Kapp-Lüttwitz-Putsch
Der Kapp-Lüttwitz-Putsch (auch Kapp-Putsch) war im März 1920 der erste Versuch rechtsextremer Kräfte, die 1918 aus der Novemberrevolution hervorgegangene Weimarer Republik zu beseitigen. Die Hauptaktivitäten der Putschisten konzentrierten sich auf Berlin. Es gab aber gewalttätige Auseinandersetzungen im gesamten Reichsgebiet - so auch in Schleswig-Holstein. Hier sogar besonders lange. Der Putsch scheiterte nach wenigen Tagen nicht zuletzt am Widerstand der Arbeiterbewegung und am Generalstreik.
Berlin
Unter anderem wegen des Friedensvertrags von Versailles und der schlechten wirtschaftlichen Lage lösten Nationalkonservative und vor allem Teile des Offizierkorps der Reichswehr einen Militärputsch aus. Der Vertrag von Versailles sah vor, die Armee auf 100.000 Mann zu verkleinern. Deswegen wurden viele Soldaten und Offiziere aus dem Dienst entlassen. Sie taten sich in "Freikorps" wieder zusammen. Zunächst warb die SPD sogar dafür, diesen Freikorps beizutreten, um sie zu demokratisieren. Bis April 1919 hatte etwa die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung dafür geworben, dass Arbeiter in die Marine-Brigade von Loewenfeld eintreten sollten. Dann aber wurde klar, dass diese Organisationen anti-demokratische Absichten hatten.[1] Trotzdem setzte Gustav Noske sie etwa zur Niederschlagung des Spartakusaufstands ein.[2]
Doch diese Privatarmeen waren auch eine Bedrohung für den Staat. So verfügte Reichspräsident Friedrich Ebert am 29. Februar 1920 ihre Auflösung. Im Gegenzug verlangte Freikorps-General von Lüttwitz am 10. März 1920 die Auflösung des Parlaments. Am 13. März 1920 ließ General Walther von Lüttwitz unter Einsatz der Marine-Brigade Ehrhardt das Berliner Regierungsviertel militärisch besetzen. Der Verwaltungsbeamte Wolfgang Kapp erklärte am selben Tag die aus Berlin geflüchtete Koalitionsregierung aus SPD, Zentrum und DDP unter Reichskanzler Gustav Bauer für abgesetzt, die Nationalversammlung und die preußische Regierung für aufgelöst und ernannte sich selbst zum Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten. Die Reichswehr weigerte sich, die demokratische Ordnung zu verteidigen.
Der Putschversuch brachte die junge deutsche Republik an den Rand eines Bürgerkrieges. Die meisten Putschisten waren aktive Reichswehrangehörige oder ehemalige Angehörige der alten Armee und Marine, insbesondere der Marinebrigade Ehrhardt, sowie Mitglieder der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP).
Als Reaktion rief Carl Legien, der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), alle in Berlin erreichbaren Funktionäre in das Gewerkschaftshaus. Die Gewerkschafter beschlossen einen Generalstreik als Reaktion auf den Putsch. Die KPD-Führung interpretierte den Putsch zunächst als Auseinandersetzung zwischen zwei Flügeln der "Konterrevolution". Erst am 14. März schloss sie sich dem Widerstand an.[3] Die reichsweiten Arbeitsniederlegungen begannen am 15. März 1920 und waren die umfangreichsten in der deutschen Geschichte. Dadurch lagen Verkehrs- und Nachrichtenmittel und Betriebe still; die Putschisten konnten sich nicht mehr miteinander verständigen.[4] Auch der größte Teil der staatlichen Verwaltung verweigerten die Kooperation mit dem Putschisten. Bereits am 17. März endete der rechte Umsturzversuch.
Die zuvor in MSPD, USPD und KPD gespaltene Arbeiterbewegung hatte hier gemeinsam an einem Strang gezogen und sich die eigene Stärke vor Augen geführt. Für einige Zeit waren alle Gräben überwunden.
Schleswig-Holstein
Auch in Schleswig-Holstein führte der Kapp-Lüttwitz-Putsch zu Chaos und Blutvergießen. Er zog sich hier sogar noch etwas länger hin als im übrigen Deutschland. Anders als im Reich erklärte sich die Reichswehr in Schleswig-Holstein nicht für „neutral", sondern trug den Kapp-Putsch aktiv mit.[5]
Der Kommandeur des Reichswehrkommandos II, zu dem Schleswig-Holstein, der Landesteil Lübeck und die Stadt Lübeck gehörten, war Generalmajor Paul von Lettow-Vorbeck. Der hatte sich schon als Kolonial-Krieger in der Kaiserzeit am Völkermord in "Deutsch-Südwestafrika" beteiligt. Er stellte sich der "neuen Regierung" der Putschisten zur Verfügung und forderte die Bevölkerung zu Ruhe und Ordnung auf. Daraufhin schlossen sich zahlreiche Garnisonsälteste[Anm. 1] - in Groß-Hamburg Oberst von Wangenheim, in Eutin Major Ritter, in Schleswig Major Hans Cuno von Lattorff, in Heide Hauptmann Freiherr von Liliencron - dem Putsch an. Die Arbeiterbewegung organisierte den Widerstand - teilweise allein, teilweise zusammen mit demokratisch gesinnten Bürgerlichen; immer aber über die Parteigrenzen von SPD, USPD und KPD hinweg.
Der Kapp-Lüttwitz-Putsch überschnitt sich mit der Volksabstimmung über die Zugehörigkeit des Landesteils Schleswig zu Deutschland oder Dänemark. Am 14. März 1920 fand die Abstimmung in der zweiten Zone statt. Die prodänische Propaganda griff den Putsch sofort auf. Die Flensburger Sozialdemokratie hielt dagegen. Trotzdem schreckte die Situation vermutlich viele Stimmberechtigte von der Reise nach Schleswig ab.
Kiel
Der Marinebefehlshaber Konteradmiral Magnus von Levetzow sympathisierte mit dem Putsch; schon Tage vorher hatte er "Erhöhte Bereitschaft" angeordnet. Er begründete dies mit der Gefahr eines kommunistischen Putsches und möglichen Unruhen in der Arbeiterschaft.[6] Laut dem Eintrag in seinem dienstlichen Tagebuch vermutete er, dass Reichspräsident Friedrich Ebert und Reichswehrminister Gustav Noske in Hamburg seien, und gab Befehl, sie bei etwaiger Ankunft in Kiel sofort zu verhaften.[7] Er aktivierte Einheiten von Zeitfreiwilligen - weitestgehend Zivilisten, die sich für den freiwilligen Dienst an der Waffe verpflichtet hatten. Die Arbeiter beschrieben sie vor allem als "Studenten und Gymnasiasten"[8]. Zur Verfügung standen ihm daneben reguläre Truppen sowie unter dem Korvettenkapitän Franz Claassen ein Bataillon der Marine-Brigade von Loewenfeld - einem Freikorps - genannt die "Loewenfelder".
