Ortsverein Wilster
Der Ortsverein Wilster ist eine Gliederung im Kreisverband Steinburg. 1902 wurde ein "Sozialdemokratischer Wahlverein für Wilster und Umgebung" gegründet.[1]
Zum Ortsverein gehören mindestens seit 2024 auch die früheren Ortsvereine Beidenfleth, Kleve und St. Margarethen.[1]
Er gibt die Zeitung Dat Rothuusblad heraus. Im Dezember 2024 erschien die 37. Ausgabe.[2]
Nach NS-Herrschaft und Krieg gab es eine rege Ortsvereinsarbeit. So zählte der Ortsverein 1954 113 Mitglieder; auf den Versammlungen waren in den 50er Jahren immer zwischen 30 und 40 Mitglieder anwesend. Das Lokal von Heinrich Jacobs war bis 1968 Parteilokal. Die Gaststätte wurde dann verpachtet und der Ortsverein tagte künftig im Gasthof "Zur Linde", später auch in der Bahnhofsgaststätte und viele Jahre in der "Neuen Börse".[1]
Vorsitz
Vorsitzender ist seit 2020 Peter Dunkel, ab 27. September 2024[3] gemeinsam mit Sabine Tischendorf. Stellvertreterin ist Kirsten Hillebrecht-Kahl, Kassierer Carsten Schröder, Schriftführer Frank Framke. Alle drei gehörten schon dem vorigen Vorstand an, ebenso wie Axel Bittner und Holger Stamm, die nicht wieder antraten.[3] Beisitzer wurden Arne Engelbrecht (für Beidenfleth), Bernd Hannemann (für Kleve), Maurice Siebert (für St. Margarethen).[4]
Mindestens ab 2012 hatte Peter Dunkels Vorgängerin Natascha Böhnisch den Vorsitz inne.[5]
Die Vorsitzenden davor waren - in dieser Reihenfolge - Manfred Schmiade, Uwe Watzlaw, Hans Dieter Hilgers, Uwe Martensen, Helmut Jacobs (1973-1980), Gerhardt Kendelbacher und Theodor von Holdt.[1]
Kommunalpolitik
In der Kommunalwahl 1946 erreichte die SPD (mit 3635 Stimmen) sieben von 17 Sitzen im Stadtparlament; die anderen 10 hielt die FDP. Im Hauptausschuss hatte die SPD drei von sieben Vertretern. Bürgermeister (rein repräsentativ, nach britischem Vorbild) wurde der Malermeister Heinrich Büttner. 1948 verlor die SPD (bei 2782 Stimmen) zwei Sitze; vier gingen an die neu gegründete CDU. 1951 reduzierte die Gründung einer eigenen Flüchtlingspartei (BHE) sie auf 1992 Stimmen. 1959 erholte sich die SPD und errang sechs Mandate, 1962 und 1966 jeweils wieder sieben.[6]
Nach der Kommunalwahl 1974 gehörten 7 von 17 Mitgliedern der Ratsversammlung der SPD an. 1978 stellte die SPD 6, die CDU 7, die Grüne Liste 3 und die FDP 1 Mitglied. Die Grüne Liste war aus der AKW-Bewegung gegen Brokdorf entstanden. Sie bildete mit der SPD in der Ratsversammlung eine Mehrheit. 1982 gab es aufgrund der bundesweiten schlechten Stimmungslage für die SPD eine knappe bürgerliche Mehrheit. Helmut Jacobs wurde als 1. Stadtrat abgelöst. 1986 wurde die SPD stärkste Fraktion, hatte zusammen mit der Grünen Liste die absolute Mehrheit und stellte mit Lisa Martens erstmals die Bürgervorsteherin. 1990 traten die Grünen nicht mehr an; die Sozialdemokraten erreichten mit etwas über 50 % der Stimmen die absolute Mehrheit. Lisa Martens hatte aus Altersgründen (sie war über 70) nicht mehr kandidiert und Helmut Jacobs wurde erstmals Bürgervorsteher, Hans Dieter Hilgers 1. Stadtrat und Reinhard Bunge Fraktionsvorsitzender.[1]
