Klaus Konrad: Unterschied zwischen den Versionen
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'''Klaus Konrad''', * [[22. Dezember]] [[1914]] in Charlottenburg (heute Berlin-Charlottenburg), † [[15. August]] [[2006]] in Scharbeutz; höherer Verwaltungsbeamter, Landtagsabgeordneter. Verheiratet, drei Kinder; evangelisch. Beitritt zur SPD [[1949]]. | '''Klaus Konrad''', * [[22. Dezember]] [[1914]] in Charlottenburg (heute Berlin-Charlottenburg), † [[15. August]] [[2006]] in Scharbeutz; höherer Verwaltungsbeamter, Landtagsabgeordneter. Verheiratet, drei Kinder; evangelisch. Beitritt zur SPD [[1949]]. | ||
== Werdegang == | ==Werdegang== | ||
Nach dem Abitur an der Oberrealschule studierte Klaus Konrad Rechts- und Staatswissenschaften in Berlin. Er legte [[1937]] die erste, [[1941]] die große juristische Staatsprüfung ab und wurde [[1942]] Regierungsassessor. Mindestens seit [[1939]] gehörte er der Wehrmacht an und wurde [[1943]] Oberstabsintendant der Luftwaffe. Im Frühjahr [[1945]] wurde er verwundet; zu dieser Zeit hatte er den Rang eines Oberleutnants der Reserve und Regimentsadjutanten erreicht. | Nach dem Abitur an der Oberrealschule studierte Klaus Konrad Rechts- und Staatswissenschaften in Berlin. Er legte [[1937]] die erste, [[1941]] die große juristische Staatsprüfung ab und wurde [[1942]] Regierungsassessor. Mindestens seit [[1939]] gehörte er der Wehrmacht an und wurde [[1943]] Oberstabsintendant der Luftwaffe. Im Frühjahr [[1945]] wurde er verwundet; zu dieser Zeit hatte er den Rang eines Oberleutnants der Reserve und Regimentsadjutanten erreicht. | ||
In seiner Vita für den Landtag erwähnte er nicht, dass er zu den drei Stabsoffizieren des 274. Infanterie-Regiments gehörte, das später für das "[https://de.wikipedia.org/wiki/Eugenio_Cal%C3%B2#Massaker_von_San_Polo Massaker von San Polo]" vom [[14. Juli]] [[1944]] verantwortlich gemacht wurde, die Ermordung von mindestens 54 italienischen Zivilisten in der Toskana.<ref>''[https://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/diktaturen/erst_kriegsverbrecher.html Erst Kriegsverbrecher, dann Bundestagsabgeordneter – die blutige Nazi-Vergangenheit des SPD-Politikers Klaus Konrad]'', ''KONTRASTE'', 28.10.2004</ref><ref>''[https://www.welt.de/print-welt/article205841/Massaker-von-San-Polo-vor-Aufklaerung.html „Massaker von San Polo“ vor Aufklärung]'', ''DIE WELT'', 23.03.2006</ref><ref>''[https://www.welt.de/politik/article146338/Ex-Abgeordneter-Klaus-Konrad-gestorben.html Ex-Abgeordneter Klaus Konrad gestorben]'', ''DIE WELT'', 17.8.2006</ref> | In seiner Vita für den Landtag erwähnte er nicht, dass er zu den drei Stabsoffizieren des 274. Infanterie-Regiments gehörte, das später für das "[https://de.wikipedia.org/wiki/Eugenio_Cal%C3%B2#Massaker_von_San_Polo Massaker von San Polo]" vom [[14. Juli]] [[1944]] verantwortlich gemacht wurde, die Ermordung von mindestens 54 italienischen Zivilisten in der Toskana.<ref>''[https://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/diktaturen/erst_kriegsverbrecher.html Erst Kriegsverbrecher, dann Bundestagsabgeordneter – die blutige Nazi-Vergangenheit des SPD-Politikers Klaus Konrad]'', ''KONTRASTE'', 28.10.2004</ref><ref>''[https://www.welt.de/print-welt/article205841/Massaker-von-San-Polo-vor-Aufklaerung.html „Massaker von San Polo“ vor Aufklärung]'', ''DIE WELT'', 23.03.2006</ref><ref>''[https://www.welt.de/politik/article146338/Ex-Abgeordneter-Klaus-Konrad-gestorben.html Ex-Abgeordneter Klaus Konrad gestorben]'', ''DIE WELT'', 17.8.2006</ref> | ||
=== Nach der NS-Zeit === | ===Nach der NS-Zeit=== | ||