Sonnabend, 13. März: Die Morgenausgabe der Kieler Zeitung berichtete über den Putsch.[9] Als sich die Nachricht herumsprach, organisierte die Arbeiterschaft die Abwehr. Am Mittag bereits ruhte weitestgehend die Arbeit in den Betrieben.[10] MSPD, USPD und KPD bildeten über alle politischen Gräben hinweg eine provisorische Regierung und ernannten Gustav Garbe zum Gouverneur.[11][12] Für die MSPD gehörten zudem Gustav Radbruch und der Parteisekretär Ernst Frenzel dazu. Tatsächlich relevant wurde diese Regierung in den nächsten Tagen nicht mehr - wohl aber hatte sie symbolische Bedeutung.[9]
Die Arbeiter strömten von den Werften auf den Wilhelmplatz, wo am Nachmittag Gustav Garbe (MSPD) und Wilhelm Schweizer (USPD) sprachen.[12]
Zusammen ging die Menge am Abend zur Werft nach Gaarden, um dort versteckte Waffen zu holen[10], 800 Gewehre mit Munition. Am Marine-Arsenal kam es zu einem Schusswechsel.[6] Das Militär griff von Wasser und Land die besetzte Werft an. Dabei starben zwei Soldaten und sieben Arbeiter.[13]
Die Arbeiterschaft hatte auch im Vorfeld Lager mit Waffen im Umland angelegt, die sie jetzt in die Stadt holte.[3] Wilhelm Spiegel schaffte Waffen per Bahn aus Altona heran.[12] Außerdem überfielen die Arbeiter Einheiten der unerfahrenen Zeitfreiwilligen und nahmen ihnen die Waffen ab.[3]
Gustav Radbruch und Hermann Heller verhandelten mit Konteradmiral von Levetzow, wurden dann aber auf seinen Befehl festgenommen - genau wie Gustav Garbe im Gewerkschaftshaus.
Am Abend erklärte Kiels parteiloser Bürgermeister Dr. Fritz Gradenwitz Konteradmiral von Levetzow, dass der Magistrat sich hinter die legale Regierung von Gustav Bauer gestellt habe. Alle deutschen Landesregierungen hatten ebenfalls den Putsch verurteilt. Die Reichsregierung war nach Dresden ausgewichen, die Nationalversammlung nach Stuttgart einberufen worden. Die Putschisten hatten also nicht viel mehr als Berlin unter Kontrolle. Dort hatten aber die Gewerkschaften zum Generalstreik aufgerufen und die Ministerialbürokratie verweigerte die Zusammenarbeit. Trotzdem handelte der Kieler Marinebefehlshaber weiterhin so, als seien die Arbeiter die Aufständischen, die zur Ordnung gebracht werden müssten.[9]
Sonntag 14. März: "Am Sonntag herrschte schwüle Ruhe."[10] In enger Abstimmung mit der Regierung Kapp ließ Konteradmiral von Levetzow den erkrankten Polizeipräsidenten Wilhelm Poller unter Hausarrest stellen, den Oberpräsidenten Heinrich Kürbis verhaften und ernannte Paul Lindemann zum neuen Oberpräsidenten sowie den ehemaligen Landrat von Löw zum Polizeipräsidenten.[13]
Paul Lindemann war gerade erst, am 4. Oktober 1919, als Oberbürgermeister von Kiel zurückgetreten. Er war davor bereits seit 1912 Oberbürgermeister gewesen und fand sich offenbar in der neuen, demokratischen Realität noch nicht so ganz zurecht. Denn es kam 1919 in der Stadtverordnetenvertretung zum Eklat, als Paul Lindemann die Amtseinführung des Arbeitersekretärs Paul Greß als besoldeter Stadtrat kritisch kommentierte:
"Mit der Benennung eines ihrer Parteiangehörigen haben die Mehrheitsparteien der Wahl einen politischen Beigeschmack gegeben." Paul Greß sei "durch das Vertrauen der Parteifreunde berufen" worden. "Aber es liegt ja in der Natur solcher Umwälzungen, wie wir zurzeit eine erleben, dass grundsätzlich alles bisher Vorhandene beseitigt werden muss, ganz gleich, ob es sich bewährt hat oder nicht."
Diese Aussagen wurden von allen Ratsfraktionen als Missachtung der demokratischen Kandidatenaufstellung gewertet, eine gedeihliche Zusammenarbeit erschien nicht mehr möglich. So trat er zurück.[14]
Als Repräsentant der Putschisten erreichte Paul Lindemann aber am Wochenende u.a., dass die organisierte Bauernschaft in Schleswig-Holstein sie unterstützte. Die Landwirtschaftskammer und mehrere Bauernverbände sprachen der "neuen Regierung" das Vertrauen aus und forderten ein Ende des Generalstreiks - andernfalls wolle man keine Lebensmittel mehr liefern.[15] Es ließ sich also ahnen, unter welcher Bedrohung die Arbeiterschaft im Umland der Städte agierte.