1994 verteidigte die SPD die absolute Mehrheit und baute sie auf 54 % aus. Helmut Jacobs wurde erneut einstimmig zum Bürgervorsteher gewählt. Hans Dieter Hilgers blieb 1. Stadtrat und wurde Fraktionsvorsitzender. 1998 erreichten wir Sozialdemokraten sogar über 60 % und gewannen einen Sitz dazu. Auch personell änderte sich nichts. Die Kommunalwahl 2003 war für die SPD eine Katastrophe. Sie verlor fast 18 % und fiel auf 44,2 % zurück. Wegen der politischen Großwetterlage waren viele Menschen nicht zur Wahl gegangen. Die Wahlbeteiligung betrug nur 56,8 %. Für die unbeliebte Bundespolitik von Gerhard Schröder wurden die Sozialdemokraten an der Basis abgestraft. Die SPD verlor alle 27 Wahlkreise in Steinburg. Auch der Kreistagsabgeordnete Manfred Schmiade verlor seinen Wahlkreis.[1]
Am 15. Oktober 2012 starb überraschend die Ratsfrau Christa Pries an einem Herzinfarkt. Im Nachruf des Ortsvereins heißt es: [...] unsere Freundin Christa Pries [verstarb] im Alter von 66 Jahren. Sie gehörte seit fast 30 Jahren der SPD an. Nachdem sie zunächst als bürgerliches Mitglied in einem Ausschuss ehrenamtlich tätig war, war sie seit 1990 Ratsfrau der Marschenstadt Wilster. 15 Jahre war sie stellvertretende Bürgervorsteherin. Sie gehörte dem Schulverband und der Verbandsversammlung der Sparkasse Westholstein an. Sehr engagiert übte sie auch in ihre Tätigkeit als Schöffin aus. In der AWO war sie zuletzt die zweite Ortsvorsitzende. Die SPD und die SPD-Fraktion der Stadt Wilster trauern um eine erfahrene, sachkundige, verlässliche und pflichtbewusste Kommunalpolitikerin. Christa Pries hat sich unermüdlich für andere eingesetzt und Bürgersinn gezeigt. Wir haben ihr viel zu verdanken. Unser Mitgefühl gilt ihrem Mann Günter und ihrer Tochter Claudia mit Schwiegersohn Christof."[7]
Bürgermeister
2023 bewarb sich Fraktionsvorsitzende Karin Lewandowski um das Bürgermeisteramt[8], konnte sich aber offenbar nicht durchsetzen.
1993 wurde ein sozialdemokratischer hauptamtlicher Bürgermeister gewählt. Leider nennt die "Historie" seinen Namen nicht.[1]
Heinrich Büttner wurde 1945 von den Engländern zum Bürgermeister (mit repräsentativer Funktion) ernannt.
Geschichte
Anfänge
Das genaue Gründungsdatum der Wilsteraner Sozialdemokratie ist nicht bekannt; die Unterlagen gingen während der NS-Herrschaft verloren.
Bereits bis 1870 bestand ein Arbeiterbildungsverein, der vom Staat aufgelöst wurde.[9]
Auch ist in einem Zeitungsbericht nachzulesen, dass sich 1895 erneut ein Arbeiterbildungsverein gründete, der vermutlich bereits bei der Gründung 178 Mitglieder hatte und bald auf 280 anwuchs.
"Der Verein, dessen Mitglieder durchweg der sozialdemokratischen Partei angehören, beschäftigte sich ausschließlich mit der Einberufung sozialdemokratischer Versammlungen und Erörterung politischer Tagesfragen."
1896 entstand der [[Arbeitergesangverein|Sängerbund "Philomele"], der sich vorgenommen hatte, die "Bildung der Mitglieder durch Gesang, theatralische Aufführungen und deklamatorische Vorträge" zu stärken. Dieser Verein wurde als "geschlossene Gesellschaft" registriert, deren "... Mitglieder ... fast ausnahmslos der Sozialdemokratie angehörten."
Während des großen Lederarbeiterstreiks von 1899 gab es drei SPD-Stadtverordnete. 1902 wurde dann ein "Sozialdemokratischer Wahlverein für Wilster und Umgebung" gegründet, der sich für "die geistige und materielle Hebung und Bildung seiner Mitglieder auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet" einsetzte. Auf einer Versammlung am 14. Dezember 1902 mit rund 130 Teilnehmern sagte ein Redner, dass Wilster wieder das werden müsse, was es früher einmal gewesen sei - die Hochburg der Sozialdemokratie.