Ab [[1947]] fand Klaus Konrad Beschäftigung als Hilfsarbeiter. Danach wurde er Anwaltsassessor und konnte ab [[1949]] als Rechtsanwalt, ab [[1954]] auch als Notar in Eutin tätig sein. [[1956]] übernahm ihn die Kreisverwaltung Eutin als Kreisverwaltungsrat. Er gehörte zeitweise dem Beirat der Neuen Heimat Kommunal in Hamburg an. | Ab [[1947]] fand Klaus Konrad Beschäftigung als Hilfsarbeiter. Danach wurde er Anwaltsassessor und konnte ab [[1949]] als Rechtsanwalt, ab [[1954]] auch als Notar in Eutin tätig sein. [[1956]] übernahm ihn die Kreisverwaltung Eutin als Kreisverwaltungsrat. Er gehörte zeitweise dem Beirat der Neuen Heimat Kommunal in Hamburg an. | ||
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Seine Karriere wurde durch diese Vorwürfe offenbar nicht behindert, obwohl er laut Danker/Lehmann-Himmel auch Mitglied der NSDAP gewesen ist<ref>Danker/Lehmann-Himmel, S. 108</ref>. [[Entnazifizierung in Schleswig-Holstein#Aufarbeitung|Deren Studie]] stuft ihn unter den fünf möglichen Kategorien als "angepasst ambivalent" ein.<ref>Vgl. Danker/Lehmann-Himmel, S. 173. Die fünf Kategorien lauten "exponiert nationalsozialistisch", "systemtragend-karrieristisch", "ns-sozialisiert", "angepasst ambivalent" und "oppositionell 'gemeinschaftsfremd'".</ref> | Seine Karriere wurde durch diese Vorwürfe offenbar nicht behindert, obwohl er laut Danker/Lehmann-Himmel auch Mitglied der NSDAP gewesen ist<ref>Danker/Lehmann-Himmel, S. 108</ref>. [[Entnazifizierung in Schleswig-Holstein#Aufarbeitung|Deren Studie]] stuft ihn unter den fünf möglichen Kategorien als "angepasst ambivalent" ein.<ref>Vgl. Danker/Lehmann-Himmel, S. 173. Die fünf Kategorien lauten "exponiert nationalsozialistisch", "systemtragend-karrieristisch", "ns-sozialisiert", "angepasst ambivalent" und "oppositionell 'gemeinschaftsfremd'".</ref> | ||
[[2004]] nahm die italienische Militärstaatsanwaltschaft nach einem zufälligen Aktenfund Ermittlungen wegen Mordes gegen Klaus Konrad auf. In einem Fernsehbericht stellte er das Geschehen als militärische Notwendigkeit dar und antwortete auf die Frage, ob er das Geschehen bedaure: "Ja, natürlich, aber erst, seit die Italiener mich am Kanthaken haben."<ref>''[https://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/diktaturen/erst_kriegsverbrecher.html Erst Kriegsverbrecher, dann Bundestagsabgeordneter – die blutige Nazi-Vergangenheit des SPD-Politikers Klaus Konrad]'', ''KONTRASTE'', 28.10.2004</ref> In den Bericht wurde nicht das gesamte Gespräch aufgenommen, so dass es schwierig ist, sich ein Bild vom Denken des damals 89-Jährigen zu machen. | [[2004]] nahm die italienische Militärstaatsanwaltschaft nach einem zufälligen Aktenfund Ermittlungen wegen Mordes gegen Klaus Konrad auf. In einem Fernsehbericht stellte er das Geschehen als militärische Notwendigkeit dar und antwortete auf die Frage, ob er das Geschehen bedaure: "Ja, natürlich, aber erst, seit die Italiener mich am Kanthaken haben."<ref>''[https://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/diktaturen/erst_kriegsverbrecher.html Erst Kriegsverbrecher, dann Bundestagsabgeordneter – die blutige Nazi-Vergangenheit des SPD-Politikers Klaus Konrad]'', ''KONTRASTE'', 28.10.2004</ref> In den Bericht wurde nicht das gesamte Gespräch aufgenommen, so dass es schwierig ist, sich ein Bild vom Denken des damals 89-Jährigen zu machen. Das gesamte Gespräch ist ab dem 4. Mai 2023 einsehbar auf der Seite www.ns-taeter-italien.org. | ||
== Politik == | Im Januar [[2006]] begann das Verfahren vor einem Militärgericht in La Spezia; der Beschuldigte war auf Grund seines hohen Alters nicht anwesend.<ref>''[https://www.welt.de/politik/article146338/Ex-Abgeordneter-Klaus-Konrad-gestorben.html Ex-Abgeordneter Klaus Konrad gestorben]'', ''DIE WELT'', 17.8.2006</ref> Es endete durch seinen Tod wenige Monate später ohne Urteilsspruch. | ||