Starke Patrouillen zogen durch die Straßen. Die Schiffmaschinenbauschule (heute: Muthesius Kunsthochschule) ließ Konteradmiral von Levetzow besetzen, um von dort aus das gegenüberliegende Polizeipräsidium sowie das Gewerkschaftshaus kontrollieren zu können.[6] Sämtliche Zeitungen wurden verboten, ebenso Versammlungen, Plakate, Umzüge und Flugblätter. Bei ersten Zusammenstößen kam es bereits zu Opfern.[12]
Schiffmaschinenbauschule |
|
Montag, 15. März: Der Generalstreik lief jetzt im ganzen Land. Weiterhin arbeitete auch in Kiel praktisch niemand. Massive Militärpräsenz in der ganzen Stadt - die Einheiten zwangen die Leute in ihre Häuser und schossen zur Warnung in den Straßen. Wieder gab es drei Tote, diesmal ein Soldat, eine Frau und ein Kind.[16]
Die Telefon- und Telegrafen-Verbindungen waren durch den Generalstreik unterbrochen. Nachrichten konnten sich nur langsam verbreiten. Auch den Putschisten fehlten die Kommunikationsmöglichkeiten.[11]
Dienstag, 16. März: Die Arbeiterschaft organisierte sich immer besser. Die Sicherheitswehr, eine Bereitschaftspolizei, weigerte sich, politische Verhaftungen vorzunehmen. Auch die Zeitfreiwilligen zweifelten an ihrem Einsatz. Sie hatten sich zu Landesverteidigung gemeldet, sollten jetzt aber auf ihre Landsleute schießen.[17] Der Verband der Deckoffiziere und der Verband ehemaliger und derzeitiger Berufssoldaten stellten sich gegen die Putschisten und auf die Seite der Demokratie.[8]
Mittwoch, 17. März: Der Putsch in Berlin brach zusammen. Wolfgang Kapp floh ins Exil nach Schweden. Doch die militärische Führung gab noch nicht auf. Das Reichswehrgruppenkommando 1 informierte den Kieler Marinebefehlshaber, dass "Dr. Kapp aus nationalem Gefühl und um der Einheitsfront gegen den Bolschewismus nicht im Wege zu stehen" zurückgetreten sei, und dann heißt es:
"Für uns Soldaten kommt es darauf an, in einheitlicher Front in Verein mit Sicherheitspolizei, Einwohnerwehr und technischer Nothilfe den von den Kommunisten angekündigten Kampf mit aller Aufopferung zum Heile des Vaterlandes zu bestehen."
Auch diesen Befehl setzte Magnus von Levetzow um.
In der Holstenstraße kam es zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen Trupps der Putschisten und Arbeitern. Zwei Menschen starben und zehn wurden verwundet.[10]
Aus Hamburg kamen mit einer Lokomotive Kieler Genossen zusammen mit Max Brauer und Walther Lamp'l zur Unterstützung.[18] Magistrat, Stadtverordnetenversammlung und die vier demokratischen Parteien, SPD, USPD, Deutsche Demokratische Partei und Deutsche Volkspartei, forderten Konteradmiral von Levetzow auf, die politischen Gefangenen (Heinrich Kürbis, Gustav Radbruch, Hermann Heller u.a.) freizulassen, als Gouverneur zurückzutreten und diese Aufgabe an den Verleger der Kieler Zeitung, Leutnant der Reserve Hieronimus, zu übergeben. Das lehnte der Konteradmiral ab.[8]
Donnerstag, 18. März: Am Morgen lehnte Magnus von Levetzow erneut Verhandlungen ab.[8] Um 9 Uhr begannen Truppen, in eine Menschenmenge in der Wilhelminenstraße zu schießen. Die Arbeiter vertrieben die Soldaten, die geschossen hatten, in Richtung Wik und stürmten die Schiffmaschinenbauschule: "Handgranaten flogen, einige Schüsse knallten und die Mannschaft war überrannt."[10]
Der Marinebefehlshaber aktivierte die Loewenfelder und weitere Einheiten Zeitfreiwilliger in der Wik, die schwer bewaffnet mit Maschinengewehren und Minenwerfern über die Feldstraße und die Holtenauer Straße Richtung Dreiecksplatz marschierten und das Gewerkschaftshaus besetzen sollten.[19]
Arbeiterwehren und Sicherheitswehr stellten sich auf die Abwehr ein. Mittlerweile waren auch sie gut gerüstet.[10] Auf der Holtenauer Straße am Schauspielhaus und am Kleinen Kiel kam es zu Schusswechseln. Neben der Marinebrigade der Loewenfelder standen den Arbeiterwehren 3000 zeitfreiwillige Studenten und Gymnasiasten gegenüber.[8]
Der Arbeiterschaft gelang es, das Freikorps zurückzudrängen. Obwohl die wiederhergestellte demokratische Regierung in Berlin Konteradmiral Magnus von Levetzow als Marinebefehlshaber abgesetzt hatte, gingen die Kämpfe weiter.
Dann wurden Gustav Garbe, Gustav Radbruch und Hermann Heller freigelassen. Das Militär bat um einen Waffenstillstand.
Die Kämpfe endeten mit 53 toten Zivilisten, 27 Toten beim Militär und 180 Verwundeten. Man sprach von Kiels "blutigem Donnerstag".
Freitag 19. März: Am Morgen ließ der abgesetzte Magnus von Levetzow Gustav Garbe, inzwischen zum Zivilgouverneur ernannt, erneut verhaften. Allerdings verweigerten ihm jetzt ein Teil der Soldaten die Gefolgschaft. Nur zusammen mit den Loewenfeldern zog er sich in die Kasernen in der Wik zurück.
Diese bereiteten sich dort auf einen Angriff der Arbeiterwehren vor, während der abgesetzte Levetzow und die Kapitänleutnants Eitze und Weber nach Berlin reisten, vermutlich um den Putsch dort zu unterstützen. Ein Posten in Lütjenburg erkannte und verhaftete sie jedoch. Man brachte sie ins Gefängnis nach Kiel.[20]
Die restlichen Loewenfelder in den Wiker Kasernen brachen am Abend mit schwerem Beschuss nach Norden aus. Die Friedrichsorter Arbeiterwehr konnte nicht verhindern, dass sie über die Holtenauer Hochbrücke marschierten.[21][22] Auf der anderen Seite des Kaiser-Wilhelm-Kanals bezogen die Loewenfelder im Gut Knoop eine Stellung.
