Ortsverein Kopperpahl und Umgebung

Aus SPD Geschichtswerkstatt

Der Ortsverein Kopperpahl und Umgebung war eine Gliederung des Sozialdemokratischen Zentralvereins für den 7. Schleswig-Holsteinischen Reichstagswahlkreis. Er bestand spätestens seit 1908 und bis 1933. 1908 wies er bereits 130 Mitglieder auf. 1945 wurde er als Ortsverein Kronshagen wiedergegründet. Ob auch der Ortsverein Suchsdorf eine Nachfolgegliederung ist, konnte bisher nicht geklärt werden, darf aber als wahrscheinlich gelten.

Gründung & Kaiserzeit

Seit dem 1. Oktober 1889 bestand der Amtsbezirk Kronshagen. Dieser umfasste die Dörfer Kronshagen, Kopperpahl (1893 nach Kronshagen eingemeindet), Suchsdorf, Ottendorf, Hassee mit Winterbek (bis 1910) und Hasseldieksdamm (bis 1910), Russee und Wik (bis 1893) samt den Gütern Schwartenbek und Projensdorf (bis 1896).[1] Die städtebauliche Entwicklung begann in den 1890er Jahren in Kopperpahl mit größeren Mietshäusern entlang der Eckernförder Chaussee, erst danach wurde der alte Dorfkern in Kronshagen entwickelt.

Bereits bei den Demonstrationen am 21. Januar 1906 gegen das Dreiklassenwahlrecht wurde auch eine Veranstaltung in Kopperpahl erwähnt:

"Arbeiter und Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein aber wollten sich natürlich das Recht auf ihre Protestversammlungen nicht nehmen lassen. Aber sie verhielten sich vollkommen ruhig und diszipliniert. Nirgendwo, ob nun in Ratzeburg, Tönning, Kiel, Neumünster, Heide, Büsum, Eckernförde, Kopperpahl (Kreis Bordesholm), Apenrade, Elmschenhagen, Pinneberg, Bad Segeberg oder Flensburg, wo in zahlreichen Saalveranstaltungen gegen das Dreiklassenwahlrecht demonstriert wurde, kam es zu Ausschreitungen."[2]

Im Mai 1906 unternahm Ottilie Baader, Genossin aus Berlin, eine Agitationstour im vierten schleswig-holsteinischen Wahlkreis.

"Sie sprach in den Orten Nortorf, Neumünster, Gaarden, Kiel, Winterbek, Preetz, Rendsburg und Kopperpahl über das Thema: "Die Frau im politischen Kampfe der Gegenwart." Die Versammlungen zeitigten [...] ein zufrieden stellendes Resultat; so wurden [...] in Kopperpahl 34 [...] Abonnenten auf die Gleichheit gewonnen. Wenn man bedenkt, dass einerseits die proletarische Frauenbewegung im Wahlkreis noch sehr jung ist - es ist erst ein Jahr her, daß Genossin Zietz durch ihre Agitation sie in Fluß brachte - und daß andererseits keine Industrie vorhanden ist, in der Frauen beschäftigt werden, so kann man mit unseren Fortschritten zufrieden sein."[3]

Am 8. Mai 1906 fand die Konferenz der sozialdemokratischen Frauen des siebten schleswig-holsteinischen Wahlkreises im Gewerkschaftshaus in Kiel statt. Auch Kopperpahl war auf dieser Konferenz vertreten. Allerdings gab es zu der Zeit nur in Neumünster einen Frauenbildungsverein.

"In den übrigen Orten steht nach den Berichten der Delegierten die proletarische Frauenbewegung noch am Anfang ihrer Entwicklung."[4]

Seit 1908 ist ein Ortsverein in Kopperpahl und Umgebung innerhalb dieses Amtsbezirks nachweisbar. 1910 hatte Kronshagen (mit Kopperpahl) gerade einmal 973 Einwohner.[5] Deshalb ist nachvollziehbar und anzunehmen, dass ein Teil der 198 Mitglieder, die der Ortsverein Kopperpahl und Umgebung in dieser Zeit hatte, aus der Umgebung stammte, vornehmlich wohl dem ebenfalls ländlich geprägten, dünn besiedelten Gebiet des Amtes Richtung Kanal mit den Dörfern Ottendorf, Suchsdorf und Schwartenbek.

