Entwicklung des Zeitungswesens", "Die Steuerpolitik der Reichsregierung", "Das Deutsche Reich in den internationalen Beziehungen" sowie ein Lichtbildervortrag über Feuerbestattungen.

Erwähnenswert sind auch die abwechslungsreichen kulturellen Ausflüge und Unternehmungen zum 1. Mai, die umfangreichen Bildungsveranstaltungen und die Unterhaltung einer eigenen Bibliothek. Beliebt und gut besucht waren auch der Arbeiter-Gesangverein und die Freie Turnerschaft in Holtenau.

Als Zeugnis eines etablierten demokratischen Selbstverständnisses sei eine Vorkommnis während einer Mitgliederversammlung erwähnt:

"Gerügt wurde, dass Teilnehmer an dem letzten Laufkötter-Vortrag einen in der Diskussion auftretenden Gegner nicht mit derselben Ruhe anhörten wie den Genossen Laufkötter. Es gehöre nicht zum guten Ton, einen Gegner durch Zwischenbemerkungen oder durch Unruhe zu stören, sondern man lege vielmehr Ehre ein, wenn man auch die gegnerische Meinung achte."[1]

Der politische Kampf für eine demokratische und sozial gerechte Gesellschaft wirkte sich positiv auf die Reichstagswahl von 1907 aus. In Holtenau erhielt der sozialdemokratische Kandidat Genosse Hoffmann 237 Stimmen, die Konkurrenten 175 Stimmen (Freisinnige Partei) und 20 Stimmen (Nationalliberale). Bestärkt durch den Zuspruch der Wähler und den großen Zulauf an Parteimitgliedern entwickelte der Holtenauer Ortsverein fünf Jahre nach der Gründung eine selbstbewusste Eigenständigkeit. Ende 1910 betrug der Mitgliederbestand 308 Genossen und 45 Genossinnen.

Der junge Ortsverein in der Krise

Im Angesicht des nahenden 1. Weltkrieges stande zahlreiche Friedenskundgebungen und -versammlungen auf den Aktionsplänen. In einer Massendemonstration, an der auch viele Holtenauer Genossinenn und Genossen teilnahmen, wurde am 28. Juli 1914 auf der Kieler Waldwiese eine Friedensresolution gefasst:

"Wir geloben, dass wir mit aller Energie uns dafür einsetzen wollen, die deutschen Staatsmänner dahin zu bringen, dass sie sich und ihre ganze Macht ehrlich und restlos gegen den Krieg wenden. Die hier versammelten Tausende fühlen sich mit Millionen in Europa einig darin, für den Frieden und gegen den Krieg das Äußerste leisten zu müssen."[2]

Trotz der reichsweiten Friedenskundgebungen bewilligte am 4. August 1914 auch die sozialdemokratische Reichstagsfraktion die Kriegskredite und willigte in den ausgerufenen parteiübergreifenden "Burgfrieden" ein. Gegen diese Politik der Reichstagsfraktion regte sich starker innerparteilicher Widerstand, der zur Zerreißprobe für die SPD wurde. In einem Aufruf in der VZ wurden der innerparteilichen Opposition harte Konsequenzen angedroht:

"Gruppen und Personen, welche durch bestimmte Handlungen ihr Eintreten für die Opposition bekunden, haben damit im Sinne des Organisationsstatuts ihren freiwilligen Austritt aus dem Verbande der Gesamtpartei erklärt. (...) Sollte sich ein Ortsverein durch Mehrheitsbeschluß zur Opposition bekennen, so hört er auf, sozialdemokratischer Verein zu sein."[3]

Die Antwort des Ortsvereins Holtenau darauf ist von einem bemerkenswerten Selbstbewusstsein geprägt, das bis heute als Selbstverständnis in der Auseinandersetzung mit übergeordneten Parteiinstanzen lebendig ist.

"Genosse B. meinte, ... man wolle die freie Meinung in der Partei unterdrücken. Man könne sich aber doch kein Mitglied denken, daß innerhalb der Organisation [nicht] frei seine Meinung äußern dürfe. Das war ja bisher gerade der Vorzug unserer Partei. ... Nicht die Mitglieder, sondern die Parteiinstanzen wollten die Partei zerreißen. (...) Genosse R. meinte, welches der Standpunkt der Partei sein soll, hätten die Wahlen zu entscheiden und nicht die Vorstände."

Der Ortsverein kam bei nur zwei Gegenstimmen zu folgender Entschließung:

"Der Sozialdemokratische Verein Holtenau teilt den Standpunkt der Arbeitsgemeinschaft. Er verurteilt daß Vorgehen der Parteiinstanzen und wird nach wie vor das tun, was er für richtig hält."[4]

Die grundlegende Differenz zwischen Parteiführung und Basis führte in Holtenau zu einem tiefgreifenden Bruch.