Durch die Kämpfe von morgens 9 Uhr bis abends 19 Uhr[23] waren einige Straßenzüge stark beschädigt:
"[…] Ungeheure Menschenmengen zogen heute durch die Straßen der Stadt, um die zahlreichen durch Geschosse aller Art demolierten Häuser zu besichtigen. An zahlreichen Häusern sind die Fassaden schwer beschädigt, ganze Straßenzüge zeigen kein unversehrt gebliebenes Fenster. Geschäfte und Wirtslokale sind fast sämtliche geschlossen. Das ganze Wirtschaftsleben ruht, der Generalstreik dauert an. Oberpräsident Heinrich Kürbis forderte auf, die Arbeit überall wieder aufzunehmen."[24]
Am Abend beschlossen die Vertrauensleute von SPD und Gewerkschaften ein Ende des Generalstreiks in den lebenswichtigen Betrieben. Auch Zeitungen sollten wieder erscheinen.[22] Sonnabend, 20. März: Am Vormittag fand erneut eine Besprechung der Vertrauensleute von SPD und Gewerkschaften statt, die sich mit der aktuellen Lage befasste:[23] Die restlichen Zeitfreiwilligen setzten sich unter Beschuss über die Levensauer Hochbrücke ab und vereinten sich bei Nortorf mit den Loewenfeldern.[25] Der Journalist Axel Eggebrecht, der zu den Zeitfreiwilligen gehörte, berichtete vom Auftreten der Loewenfelder in Nortorf:
"Ich erlebte, wie diese Baltikumkämpfer einem armen kleinen jüdischen Schneidermeister das Geschäft ausräumten, ihn verprügelten, die Waren auf die Strasse warfen, der Mann schrie um Hilfe."[26]
Axel Eggebrecht setzte sich für ihn ein und erreichte, dass die Soldateska von ihm abließ.[27] Erfolglos versuchte Gustav Radbruch die studentischen Zeitfreiwilligen von der Rückkehr nach Kiel zu überzeugen.[28] Die zivilen Todesopfer des Kapp-Lüttwitz-Putsches wurden am 24. März unter dem Geleit von rund 15.000 Bürgern auf dem Friedhof Eichhof und dem Nordfriedhof beigesetzt. Die Trauerrede hielt Gustav Radbruch. In seinen Erinnerungen schrieb er:
"Durch meine Haltung im Kapp-Putsch wurde ich fest mit der Kieler Arbeiterschaft verbunden, fester wohl als sonst Akademiker."[28]
Der Tag wurde zum arbeitsfreien Feiertag erklärt.[29] Die Marine wählte einen Teil ihrer Offiziere neu.[29]
Auf dem Nordfriedhof erinnert immer noch ein Gedenkstein an Wilfried von Loewenfeld und seine gefallenen Putschisten. Dabei handelte es sich sogar um ein "Ehrengrab", das sonst nur "Opfern von Kriegen und politischer Wirren sowie Persönlichkeiten, die sich um die Allgemeinheit verdient gemacht haben" zuerkannt wird. Erst ein Artikel in der taz[30] 2019 und ein darauf folgender Beschluss[31] der Kieler Ratsversammlung änderten dies.
Schleswig
Schleswig war die Hauptstadt der Provinz Schleswig-Holstein und Sitz des Oberpräsidenten Heinrich Kürbis. Den setzte Konteradmiral Magnus von Levetzow am 14. März ab und ernannte den kürzlich zurückgetretenen Oberbürgermeister Paul Lindemann zum neuen Oberpräsidenten.
Kommandeur Major Hans Cuno von Lattorff schloss sich mit seinen Einheiten im Schloss Gottorf in Schleswig dem Putsch direkt am Morgen des 13. März an.
"Nun waren die Soldaten, der Kommandeur war ein gewisser Major von Lattorf, schon auf Befehl ihres Kommandeurs in der Nacht zum 13. oder 14. mit Maschinengewehren durch die Stadt gefahren und hatten in die Luft geknallt und mündlich bekanntgegeben: 'Wer abends nach sieben auf der Straße ist, der wird erschossen!'"[32]
Der Kommandeur forderte die Bevölkerung auf, sich ruhig zu verhalten, und zensierte die Zeitung. Eduard Adler organisierte gleichzeitig die Gegenwehr, forderte die Bevölkerung auf, sich hinter die demokratische Regierung zu stellen[33] und sorgte gleichzeitig für den reibungslosen Ablauf der Volksabstimmung in Schleswig am 14. März. Er erreichte, dass Züge mit zur Abstimmung Anreisenden trotz des Generalstreiks abgefertigt wurden und ihre Stimmen nicht verloren gingen.[34] Major von Lattorff ließ Eduard Adler verhaften und am 15. März auch den Vorsitzenden der Deutschen Demokratischen Partei (DDP).
Die Angestellten und Beamten der Verwaltung, aber vor allem die Arbeiter waren entschlossen, die Demokratie zu verteidigen. Sie schafften aus Husum und der näheren Umgebung Waffen und zusätzliche Männer nach Schleswig. Adolf Köster und Jack Meitmann riefen zu einem Aktionsausschuss auf, dem sich auch USPD und DDP anschlossen. Am 15. März begann der Generalstreik auch in Schleswig. Einige Geschäftsleute und Ärzte traten in den Gegenstreik und gründeten unter der Leitung von Franz Schoppmeier eine Zeitfreiwilligeneinheit, die sich am Schloss Gottorf postieren wollte. Stattdessen flüchteten sich die Rädelsführer in der Nacht zum 17. März in die Garnison.[33]
Am 18. März war der Kapp-Putsch in Berlin bereits zusammengebrochen. In Schleswig aber belagerten weiterhin 180 Arbeiter mit Maschinengewehren und Kanonen das Schloss und entwaffneten die Patrouillen in der Stadt.
Im Schloss regte sich der Widerstand. Unteroffiziere konnten den Putsch nicht mit ihrem Eid vereinbaren. Sie drängten die Offiziere zu Verhandlungen. Die Arbeiter forderten die bedingungslose Übergabe aller Waffen und die Freilassung von Eduard Adler. Man einigte sich darauf, Eduard Adler freizulassen, die Waffen aber in der Garnison zu behalten.