Der Amtsvorsteher von Kronshagen mußte regelmäßig dem Landrat des Kreises Bordesholm über die politischen Aktivitäten der politischen Parteien, insbesondere der Sozialdemokratie und der Kommunisten berichten. So schrieb der kommissarische Amtsvorsteher Möller am 5. September 1911, dass es als "politischen Verein" den sozialdemokratischen Ortsverein für Kopperpahl, Suchsdorf und Umgegend in Kopperpahl mit Sitz in Kopperpahl gäbe, daneben beständen als "geschlossene Gesellschaften" der "Radfahrerverein Freiweg", gegründet 1903, ca. 60 Mitglieder mit Sitz in Kopperpahl und die "Freie Turnerschaft an der Kieler Förde", Abteilung II [Kopperpahl] (an anderer Stelle als Abteilung IX bezeichnet), gegründet 1908, 18 Mitglieder, mit Sitz des Vorstandes ebenfalls in Kopperpahl.

Der Regierungspräsident verwies in einem Schreiben an die Landräte vom 24. März 1911 darauf, dass alle Vereine, die sich die Förderung und Verbreitung sozialdemokratischer Ideen zum Ziel gesetzt hätten, als politische Vereine zu betrachten seien und als solche keine jungen Leute unter 18 Jahren als Mitglieder aufnehmen dürften. Der Amtsvorsteher Möller antwortete darauf, dass die Freie Turnerschaft in Kopperpahl “freilich“ sozialdemokratische Tendenzen verfolge und dass auch einige Jugendliche an den Übungen teilnehmen. Die Übungen hätten nach Angabe des glaubwürdigen Gastwirts Johann Fleck nur den Zweck der Gesundheitspflege; Politik würde niemals berührt werden.

Im Schreiben vom 15. August 1912 schrieb der kommissarische Amtsvorsteher Möller an den Landrat, dass die Sozialdemokratie "fast überhaupt nichts von sich hören" ließe, eine offizielle Überwachung der Versammlungen erübrige sich. Allerdings würde die Zahl der Sozialdemokraten im Bezirk steigen, was auf die rege Bautätigkeit und den Zuzug von Personen, insbesondere aus Kiel, zurückzuführen wäre.

"Im Verhältnis zu Kronshagen muß jedoch die Ortschaft Kopperpahl insbesondere als sozialdemokratisch bezeichnet werden."[6]

Vom 14. bis 20. Mai 1913 fand der Parteitag der SPD in Jena statt. Als Delegierter nahm Hermann Brecour teil, wohnhaft Kopperpahl 5. Er hatte nachweislich bis 1911 in Kiel gelebt und war von Beruf Berichterstatter.

Weimarer Republik & Ende

Auch in Kopperpahl wurde in der Novemberrevolution 1918 ein Arbeiterrat gegründet. So schreibt die Volks-Zeitung:

Volks-Zeitung, Febr. 1919

:"Kopperpahl und Umgebung, 15. November. Einsetzung eines Arbeiterrates Eine am Donnerstag nach längerer Pause wieder einmal tagende Mitgliederversammlung des Sozialdemokratischen Ortsvereins war außerordentlich stark besucht, auch von geladenen Gästen. Nach kurzen Ansprachen des Genossen Fröhlich[7] vom Arbeiterrat und des Genossen Götze vom Soldatenrat Kiel wurde für den hiesigen Vereinsbezirk ein aus zehn Personen zusammengesetzter Arbeiterrat gebildet, der sich demnächst konstituieren und näheres noch bekannt geben wird. Nach Aufnahme von 27 neuen Mitgliedern wurde Genosse Bolow und die Genossin Frey in den Vorstand gewählt, der nunmehr vollständig ist. Die Versammlungen werden nunmehr wieder allmonatlich abgehalten."[8]

"Im Einzugsgebiet der großen Orte gab es zahlreiche und starke Ortsvereine, wie [...] in der Umgebung von Kiel [...] Kopperpahl [zum Jahresende 1928 mit] 134 [Mitgliedern] [...]."[9] Der Ortsverein gehörte spätestens ab 1924, vielleicht schon ab 1919[10], dem zweiten Unterbezirk des Bezirksverbandes Schleswig-Holstein an.[11] Zu diesem gehörten die Gliederungen in den Kreisen Eckernförde, Rendsburg, Bordesholm und den kreisfreien Städten Kiel und Neumünster.