Die Novemberrevolution erreichte auch Wilster:
"Zögernd setzte nach dem Kriege [dem 1. Weltkrieg] das öffentliche kommunale Leben wieder ein. [...] Das war noch in den Zeiten, [als] nach erfolgter Novemberrevolution auch in Wilster ein Arbeiterrat die Macht übernommen hatte und dem Bürgermeister als Beigeordneten den Maurergesellen (späteren Meister) August Bredfeld an die Seite setzte. Diese Zeit verging, als sich dann schnell der Wille im Lande durchsetzte, keine Räterepublik sondern eine parlamentarische Demokratie zu schaffen.[6]
Weimarer Republik
Ein Chronist von Wilster gibt ein Bild der kommunalpolitischen Verhältnisse in den 1920er Jahren:
"Die Wahlen für die Weimarer Nationalversammlung am 19.1.1919 waren für [die fortschrittliche] Haltung der Wilsteraner kennzeichnend. Es wählten damals 1108 die SPD, 1128 die DDP (linksliberal), nur 61 die rechtsliberale Volkspartei (DVP), „rechts“ wählten ganze 128 (die Deutsch Nationalen der DNVP). [...] Die Stimmen für die SPD gingen [in den folgenden Jahren] etwas zurück, schwankten aber immer zwischen 700 und 900, wofür sich denn daneben die KPD auf dem linken Flügel einstellte mit allerdings nur zwischen 40 und 80 Stimmen. Die DDP schrumpfte wie überall im Reich auch in Wilster zusammen von 1000 auf gut 100 Stimmen, dafür stieg vorübergehend die Deutsche Volkspartei Gustav Stresemanns auf 600 und mehr Stimmen an. Die rechten Deutsch-nationalen kamen vorübergehend auf ebensoviele Stimmen. Sie erreichten normalerweise doch nur um die 400 Wahlstimmen. Die Hitlerpartei zuletzt brachte es 1924 erstmals auf ganze 55 Stimmen in einer angeblich für Rechtsradikalismus anfälligen Bevölkerung. Derartige Behauptungen gehören also in den Bereich der Legende. Im kommunalen Bereich standen sich Sozialdemokraten und Bürgerliche, die sich hier zu einem Wahlblock zusammenschlossen, etwa im Verhältnis 4:6 gegenüber wie auch schon vor dem Kriege, wie es auch etwa der Gliederung in der Bevölkerung, in der es neben Arbeitern besonders viele Kleinbürger gab, entsprach. Die Kommunalwahlen ergaben am 2. März 1919 9 Mitglieder der „Bürgerlichen Fraktion“ und 7 Sozialdemokraten. 1924 war das Verhältnis 10:6 und 1929 dann schließlich 1:7. 1929 waren die bürgerlichen Vertreter 3 Kaufleute, 1 Rektor, 4 Handwerksmeister und 1 Gastwirt. Bei den Sozialdemokraten waren es 2 kleine Beamte, 3 gelernte Arbeiter und 2 ungelernte Arbeiter. Dem Magistrat gehörten 4 Mitglieder an, die jetzt eine „Aufwandsentschädigung“ von je 100 Mark jährlich erhielten. Es waren meist 3 Bürgerliche und 1 Sozialdemokrat. Seit dem 9.3.1926 war Stadtverordneter der Sozialdemokraten der Maurergeselle Hans Prox, der dann dem Hitlerregime ja besonders gegen den Strich ging. Da Arbeitern kaum zuzumuten war, unentgeltlich an den Sitzungen teilzunehmen, gab es Regelungen der Entschädigung."[6]
Im Adressbuch von 1926 waren unter den knapp 4200 Einwohnern auch 207 Arbeiter (mit sicher großen Familien, wie damals üblich) verzeichnet:
"[...] (an- und ungelernten), nämlich Hinter der Stadt allein 31, in der Rumflether Straße 24, am Rumflether Deich 26, im Landrecht 21, auf dem Bischofer Deich 14 und in der Haackstr. 13; d.h. aus den 1896 neu eingemeindeten Gebiet[en] kamen allein 129."