Die Lage entspannte sich, bis ein Stoßtrupp aus dem Schloss die Arbeiter angriff. Diesen gelang es aber, die Soldaten zurückzuschlagen. Dabei starben mehrere Soldaten und der Lederarbeiter Heinrich Fabian. Jack Meitmann versuchte in die Garnison zu gelangen, um weiter zu verhandeln, wurde aber mit Waffengewalt vertrieben.[33]
Abends traf Adolf Köster aus Flensburg ein. Jetzt nahmen die Offiziere die Übergabebedingungen an. Alle Soldaten und die Zeitfreiwilligen wurden entwaffnet, die Offiziere verhaftet. Auf Anforderung des Aktionsausschusses traf General Kurt von Hammerstein-Equord in Schleswig ein, was die Lage weiter beruhigte.[33] Der General hatte seinem Schwiegervater von Lüttwitz die Beteiligung an dessen Putsch verweigert und unterstützte die legitime Reichsregierung.[35]
Am 20. März befürchtete man kurz, dass die aus Kiel abmarschierenden Loewenfelder in Schleswig einfallen könnten. Alle wurden wieder in Alarmbereitschaft versetzt. Franz Claassen konnte aber in Verhandlungen davon überzeugt werden, mit seiner Einheit Loewenfelder nach dem Lockstedter Lager abzuziehen.[33]
Am 26. Juli 1936 weihten die Nazis am Schloss Gottorf einen Gedenkstein ein, der auch heute noch an die getöteten Soldaten erinnert - aber natürlich nicht an den getöteten Demokraten Heinrich Fabian. Die Inschrift beginnt:
"Am 18.März 1920 starben in soldatischer Pflichterfüllung für Deutschland [...]"[36]
Eckernförde
In Eckernförde ahnte die Arbeiterbewegung im Vorfeld des Putsches bereits, dass sich etwas anbahnte. In verschiedenen Orten der Umgebung formierten sich Einwohnerwehren unter der Führung ehemaliger Offiziere, und es wurden auf mehreren Gütern (Hemmelmark, Warleberg, Königsförde und Ludwigsburg) Waffen gefunden.[5]
In der Nacht vom 14. auf den 15. März marschierten auch in Eckernförde ehemalige Soldaten unter Leitung des Gutsbesitzers Kellinghusen (Gut Eschelsmark) ein und besetzten Post, Bahnhof, das Kreiskrankenhaus, das Lehrerseminar und das Landratsamt. Bewaffnet hatte sich das Freikorps Kellinghusen in der Garnison in Schleswig. Bürgermeister Dr. Albers und Landrat Freiherr von Schröder kooperierten mit den Putschisten. So fordert Dr. Albers sie auf, auch das Rathaus zu besetzen, und Landrat Freiherr von Schröder kümmerte sich um die Zensur der Eckernförder Zeitung.[4]
Den Gewerkschaftssekretär Jürgen Jürgensen verhaften die Putschisten. Der USPD-Vorsitzende Richard Vosgerau entkam seiner Verhaftung nur knapp.
Auch in Eckernförde ruhte wegen des Generalstreiks die Arbeit. Im Gewerkschaftshaus bereitete die Arbeiterschaft den Widerstand vor. Arbeiter enteigneten die Autos der Gräfin von Reventlou und des Holzhändlers Timm. Bei Bauern und Jägern liehen sie sich Waffen[5] (gegen Quittung!).[4]
Langebrückstraße |
|
Am 16. März schickte Konteradmiral Magnus von Levetzow ein Schiff der Marine aus Kiel zur Unterstützung der Putschisten in Eckernförde. Militär patrouillierte in den Straßen. Als ein Trupp der Arbeiterwehr die Langebrückstraße herunterkam, eröffnet das Militär das Feuer. Ein Arbeiter und ein Matrose wurden verwundet.[4]
Am 17. März verhinderten die Streikenden bei der Eckernförder Zeitung, dass die Putschisten ihre Nachrichten verbreiten können. Dafür wurden in Borby große Mengen Flugblätter gegen den Putsch verteilt. Die Putschisten behalfen sich mit einer Info-Tafel neben dem Rathaus.
Die Arbeiterwehr verhaftete den Gutsherrn von Hemmelmark, Heinrich Prinz von Preußen, und setzte ihn im Gewerkschaftshaus fest. Auf seinem Gut war der Generalstreik nicht befolgt worden - im Gegensatz zu den anderen Gütern der Umgebung.[5]
Bewaffnete Arbeiter umstellten das besetzte Kreiskrankenhaus und das Lehrerseminar und lieferten sich Schusswechsel mit den Putschisten in den Gebäuden. Landrat Freiherr von Schröder forderte in dieser Situation Verstärkung aus Schleswig an. In einem Flugblatt appellierte er an die Arbeiter, von den Waffen abzulassen.[4]
Da die Arbeiter ohnehin nicht auf Kampf aus waren, beschlossen sie, zunächst einmal die Stärke der Putschisten auszukundschaften. Sie schickten Arbeiter in Arbeitskleidung zum Landratsamt, die unter einem Vorwand eingelassen wurden. Sie stellten fest, dass sich dort nicht allzu viele Kämpfer verschanzt hatten. Die Arbeiterschaft hatte dagegen bereits 1600 Personen organisiert - zu einer Zeit, als in Eckernförde und Borby zusammen keine 8000 Menschen wohnten.
Die Arbeiterschaft stellte den Putschisten ein Ultimatum und bot bei Abzug freies Geleit. Zur Untermauerung der Forderung stellten die Arbeiter mehrere Maschinengewehre auf, die der Gewerkschafter Fiete Lange auf dem Fahrrad aus Schleswig geholt hatte, wo der Aufstand bereits zusammengebrochen war. Sie hätten in Duvenstedt verladen werden sollen.[37]
Am 18. März sahen die Putschisten ihre auswegslose Lage ein, akzeptierten ihre Niederlage und zogen am Morgen Richtung Schwansen ab. Jürgen Jürgensen ließen sie frei, die Waffen übernahm die Arbeiterwehr.
Als die Marinesoldaten auf ihr Schiff abzogen, schaute die Bevölkerung Eckernfördes am Hafen zu. Dann fielen zwei Schüsse am Ufer. Die Marine-Soldaten schossen sofort zurück in die Menge und töteten die Gewerkschafter Franz Langel und Max Allewelt. Das Schiff fuhr mit Bürgermeister Dr. Albers zurück nach Kiel. Auch Landrat Freiherr von Schröder setzte sich später ab.[4]
Am 19. März zog Fiete Lange mit einem Trupp Arbeiter von Eckernförde nach Süden, um die Loewenfelder aufzuhalten, die aus Kiel gen Norden abgezogen waren. Jedoch waren diese mittlerweile Richtung Rendsburg/Nortorf abgebogen.[4]
Am 22. März fand eine große Trauerfeier für Franz Langel und Max Allewelt statt.