Nach seinem Parteieintritt [[1949]] wurde Klaus Konrad [[1950]] in den Vorstand des [[ | |||
[[2006]] starb Klaus Konrad mit 91 Jahren in Scharbeutz. | |||
==Politik== | |||
Nach seinem Parteieintritt [[1949]] wurde Klaus Konrad [[1950]] in den Vorstand des [[Kreisverein Eutin|Kreisvereins Eutin]] gewählt. Von [[1956]] bis [[1970]] war er Vorsitzender des Kreisvereins, wurde [[1975]] auch zum Vorsitzenden des neu gebildeten [[Kreisverband Ostholstein|Kreisverbandes Ostholstein]] gewählt. Ab [[1960|1961]] gehörte er der Revisionskommission des Landesverbandes<ref>''Personalien'', in: [[Wir in Schleswig-Holstein]], 9/1975, Seite 5</ref> an, ab [[1968]] als Vorsitzender. | |||
Er war Delegierter auf dem [[SPD-Parteitag 1959, Bad Godesberg|außerordentlichen Parteitag der SPD]] vom [[13. November|13.]]-[[15. November]] [[1959]] in Bad Godesberg teil, auf dem das [[Godesberger Programm]] beschlossen wurde.<ref>Protokoll des außerordentlichen Parteitags in Bad Godesberg vom 13.-15. November 1959, S. 619</ref> | |||
In der [[Kommunalwahl 1951]] wurde er zum Stadtvertreter in Eutin (bis zur [[Kommunalwahl 1959]]) und Mitglied des Kreistages (bis zum Eintritt in die Kreisverwaltung [[1956]]) gewählt. | In der [[Kommunalwahl 1951]] wurde er zum Stadtvertreter in Eutin (bis zur [[Kommunalwahl 1959]]) und Mitglied des Kreistages (bis zum Eintritt in die Kreisverwaltung [[1956]]) gewählt. | ||
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Im Februar [[2006]] beschloss der [[Landesvorstand]] auf Grund der Tatsache, dass ihm in Italien der Prozess gemacht wurde, seine Mitgliedschaft ab sofort ruhen zu lassen.<ref>''[https://www.welt.de/politik/article146338/Ex-Abgeordneter-Klaus-Konrad-gestorben.html Ex-Abgeordneter Klaus Konrad gestorben]'', ''DIE WELT'', 17.8.2006</ref> | Im Februar [[2006]] beschloss der [[Landesvorstand]] auf Grund der Tatsache, dass ihm in Italien der Prozess gemacht wurde, seine Mitgliedschaft ab sofort ruhen zu lassen.<ref>''[https://www.welt.de/politik/article146338/Ex-Abgeordneter-Klaus-Konrad-gestorben.html Ex-Abgeordneter Klaus Konrad gestorben]'', ''DIE WELT'', 17.8.2006</ref> | ||
=== Landtag / Bundestag === | ===Landtag / Bundestag=== | ||
Am [[1. Mai]] [[1962]] rückte Klaus Konrad für [[Julius Bredenbeck]] in den Landtag nach. In den Landtagswahlen von [[Landtagswahl 1962|1962]] und [[Landtagswahl 1967|1967]] zog er jeweils über die Liste in den Landtag ein. Dort war er aktiv in den Ausschüssen für Arbeit und Aufbau, für Heimatvertriebene und für Volksgesundheit, im Innen-, Volksbildungs-, Justiz- und Landeswahlausschuss, war stellvertretender Vorsitzender des Untersuchungsausschusses "Situation im Polizeiwesen" und Vorsitzender des Ausschusses für Verfassung und Geschäftsordnung. | Am [[1. Mai]] [[1962]] rückte Klaus Konrad für [[Julius Bredenbeck]] in den Landtag nach. In den Landtagswahlen von [[Landtagswahl 1962|1962]] und [[Landtagswahl 1967|1967]] zog er jeweils über die Liste in den Landtag ein. Dort war er aktiv in den Ausschüssen für Arbeit und Aufbau, für Heimatvertriebene und für Volksgesundheit, im Innen-, Volksbildungs-, Justiz- und Landeswahlausschuss, war stellvertretender Vorsitzender des Untersuchungsausschusses "Situation im Polizeiwesen" und Vorsitzender des Ausschusses für Verfassung und Geschäftsordnung. | ||