Sie waren vorwiegend in den Lederfabriken, der Maschinenfabrik, der Brauerei, dem Holzwerk und den Trocknungs- und Mahlwerken tätig. Ein Zigarrenfabrikant wird als "Vertreter eines aussterbendes Gewerbes" bezeichnet. Daneben gab es 190 Handwerksmeister und -gesellen, einige wenige Akademiker, 110 Kaufleute und Händler, 27 Gastwirte, 20 Schiffer und Reeder sowie 5 Fuhrleute. Auch unter ihnen gab es möglicherweise Mitglieder der SPD.[6]
NS-Herrschaft
Am 8. Mai 1933 beschlagnahmten die Nazis in der Gaststätte (SPD-Parteilokal) des Großvaters von Helmut Jacobs zwei SPD-Schränke und einen Aushangkasten. Am 10. Mai folgten Haussuchungen und Beschlagnahmen von SPD-Unterlagen bei Markus Tiedemann, Otto Führer, Hans Prox, Franz Hinrichs, Nikolaus Nottelmann und Heinrich Heutmann. Diese Unterlagen sind nie wieder aufgetaucht; sie wurden vermutlich von den Nazis vernichtet.[1]
Im Juni 1933 wurden die Arbeiter und Sozialdemokraten Hermann Krüger vom Rumflether Deich und Friedrich Landsberger aus der Vereinsstraße von Nazis festgenommen und unter Trompeten und Fanfaren durch Wilster getrieben. Sie mussten dabei ein Schild um den Hals tragen, auf dem es hieß: "Ich bin ein Betrüger an der Stadt Wilster und am deutschen Volk."[1]
Im Rahmen der Aktion Gewitter wurde Hans Prox erneut verhaftet. Er starb am 13. Februar 1945 im KZ Neuengamme.
Beleg dafür, dass es zahlreiche aktive Sozialdemokraten vor 1933 gab und diese auch nach dem "1000jährigen Reich" der SPD treu blieben, waren die vielen Ehrungen für fünfzigjährige Mitgliedschaft von Parteigenossen in der Nachkriegszeit. Hier sind die Namen Paul Endorf, der bereits 1905 SPD-Mitglied wurde, Karl Goldmann, Franz Jonigk, Wilhelm Bunge, Franz Hinrichs, Karl Bruhn, Wilhelm Glindmeyer, Ernst Albers, Helene Albers, Heinrich Schacht, Heinrich Jacobs, Niklaus Nottelmann und Willi Reckmann zu nennen, ebenso der spätere Bürgermeister Heinrich Büttner.[1]
Traditionsfahne
Der Ortsverein besitzt noch die alte Wilsteraner Ortsvereinsfahne, die Hermann Führer vor den Nazis versteckte und über das "1000-jährige Reich" rettete.
Einzelnachweise
- ↑ 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 SPD Wilster: Historie, zuletzt abgerufen 6.4.2025
- ↑ SPD Wilster: Dat Rothuusblad 37
- ↑ 3,0 3,1 SPD Wilster: Jahreshauptversammlung mit Vorstandswahlen, Homepage, 28.9.2024, abgerufen 6.4.2025
- ↑ SPD Wilster: Vorstand, abgerufen 17.11.2024
- ↑ SPD Wilster auf SPD-NET-SH, 20.8.2012, heute abrufbar unter SPD-NET-SH, Artikelarchiv 2012, 1. Halbjahr ab 06.05. bis 31.12.2012
- ↑ 6,0 6,1 6,2 6,3 Voss, Dr. Otto: Geschichte der Stadt Wilster (unveröff., 1982), Kapitel Wilster im 20. Jahrhundert, zitiert nach der digitalen Veröffentlichung, Rathausverein Wilster, 29.4.2021
- ↑ SPD Wilster auf SPD-NET-SH, 16.10.2012, heute abrufbar unter SPD-NET-SH, Artikelarchiv 2012, 1. Halbjahr ab 06.05. bis 31.12.2012 - Christa Pries verstorben
- ↑ SPD Wilster: Karin Lewandowski ist Kandidatin für das Amt der Bürgermeisterin, Homepage, 8.3.2023, abgerufen 6.4.2025
- ↑ Aus Schleswig-Holstein, Hamburgischer Correspondent, 5.7.1870, S. 2
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