Restliche Provinz
In Heide drängte am 13. März der Garnisonsälteste Hauptmann Freiherr von Liliencron zusammen mit dem Apotheker Karl Lienau von der DNVP den Landrat von Norderdithmarschen, sich dem Putsch anzuschließen. Der weigerte sich. In der Nacht zum 14. März verhafteten Mitglieder der USPD den Garnisonsältesten, brachten ihn zunächst nach Wöhrden, dann aber ins Gefängnis nach Schleswig. 15 Mitglieder von SPD und USPD bildeten einen Aktionsausschuss und riefen den Generalstreik aus.[38]
In Stormarn organisierte der Reichstagsabgeordnete Louis Biester den Widerstand: Am 13. März versicherte er sich, dass Landrat Friedrich Knutzen auf der Seiten der Demokraten stünde. Der widersetzte sich allerdings Louis Biesters Verlangen, eine Resolution zu unterschreiben, mit der alle diejenigen Kreisausschussmitglieder, Amts- und Gemeindevorsteher sowie deren Stellvertreter ihrer Ämter enthoben werden sollten, die nicht der SPD, USPD oder DDP angehörten. Immerhin wies der Landrat seine Verwaltung an, Anweisungen der Putschisten zu ignorieren. Louis Biester organisierte einen Ausschuss zur Abwehr der Putschisten. Dieser umfasste 1500 Sozialdemokraten und zugleich fast alle Amtsvorsteher im südlichen Stormarn, deren Kommunen ebenso sozialdemokratisch orientiert waren wie die dortigen Einwohnerwehren. An einigen Orten streikten die Arbeiterinnen und Arbeiter.[39]
In Bad Oldesloe organisierten SPD und USPD den Widerstand und einen anti-putschistischen Bürgerrat, der auch mit Vertretern von bürgerlichen Parteien besetzt war. Aus Solidarität wurde hier für einen Tag gestreikt und eine Bürgerwehr gegründet.[39]
In Lauenburg an der Elbe kamen schon am 13. März direkt 1500 Menschen zu einer Demonstration gegen den Putsch zusammen, auf der Bürgermeister Stoll und Demokrat Schmidt sprachen.[40]
In der Stadt Segeberg wurde am 18. März das Gerücht verbreitet, die Arbeiterschaft wolle den Landrat Isemann hängen. 80 bewaffnete Männer - Großbauern und ihre Gehilfen - patrouillierten durch die Straßen und drängten zunächst die Arbeiter zurück. Dann ließen sich die Bauern auf Verhandlungen ein. Der Vorsitzende der Arbeiterschaft, Kiehnle, bot ihnen freies Geleit, wenn sie ihre Waffen abgeben würden. Nachdem sie dies im Vereins-Gewerbehaus getan hatten und herauskamen, wurden sie von Halbstarken verprügelt. Der Herr des Guts Wensin und der des Hofs Mahnke aus Garbek wurden dabei stark verletzt. Die Gutsherren Freiherr von Stumm, Isenberg und Schmölcke konnten entkommen. Die Arbeiter bildeten einen Agitationsausschuss und einen Vollzugsrat, die die öffentliche Ordnung wiederherstellten. Mit der Einverständnis des Bürgermeisters bildeten die Arbeiter eine Sicherheitswehr. Sie befragten den Landrat, der versicherte, nichts mit dem Putsch zu tun zu haben. Außerdem sicherte er zu, gegen die Großbauern vorzugehen. Ein Beigeordneter (Leseberg, USPD) sollte darauf achten, dass sich der Landrat an die Abmachungen hielt. Seither herrschte in Segeberg wieder Ruhe.[41]
Auf Sylt stellte sich Andreas Nielsen dem Putsch entgegen.
Lübeck
In Lübeck, das damals noch nicht zu Schleswig-Holstein gehörte, blieb während des Kapp-Lüttwitz-Putsches alles ruhig. Zwar hatte sich der Schweriner Brigadekommandeur der Reichswehr, Generalmajor Paul von Lettow-Vorbeck, gleich am ersten Tag General Walther von Lüttwitz unterstellt und versuchte von Schwerin aus in Lübeck Einfluss zu nehmen. Jedoch: Direkt am 13. März beschloss die Bürgerschaft, sich hinter die demokratische Reichsregierung zu stellen und erklärt die Verordnungen von Generalmajor Paul von Lettow-Vorbeck für nichtig. Auch der Lübecker Volksbote wehrte sich - anders als bspw. der Lübecker Generalanzeiger:
"Der Oberverbrecher Lettow-Vorbeck sandte uns Montag durch den hiesigen Garnisonsältesten Major Klug nicht mehr als vier Verordnungen zu, die wir abdrucken sollten. Der Mensch bildete sich wirklich ein, wir würden vor ihm in die Knie sinken und uns selbst den Strick, der für ihn aufbewahrt ist, um den Hals legen."[42]
Man versicherte der Bevölkerung, dass die Verfassung Lübecks nicht bedroht sei.[43] Der Lübecker Volksbote berichtete in dieser Zeit aus den besetzten Städten, so gut es ging.
Eutin
Auch in Eutin, das damals noch nicht zu Schleswig-Holstein, sondern zum Landesteil Lübeck gehörte, wehrte sich die Arbeiterbewegung gegen den Putsch: Auf Impuls des SPD-Stadtratsvorsitzenden Paul Hensel wurde bereits 1919 eine Einwohnerwehr gebildet. Allerdings war sie nicht bewaffnet. Die Waffen sollte sie von der Reichswehr bekommen. Die aber weigerte sich, einer SPD-nahen Truppe Waffen zu geben, und baute stattdessen eine eigene Einheit Zeitfreiwilliger aus ehemaligen Offizieren und örtlichen Gymnasiasten auf.[44]
Die SPD hatte sich schon länger dafür eingesetzt, dass der DNVP-Kreisvorsitzende und Realschuldirektor Wilhelm Harders wegen seiner rechtsextremen Aktivitäten abberufen würde. Das war nicht gelungen. Im Putsch setzte er sich am 13. März an die Spitze der Bewegung in Eutin. Zunächst versuchte er noch, die inzwischen bewaffnete Einheit Zeitfreiwilliger in der Garnison davon zu überzeugen, sich ihm anzuschließen. Als das nicht gelang, gab er nicht auf, sondern fuhr nach Kiel, wo er sich Unterstützung bei den bislang erfolgreichen Putschisten holen wollte.[44]
Am 14. März machte der bürgerliche Anzeiger für das Fürstentum Lübeck auf mit der Überschrift: Eine neue Regierung in Berlin! - Er veröffentlichte die Mitteilung der Putschisten:
"Berlin, 13. März. Von der Reichskanzlei wird nachstehende Kundgebung erlassen: Die bisherige Reichsregierung hat aufgehört zu sein, die Staatsgewalt ist an den Generallandschaftsdirektor Kapp als Reichskanzler und preußischen Ministerpräsident übergegangen, zum militärischen Oberbefehlshaber und als Reichswehrminister General v. Lüttwitz berufen. Eine neue Regierung der Ordnung, Freiheit und der Tat wird gebildet. Die Nationalversammlung und die preußische Landesversammlung werden aufgelöst. […] Die Brigade Ehrhardt ist, ohne Widerstand zu finden unter schwarz-weiß-roten Fahnen in Berlin eingezogen und hat das Regierungsviertel im weiten Umkreise streng abgesperrt."