Die Landtagsstudie geht auf Klaus Konrads Rolle und Verhalten im Untersuchungsausschuss "Situation im Polizeiwesen" ausführlich ein und fragt an einer Stelle, wo er auf der Pflicht zur Offenlegung bzw. Ermittlung von im Dienst der NS-Diktatur begangenen Verbrechen besteht: "Was mag ihm selbst an diesem Punkt durch den Kopf gegangen sein?"<ref>Danker/Lehmann-Himmel, S. 373 ff.</ref> | Die Landtagsstudie geht auf Klaus Konrads Rolle und Verhalten im Untersuchungsausschuss "Situation im Polizeiwesen" ausführlich ein und fragt an einer Stelle, wo er auf der Pflicht zur Offenlegung bzw. Ermittlung von im Dienst der NS-Diktatur begangenen Verbrechen besteht: "Was mag ihm selbst an diesem Punkt durch den Kopf gegangen sein?"<ref>Danker/Lehmann-Himmel, S. 373 ff.</ref> | ||
Am [[31. Oktober]] [[Bundestagswahl 1969|1969]] schied er aus dem Landtag aus, um sein [[Landesgruppe|Bundestagsmandat]] anzutreten, das er über die Liste erhielt. In der [[Bundestagswahl 1972]] wurde er für den Wahlkreis 8 (Segeberg-Eutin) direkt gewählt, [[Bundestagswahl 1976|1976]] wieder über die Liste. Zur [[Bundestagswahl 1980]] trat er nicht wieder an. | Am [[31. Oktober]] [[Bundestagswahl 1969|1969]] schied er aus dem Landtag aus, um sein [[Landesgruppe|Bundestagsmandat]] anzutreten, das er über die Liste erhielt. In der [[Bundestagswahl 1972]] wurde er für den Wahlkreis 8 (Segeberg-Eutin) direkt gewählt, [[Bundestagswahl 1976|1976]] wieder über die Liste. Zur [[Bundestagswahl 1980]] trat er nicht wieder an. Zum Abschied gratulierte das Mitgliedermagazin "Wir" zum Geburstags: <blockquote>"Klaus Konrad, MdB, der am 22. Dezember stolze 65 Jahre jung wurde. Wir hoffen, daß er auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag der SPD noch lange mit Rat und Tat zur Seite steht."<ref>''Landesausschuß - Frischer Wind und neuer Vorsitzender.'' in: [[Wir in Schleswig-Holstein|Wir]], 6/1 79/80, Januar 1980, Wir-Verlag, Kiel Seite 3</ref></blockquote> | ||
== Ehrungen == | ==Ehrungen== | ||
Klaus Konrad war Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse.<ref>''[https://www.welt.de/politik/article146338/Ex-Abgeordneter-Klaus-Konrad-gestorben.html Ex-Abgeordneter Klaus Konrad gestorben]'', ''DIE WELT'', 17.8.2006</ref> | Klaus Konrad war Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse.<ref>''[https://www.welt.de/politik/article146338/Ex-Abgeordneter-Klaus-Konrad-gestorben.html Ex-Abgeordneter Klaus Konrad gestorben]'', ''DIE WELT'', 17.8.2006</ref> | ||
== Literatur & Links == | ==Literatur & Links== | ||
*Landtagsinformationssystem: [http://lissh.lvn.ltsh.de/cgi-bin/starfinder/0?path=samtflmore.txt&id=fastlink&pass=&search=ID%3D1227&format=WEBVOLLLANG Klaus Konrad] | *Landtagsinformationssystem: [http://lissh.lvn.ltsh.de/cgi-bin/starfinder/0?path=samtflmore.txt&id=fastlink&pass=&search=ID%3D1227&format=WEBVOLLLANG Klaus Konrad] | ||
*{{Wikipedia|NAME=Klaus Konrad (SPD)}} | *{{Wikipedia|NAME=Klaus Konrad (SPD)}} | ||
*[[Uwe Danker|Danker, Uwe]]/Lehmann-Himmel, Sebastian: ''[https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/4400/drucksache-18-4464.pdf Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive]'' (Husum 2017) ISBN 978-3-89876-857-3 | *[[Uwe Danker|Danker, Uwe]]/Lehmann-Himmel, Sebastian: ''[https://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/4400/drucksache-18-4464.pdf Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive]'' (Husum 2017) ISBN 978-3-89876-857-3 | ||
== | ==Einzelnachweise== | ||
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Aktuelle Version vom 15. Dezember 2024, 12:42 Uhr
Klaus Konrad |
Klaus Konrad, * 22. Dezember 1914 in Charlottenburg (heute Berlin-Charlottenburg), † 15. August 2006 in Scharbeutz; höherer Verwaltungsbeamter, Landtagsabgeordneter. Verheiratet, drei Kinder; evangelisch. Beitritt zur SPD 1949.