"Dem Vorsitzenden wurde dann noch mitgeteilt, daß die gesondert organisierten Anhänger der Opposition, die sich unberechtigterweise noch als 'Sozialdemokratischer Ortsverein für Holtenau und Umgegend' bezeichnen, jedenfalls von der zuständigen Kreisleitung erst gezwungen werden müssen, daß der Kreisorganisation gehörende Vereinsmaterial herauszugeben."[5]

Am 8. April 1917 gründete sich aus Opposition gegen den Parteivorstand und dessen Unterstützung für den Kriegskurs die Unabhängige Sozialdemokratie (USPD). Nach zwölf erfolgreichen Jahren hörte mit der Spaltung der SPD das vitale Ortsvereinsleben auf zu existieren. Zählte der Ortsverein Holtenau im Juli 1914 noch 792 Mitglieder, so versank er nach dem Ausschluss einer großen Mehrheit in der Bedeutungslosigkeit. In der folgenden Zeit wird über den Ortsverein nicht mehr in der VZ berichtet.

Noch 1915 hatte das SPD-Blatt gemeldet, dass ca. 90 Mitglieder des Ortsvereins Holtenau "im Felde stehen" - wie viele von ihnen fielen, ist nicht bekannt.[6]

Der Weg in die Weimarer Republik

Am 26. Januar 1918 begann auf der Germaniawerft, in den Kaiserlichen Torpedowerkstätten in Friedrichsort und in vielen anderen Kieler Großbetrieben ein von der USPD initiierter Generalstreik. Tausende Arbeiter demonstrierten für bessere Lebensbedingungen, für die Beendigung des 1. Weltkrieges und für die Demokratisierung der Verfassung des Deutschen Kaiserreiches. Im November kam es zum Kieler Matrosenaufstand, der das Ende des Kaiserreiches und die Entwicklung hin zu einem demokratischen Staatswesen einleitete.

Aber die Weimarer Republik begann auch mit hohen Hypotheken. Neben den horrenden Reparationszahlungen an die Siegermächte stand die schwierige Umstellung von der Kriegs- auf die Friedensindustrie an. Viele Holtenauer Arbeiter wurden durch die Schließung der Friedrichsorter Rüstungsiundustrie arbeitslos. In den Wiederaufbauplänen für Kiel waren die Uferstrecken Holtenaus und Friedrichsorts von besonderer Bedeutung. Auf dem Voßbrooker Gelände sollte nach den Plänen des Magistrats eine Fein- und Veredelungsindustrie samt Hafenanlage entstehen. Die notwendige Eingemeindung von Holtenau, Pries und Friedrichsort nach Kiel 1922 verlief nicht ohne Protest der Einwohner. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre wurde der Bebauungsplan bis auf den Plüschowhafen jedoch nicht umgesetzt. Nach Abholzung des Voßbrooker Waldes und Abriss der Katen Distelrade, Diken und Eekbrook wurde im Frühjahr 1928 der ausgebaute Flugplatz Holtenau in Betrieb genommen.

Wiedervereinigung

Der Ortsverein Holtenau und Umgegend gliederte sich mit der Eingemeindung 1922 dem Sozialdemokratischen Verein Groß-Kiel an. Im selben Jahr schlossen sich am 14. Juli die Reichstagsfraktionen von SPD und USPD zusammen. Dies führte auch bei den Holtenauer Sozialdemokraten wieder zu einer tatkräftigen Einheit. Unter anderem fand mit maßgeblicher Hilfe der Holtenauer Genossinnen und Genossen im Juli 1927 auf dem ehemaligen Holtenauer Gutsbezirk Seekamp die Kinderrepublik Seekamp statt.

Daneben standen die stetige Radikalisierung der politischen Stimmung, vor allem infolge der Weltwirtschaftskrise von 1929 und der wachsenden Arbeitslosigkeit, und der Aufstieg der Nationalsozialisten. Die Gründung der Eisernen Front Ende 1931 war der letzte Vesuch der demokratischen Kräfte, sich den Rechten entgegenzustellen.

Nationalsozialismus

Am 22. Juni 1933 wurde die SPD offiziell verboten. Da waren viele Mitglieder bereits verhaftet, im Konzentrationslager, im Untergrund oder im Exil. Von außen und auch von innen wurde jedoch weiterhin versucht, über ein europäisches Netz von Verbindungen die Arbeit der Partei im Untergrund fortzuführen. Zu diesem Netz gehörten auch Holtenauer Parteimitglieder. Der Holtenauer Richard Hansen, Mitglied der Bezirksleitung Kiel, flüchtete mit weiteren Genossen über die Anlaufstelle "Café Lützen" in Flensburg; die Familie Lützen unterstützte unzählige Genossen bei der Flucht über die "grüne Grenze" nach Dänemark. An einer Tankstelle wurde Hansens Gruppe von SA-Leuten erkannt. Hansen glückte als einzigem von ihnen die Flucht über die Ostsee nach Kopenhagen.