Daneben erschien die Anzeige, mit der die Zeitfreiwilligen einberufen wurden.[45]
Am 15. März begann auch im Landesteil Lübeck der Generalstreik. 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 180 Betreiben legten die Arbeit nieder. Weil der Regierungspräsident Wilms sich weigerte, die Einwohnerwehr zu bewaffnen, ergriffen SPD und USPD die Initiative. Sie wählte ein "Exekutiv-Komitee", das dafür sorgte, dass das Zeitfreiwilligenkorps seine Waffen an die Einwohnerwehr übergab. Ab da war Eutin fest in der Hand der Einwohnerwehr und des Exekutiv-Komitees.[44]
Als Wilhelm Harders mit 20-30 Soldaten aus Kiel eintraf und auf die Einwohnerwehr stieß, flüchtete er, um seiner Verhaftung zu entgehen.[44] Die Nachrichtenlage muss schwierig gewesen sein, aber der Lübecker Volksbote berichtete, dass die Kieler Zeitfreiwilligen unter der Führung von Wilhelm Harders Gebäude besetzt hätten. Die Einwohnerwehr räumte diese am 15. März und entwaffnete die Putschisten.[46]
Am 17. März war die Lage noch immer nicht komplett entspannt. In der Stadt patrouillierte die Einwohnerwehr zusammen mit 30 Soldaten der Reichswehr.[47] In der Umgebung durchsuchten die Freiwilligen die Güter nach Waffen.[44] Am 18. März vermeldete der Lübecker Volksbote:
"Die deutschnationalen Gutsbesitzer gehen drauf und dran, den Arbeitern die Gleichberechtigung zu nehmen und die alte Gewalt wieder aufzurichten."[48]
In drei Dörfern in der Umgebung fanden die Arbeiter Waffen, etwa Maschinengewehre.
Literatur
- Biester, Louis: Erinnerungen an den Kapp-Putsch 1920 im Kreis Stormarn 1923. In: Jahrbuch für den Kreis Stormarn 2 (1984), (Großhansdorf: ProFunda-Verlag 1983), Seite 66–79
- Dähnhart, Dirk/Granier, Gerhard (Hrsg.), Der Kapp-Putsch in Kiel. Eine Dokumentation zum 60. Jahrestag der Märzereignisse von 1920, Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte 66 (1980)
- Kuhl, Klaus: Erbitterte Kämpfe im März 1920 (Kiel 1980)
- Meitmann, Karl: Der Kapp-Putsch in Schleswig. Erzählt am 20. Januar 1963 im Ferdinand-Tönnies-Haus vor Kieler Studenten. In: Grenzfriedenshefte (Husum 1963), Seite 153-166
- Meitmann, Karl: Der Kapp-Putsch ist da. In: Grenzfriedenshefte (Husum 1970), Seite 33-34
- Paetau, Rainer: Märzstürme über Kiel. Sozialisten, Kapp-Putschisten und die Weimarer Republik von 1920 in: Paetau, Rainer / Rüdel, Holger (Hrsg.): Arbeiter und Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein im 19. und 20. Jahrhundert (Neumünster 1987) ISBN 3-529-02913-0, Seite 311-346
- Perrey, Hans-Jürgen: Stormarns preußische Jahre, die Geschichte des Kreises von 1867 bis 1946/47 (Neumünster, Wachholtz 1993)
- Rocca, Regina: Der Kapp-Lüttwitz-Putsch in Kiel, in: Demokratische Geschichte 3 (1988), Seite 285-305
- Schartl, Matthias: Landräte und Kapp-Putsch 1920 im nördlichen Schleswig-Holstein, in: Demokratische Geschichte 8 (1993), Seite 173-204
- Schulte, Rolf: Der Kapp-Putsch in Eckernförde, in: Hamer, Kurt/Schunck, Karl-Werner/Schwarz, Rolf (Hrsg.): Vergessen + Verdrängt - Eine andere Heimatgeschichte (Druckhaus Schwensen Eckernförde 1984), Seite ?
- Vollertsen, Nils: Der Kapp-Putsch in Schleswig, in: Beiträge zur Schleswiger Stadtgeschichte 24/1979, Seite 152 f.
- Zander, Sylvina: Bad Oldesloe in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus (1918–1945) (Kiel, Wachholtz 2021)
Links
- Wikipedia: Kapp-Putsch
- Bundesarchiv: Digitalisierter Aktenband R 43 I/2719 (Umsturzbestrebungen durch Kapp-Lüttwitz)
Anmerkungen
- ↑ Die dienstältesten Offiziere wurden Garnisonältester (heute: Standortältester) genannt und waren Vorgesetzte der gesamten Garnison.
Einzelnachweise
- ↑ Paetau, Rainer: Konfrontation oder Kooperation. Arbeiterbewegung und bürgerliche Gesellschaft im ländlichen Schleswig-Holstein und in der Industriestadt Kiel zwischen 1900 und 1925 (Neumünster 1988), Seite 233
- ↑ Pollähne, Lothar: Gustav Noske: Vom Korbmacher zu Eberts „Bluthund“, bei: vorwärts.de, 9.7.2023, abgerufen, 15.7.2023
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Siegfried, Detlef: “Ich war immer einer von denen, die kein Blatt vor den Mund nahmen!” Kontinuitäten und Brüche im Leben des Kieler Kommunisten Otto Preßler, in: Demokratischen Geschichte 4 (1989), Seite 275 f.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 Schulte, Rolf: Der Kapp-Putsch in Eckernförde, in: Hamer, Kurt/Schunck, Karl-Werner/Schwarz, Rolf (Hrsg.): Vergessen + Verdrängt - Eine andere Heimatgeschichte (Druckhaus Schwensen, Eckernförde 1984), Seite 22 f.
- ↑ 5,0 5,1 5,2 5,3 Schulte, Rolf: Landarbeiter und Großgrundbesitzer in der Weimarer Republik am Beispiel des Altkreises Eckernförde, In: Demokratie Geschichte 1 (1986), Seite 186
- ↑ 6,0 6,1 6,2 Kuhl, Klaus: Erbitterte Kämpfe im März 1920 (Kiel 1980), Seite 7
- ↑ Dähnhardt, Dirk/Granier, Gerhard (Hrsg.): Kapp-Putsch in Kiel. Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 66 (Kiel 1980), Seite 21.