In der Weimarer Republik entstand eine örtliche Gliederung Kronshagen-Suchsdorf des Reichsbanners. Es existiert auch noch eine Fahne. In der NS-Zeit lag sie - in ein Kissen eingenäht - offen, aber unentdeckt auf dem Sofa der Familie von Karl Mückenheim, die im Suchsdorfer Weg wohnte. Danach bewahrte Wolfgang Weskamp aus Kronshagen sie auf. Heute hängt sie im Fraktionszimmer der SPD im Rathaus Kronshagen.

Reichsbanner-Fahne

Am 22. Februar 1931 nahm die örtliche Reichsbannergruppe an der Parade in Voorde teil. Auf einem Gruppenbild sind die Fahne mit der Bestickung (Ausschnitt) "[SUC]HSDO[RF]" sowie der Tambourstab von Hugo Stührk zu erkennen. En weiteres Bild zeigt 12 Männer (Fr. Behrend, H. Meier, W. Hinrichsen, Fr. Laß, H. Schimoniak, Hugo Stührk, W. Jens, Chr. Weber, S. Moritz, K. Bellin, Fr. Hinrichsen) mit Trommeln und dem Tischwimpel "Spielmannszug Kronshagen-Suchdorf".

Auch bei der "Freien Turnerschaft an der Kieler Förde" bildeten die Ortschaften Kopperpahl und Suchsdorf eine gemeinsame Abteilung (ABT. IX)[12]. In einer Übersicht "Beihilfen für den Jugendleiterkursus" wurden 1921 beide SPD Ortsvereine Suchsdorf und Kopperpahl erwähnt.[13]

1933 wurde der Ortsverein wie die gesamte SPD von den Nazis verboten. 1938 wurde in Kopperpahl wie auch in anderen Orten das Vermögen der Arbeitervereinigungen beschlagnahmt. Betroffen waren hier der örtliche "Arbeiter Gesangverein", die "Kinderfreunde" und das "Reichskartells d. Republik".[14] Während der NS-Zeit trafen sich die Genossen und Genossinnen zusammen mit ihren Familien z.B. in Gaststätten in Russee bzw. in der Ihlkate zu gemeinsamen Osterfeiern oder um Schützenfeste abzuhalten. So konnte der Zusammenhalt gepflegt werden und es waren "Mitgliederversammlungen" möglich.

Zum Neubeginn nach der NS-Herrschaft 1946 heißt es in der Chronik des OV Kronshagen:

"Die in der Gemeindevertretung aktiven Sozialdemokraten und einige weitere wie z.B. Franz Piehotzki und Hermann Andritzki bildeten den kleinen Kreis derer, die im März 1946 den SPD Ortsverein Kronshagen-Suchsdorf wieder gründeten. [...] Der erste Vorstand nach dem Krieg ist identisch mit den letzten vor 1933: Vorsitz Franz Piehotzki, Stellvertreter Hermann Andritzki, Kassierer Emil Struck, Schriftführer Walter Weskamp." Die insgesamt mangelhafte spezifische Quellenlage zu Suchsdorf enthält keinerlei Informationen über eine Zusammengehörigkeit vor oder nach der NS-Unrechtsherrschaft. Aus Kronshagen liegen allerdings Hinweise vor (Mitgliederkartei 1945 bis 1950), dass 1945 zunächst ein gemeinsamer Ortsverein neu gegründet wurde.[15]

Literatur

Quellen

  1. Arthur Gloy: Das alte Amt Kronshagen, S.94 f.
  2. Schartl: Masse, S. 160
  3. Artikel von Th. Niendorf in: Die Gleichheit, 13.6.1906, S. 6
  4. Artikel von Elise Jensen in: Die Gleichheit, 22.8.1906, S. 4
  5. Gäde: Geschichte Kronshagens, S. 20 ff.
  6. Landesarchiv Schleswig, Band 128
  7. Vermutlich Oskar Fröhlich vom Sozialdemokratischen Verein Groß-Kiel.
  8. VZ, 15.11.1918
  9. Jacobsen: Stolz, S. 216
  10. Möglicherweise war er in diesen ersten Jahren auch dem dritten Unterbezirk zugeordnet.
  11. Jacobsen: Stolz, S. 220
  12. Horst Peters: Kampfrekord, S.345
  13. ebenda, S. 346
  14. Hartmann: Karte, S. 512
  15. Information Ingrid Weskamp, Ortsverein Kronshagen, vom Juni 2019