Dort leitete Richard Hansen das Grenzsekretariat; er war für die Koordinierung des Widerstandes in Schleswig-Holstein, Hamburg und Pommern und für die Verbreitung von Druckschriften wie Sozialistische Aktion oder Vorwärts zuständig, die zu Wasser und zu Lande nach Nazi-Deutschland geschmuggelt wurden. Als "Briefkästen" zur Weiterverbreitung dienten unter anderem alte Motorradschläuche; gelegentlich wurden Schriften in Arbeitsämtern, Wohlfahrtsstellen oder Straßenbahnen hinterlassen. In Kiel gehörten neben anderen die Genossen Hans Schröder und Emil Bandholz zu den Verteilern; beide wurden im Februar 1937 verhaftet.

Die Widerstandsaktionen in Schleswig-Holstein beschränkten sich bis zum 2. Weltkrieg im Wesentlichen auf die Aufrechterhaltung der Informationsnetze und auf Fluchthilfe für Genossen aus ganz Deutschland, die nach Dänemark und Skandinavien gebracht wurden. Diese Aktionen waren äußerst riskant. Im September 1935 wurde der Exilant Genosse Jessen in Flensburg verhaftet, als er mehrere tausend Druckschriften über die Grenze nach Hamburg schmuggeln wollte. Am 6. Mai 1938 wurden in einer groß angelegten Aktion 59 Kieler Genossen verhaftet und ihre Wohnungen, Keller- und Bodenräume nach Schreibmaschinen, Vervielfältigungsapparaten und Radiosendeanlagen durchsucht. In Holtenau traf es die Genossen Karl Mäder (* 22. Mai 1905) aus dem Schusterkrug 16 und Wilhelm Noack (* 7. Juni 1879) aus der Richthofenstr. 35. Bemerkenswert ist in jener Zeit die ungebrochene Solidarität. So fand beim Tod eines früheren SPD-Mitglieds noch im Januar 1936 ein Trauermarsch von 300 Genossen statt.

Mit dem Beginn des 2. Weltkrieges am 1. September 1939 kamen diese Verbindungen fast vollständig zum Erliegen. Bei der Besetzung Dänemarks am 9. April 1940 fielen der Gestapo die Akten der dänischen Polizei über die Emigranten in die Hände. Viele wurden verhaftet und in Lager deportiert, darunter Adolf Drobe, Oskar Nielsen und der dänische Verbindungsmann Ake Lassen. Nur wenigen gelang wie Richard Hansen und Kurt Heinig noch in derselben Nacht die Flucht über den Öresund nach Schweden. Richard Hansen emigrierte später weiter in die USA, von wo er 1947 nach Kiel zurückkehrte. Zu einer Gruppe von 200 Sozialdemokraten, die der Exil-Parteivorstand in Schweden für die Zeit nach dem Naziregime aufbaute, gehörten auch Willy Brandt und Herbert Wehner.

Vorstände

Jahr Vorsitz Stellvertretung Kasse Schriftführung Weitere
seit 10. Februar 2015 Michael August N.N. Monika Drews Simon Becker Manfred Heller, Trygve Jansen
2014 ? Heidi Toscan
2013/14 Heidi Toscan Michael August, Swenja Robinius Monika Drews-Soltau Klaus Huwald Simon Becker, Stefan von Doehlen, Sandra May, Hans-Jürgen Stephan
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1994 Heino Scharunge
1984 Hans-Wilhelm Nielsen[7]
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1971 Adolf Wittkowski[8] ? ? ? ?
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1917 Genosse Bohrmann[9] ? ? ? ?

Literatur

  • Wilhelm Brecour: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983)
  • Maik Schuhknecht: Zur Geschichte des SPD-Ortsvereins Kiel-Holtenau. Teil 1: Vom Anfang bis zum Ende? (Kiel 2008)

Links

Quellen

  1. Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung (VZ), 13.11.1910
  2. Brecour, S. I-90
  3. VZ, 7.2.1917
  4. Beide Zitate VZ, 15.2.1917
  5. VZ, 29.3.1917
  6. VZ, 18.1.1915
  7. Lt. OV-Handbuch 1986
  8. Über 40 Jahre Jugend- und Gemeinschaftsheim Eekbrook Kiel-Holtenau e. V. bei: spd-heim.de
  9. Schuhknecht, Geschichte, S. 8