- ↑ 8,0 8,1 8,2 8,3 8,4 Die Straßenkämpfe in Kiel, Hamburger Echo, 19.3.1920, Seite 1
- ↑ 9,0 9,1 9,2 Paetau, Rainer: Märzstürme über Kiel. Sozialisten, Kapp-Putschisten und die Weimarer Republik von 1920 in: Paetau, Rainer / Rüdel, Holger (Hrsg.): Arbeiter und Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein im 19. und 20. Jahrhundert (Neumünster 1987) ISBN 3-529-02913-0, Seite 311-346
- ↑ 10,0 10,1 10,2 10,3 10,4 10,5 Der blutige 18. März in Kiel, Hamburger Echo, 23.3.1920, Seite 3
- ↑ 11,0 11,1 Gegenrevolution von rechts - Die Verhältnisse in Kiel, Lübecker Volksbote, 15.3.1920, Seite 1
- ↑ 12,0 12,1 12,2 12,3 Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 69
- ↑ 13,0 13,1 Kiel in den Händen der Militaristen, Lübecker Volksbote, 16.3.1920, Seite 2
- ↑ Kieler Zeitung, 1.10.1919, zitiert nach Geckeler, Christa: Paul Lindemann (1871 - 1924).
- ↑ Lindemann organisiert die Bauern, Hamburger Echo, 19.3.1920, Seite 1
- ↑ Kuhl, Klaus: Erbitterte Kämpfe im März 1920 (Kiel 1980), Seite 15
- ↑ Kuhl, Klaus: Erbitterte Kämpfe im März 1920 (Kiel 1980), Seite 16
- ↑ Kiel und Schleswig befreit, Hamburger Echo, 18.3.1920, Seite 1
- ↑ Kuhl, Klaus: Erbitterte Kämpfe im März 1920 (Kiel 1980), Seite 17
- ↑ Anzeiger für das Fürstentum Lübeck, Ausgabe vom 23.3.1920 (Login erforderlich)
- ↑ Kuhl, Klaus: Erbitterte Kämpfe im März 1920 (Kiel 1980), Seite 21 f.
- ↑ 22,0 22,1 Die Lage in Kiel, Hamburger Echo, 20.3.1920
- ↑ 23,0 23,1 Waffenstillstand und Verhandlungen in Kiel, Hamburger Echo, 19.3.1920, Seite 2
- ↑ Anzeiger für das Fürstentum Lübeck, Ausgabe vom 21.3.1920 (Login erforderlich)
- ↑ Kuhl, Klaus: Erbitterte Kämpfe im März 1920 (Kiel 1980), Seite 22 f.
- ↑ Eggebrecht, Axel: Der halbe Weg, (Rowohlt 1981), zitiert nach Kuhl, Klaus: Erbitterte Kämpfe im März 1920 (Kiel 1980), Seite 22
- ↑ Kuhl, Klaus: Erbitterte Kämpfe im März 1920 (Kiel 1980), Seite 22
- ↑ 28,0 28,1 Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 70
- ↑ 29,0 29,1 Anzeiger für das Fürstentum Lübeck, Ausgabe vom 25.3.1920 (Login erforderlich)
- ↑ Geisslinger, Esther: Freikorps-Führer ruht in Ehren, taz.de, 10.1.2019, abgerufen 11.12.2022
- ↑ 0327/2019 Ehrengrab Loewenfeld
- ↑ Meitmann, Karl: Der Kapp-Putsch in Schleswig. In: Grenzfriedenshefte (Husum 1963), Seite 158
- ↑ 33,0 33,1 33,2 33,3 33,4 Schartl, Matthias: Landräte und Kapp-Putsch 1920 im nördlichen Schleswig-Holstein, in: Demokratie Geschichte 8 (1993), Seite 173-204
- ↑ Beier, Gerhard: Eduard Adler. In: Jungsozialisten Kiel Information 3/1965, zit. in: Fischer, Rolf: "Mit uns die neue Zeit!" Kiels Sozialdemokratie im Kaiserreich und in der Revolution (Geschichte der Kieler Sozialdemokratie, Band 2: 1900-1920) (Kiel 2013), ISBN 978-3-86935-196-4, Seite 31
- ↑ Wikipedia: Kurt von Hammerstein-Equord, abgerufen 16.10.2024
- ↑ Schärff, Uwe: Schleswig (Schloß Gottorf: 1920), Kreis Schleswig-Flensburg, Schleswig-Holstein, abgerufen 3.3.2024
- ↑ Schleswig, Hamburger Echo, 23.3.1920, Seite 3
- ↑ Pfeil, Ulrich: Dithmarschen in der Weimarer Republik 1918-1933, in: Gietzelt, Martin (Hrsg.): Geschichte Ditmarschens - Das 20. Jahrhundert, (Boyens Buchverlag, 2013), ISBN 3804213871, Seite ?
- ↑ 39,0 39,1 Stöber, Nora: Kapp-Lüttwitz-Putsch in Stormarn, in: Stormarn Lexikon, abgerufen 18.12.2022
- ↑ Lauenburg a.d. Elbe, Hamburger Echo, 14.3.1920, Seite 2
- ↑ Ein frecher Junkerstreich, Hamburger Echo, 20.3.1920, Seite 5
- ↑ Hundeseelen, Lübecker Volksbote, 16.3.1920, Seite 3
- ↑ An Lübecks Bevölkerung], Lübecker Volksbote, 16.3.1920, Seite 1
- ↑ 44,0 44,1 44,2 44,3 44,4 Stokes, Lawrence: Zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Eutin während der Weimarer Republik, in: Paetau, Rainer/Rüdel, Holger (Hrsg.): Arbeiter und Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein im 19. und 20. Jahrhundert (Karl-Wachholz-Verlag, Neumünster 1987), Seite 373 f.
- ↑ Anzeiger für das Fürstentum Lübeck, Ausgabe vom 14.3.1920 (Login erforderlich)
- ↑ Die Eutiner Zeitfreiwilligen entwaffnet!], Lübecker Volksbote, 16.3.1920, Seite 2
- ↑ Neueste Nachrichten - Generalstreik in Eutin, Lübecker Volksbote, 17.3.1920, Seite 3
- ↑ Angrenzende Gebiete - Die Reaktion auf dem Lande, [[Lübecker Volksbote], 18.3.1920, Seite 3