Werdegang
Nach dem Abitur an der Oberrealschule studierte Klaus Konrad Rechts- und Staatswissenschaften in Berlin. Er legte 1937 die erste, 1941 die große juristische Staatsprüfung ab und wurde 1942 Regierungsassessor. Mindestens seit 1939 gehörte er der Wehrmacht an und wurde 1943 Oberstabsintendant der Luftwaffe. Im Frühjahr 1945 wurde er verwundet; zu dieser Zeit hatte er den Rang eines Oberleutnants der Reserve und Regimentsadjutanten erreicht.
In seiner Vita für den Landtag erwähnte er nicht, dass er zu den drei Stabsoffizieren des 274. Infanterie-Regiments gehörte, das später für das "Massaker von San Polo" vom 14. Juli 1944 verantwortlich gemacht wurde, die Ermordung von mindestens 54 italienischen Zivilisten in der Toskana.[1][2][3]
Nach der NS-Zeit
Ab 1947 fand Klaus Konrad Beschäftigung als Hilfsarbeiter. Danach wurde er Anwaltsassessor und konnte ab 1949 als Rechtsanwalt, ab 1954 auch als Notar in Eutin tätig sein. 1956 übernahm ihn die Kreisverwaltung Eutin als Kreisverwaltungsrat. Er gehörte zeitweise dem Beirat der Neuen Heimat Kommunal in Hamburg an.
Von 1969 bis 1972 ermittelten deutsche Behörden gegen ihn und sechs andere wegen des Massakers in Italien, erkannten aber auf Totschlag, der nach 20 Jahren verjährt. Er selbst wies immer zurück, an den Erschießungen teilgenommen zu haben; lediglich bei vorangegangenen Folterungen sei er dabeigewesen bzw. habe sie angeordnet.[4]
Seine Karriere wurde durch diese Vorwürfe offenbar nicht behindert, obwohl er laut Danker/Lehmann-Himmel auch Mitglied der NSDAP gewesen ist[5]. Deren Studie stuft ihn unter den fünf möglichen Kategorien als "angepasst ambivalent" ein.[6]
2004 nahm die italienische Militärstaatsanwaltschaft nach einem zufälligen Aktenfund Ermittlungen wegen Mordes gegen Klaus Konrad auf. In einem Fernsehbericht stellte er das Geschehen als militärische Notwendigkeit dar und antwortete auf die Frage, ob er das Geschehen bedaure: "Ja, natürlich, aber erst, seit die Italiener mich am Kanthaken haben."[7] In den Bericht wurde nicht das gesamte Gespräch aufgenommen, so dass es schwierig ist, sich ein Bild vom Denken des damals 89-Jährigen zu machen. Das gesamte Gespräch ist ab dem 4. Mai 2023 einsehbar auf der Seite www.ns-taeter-italien.org.
Im Januar 2006 begann das Verfahren vor einem Militärgericht in La Spezia; der Beschuldigte war auf Grund seines hohen Alters nicht anwesend.[8] Es endete durch seinen Tod wenige Monate später ohne Urteilsspruch.
2006 starb Klaus Konrad mit 91 Jahren in Scharbeutz.
Politik
Nach seinem Parteieintritt 1949 wurde Klaus Konrad 1950 in den Vorstand des Kreisvereins Eutin gewählt. Von 1956 bis 1970 war er Vorsitzender des Kreisvereins, wurde 1975 auch zum Vorsitzenden des neu gebildeten Kreisverbandes Ostholstein gewählt. Ab 1961 gehörte er der Revisionskommission des Landesverbandes[9] an, ab 1968 als Vorsitzender.
Er war Delegierter auf dem außerordentlichen Parteitag der SPD vom 13.-15. November 1959 in Bad Godesberg teil, auf dem das Godesberger Programm beschlossen wurde.[10]
In der Kommunalwahl 1951 wurde er zum Stadtvertreter in Eutin (bis zur Kommunalwahl 1959) und Mitglied des Kreistages (bis zum Eintritt in die Kreisverwaltung 1956) gewählt.
Im Februar 2006 beschloss der Landesvorstand auf Grund der Tatsache, dass ihm in Italien der Prozess gemacht wurde, seine Mitgliedschaft ab sofort ruhen zu lassen.[11]
Landtag / Bundestag
Am 1. Mai 1962 rückte Klaus Konrad für Julius Bredenbeck in den Landtag nach. In den Landtagswahlen von 1962 und 1967 zog er jeweils über die Liste in den Landtag ein. Dort war er aktiv in den Ausschüssen für Arbeit und Aufbau, für Heimatvertriebene und für Volksgesundheit, im Innen-, Volksbildungs-, Justiz- und Landeswahlausschuss, war stellvertretender Vorsitzender des Untersuchungsausschusses "Situation im Polizeiwesen" und Vorsitzender des Ausschusses für Verfassung und Geschäftsordnung.
Die Landtagsstudie geht auf Klaus Konrads Rolle und Verhalten im Untersuchungsausschuss "Situation im Polizeiwesen" ausführlich ein und fragt an einer Stelle, wo er auf der Pflicht zur Offenlegung bzw. Ermittlung von im Dienst der NS-Diktatur begangenen Verbrechen besteht: "Was mag ihm selbst an diesem Punkt durch den Kopf gegangen sein?"[12]
Am 31. Oktober 1969 schied er aus dem Landtag aus, um sein Bundestagsmandat anzutreten, das er über die Liste erhielt. In der Bundestagswahl 1972 wurde er für den Wahlkreis 8 (Segeberg-Eutin) direkt gewählt, 1976 wieder über die Liste. Zur Bundestagswahl 1980 trat er nicht wieder an. Zum Abschied gratulierte das Mitgliedermagazin "Wir" zum Geburstags:
"Klaus Konrad, MdB, der am 22. Dezember stolze 65 Jahre jung wurde. Wir hoffen, daß er auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag der SPD noch lange mit Rat und Tat zur Seite steht."[13]
Ehrungen
Klaus Konrad war Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse.[14]
Literatur & Links
- Landtagsinformationssystem: Klaus Konrad
- Wikipedia: Klaus Konrad (SPD)
- Danker, Uwe/Lehmann-Himmel, Sebastian: Geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der personellen und strukturellen Kontinuität nach 1945 in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive (Husum 2017) ISBN 978-3-89876-857-3
Einzelnachweise
- ↑ Erst Kriegsverbrecher, dann Bundestagsabgeordneter – die blutige Nazi-Vergangenheit des SPD-Politikers Klaus Konrad, KONTRASTE, 28.10.2004
- ↑ „Massaker von San Polo“ vor Aufklärung, DIE WELT, 23.03.2006
- ↑ Ex-Abgeordneter Klaus Konrad gestorben, DIE WELT, 17.8.2006
- ↑ Vgl. Danker/Lehmann-Himmel, S. 129 f.
- ↑ Danker/Lehmann-Himmel, S. 108
- ↑ Vgl. Danker/Lehmann-Himmel, S. 173. Die fünf Kategorien lauten "exponiert nationalsozialistisch", "systemtragend-karrieristisch", "ns-sozialisiert", "angepasst ambivalent" und "oppositionell 'gemeinschaftsfremd'".
- ↑ Erst Kriegsverbrecher, dann Bundestagsabgeordneter – die blutige Nazi-Vergangenheit des SPD-Politikers Klaus Konrad, KONTRASTE, 28.10.2004
- ↑ Ex-Abgeordneter Klaus Konrad gestorben, DIE WELT, 17.8.2006
- ↑ Personalien, in: Wir in Schleswig-Holstein, 9/1975, Seite 5
- ↑ Protokoll des außerordentlichen Parteitags in Bad Godesberg vom 13.-15. November 1959, S. 619
- ↑ Ex-Abgeordneter Klaus Konrad gestorben, DIE WELT, 17.8.2006
- ↑ Danker/Lehmann-Himmel, S. 373 ff.
- ↑ Landesausschuß - Frischer Wind und neuer Vorsitzender. in: Wir, 6/1 79/80, Januar 1980, Wir-Verlag, Kiel Seite 3
- ↑ Ex-Abgeordneter Klaus Konrad gestorben, DIE WELT, 17.8.2006