Landesparteitag 1965, Travemünde

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Landesparteitag Travemünde 1965
15. Mai - 16. Mai 1965
Kurhaus
Außenallee 10
23570 Lübeck-Travemünde
Siehe auch: Beschlussdatenbank

Im Mittelpunkt des Landesparteitags Travemünde 1965 stand zweifellos der Wechsel im Landesvorsitz von Walter Damm zu Jochen Steffen. Damit wurde nicht nur ein Generationswechsel vollzogen, die Kommentatoren sahen vor allem auch einen Politikwechsel.

Pressestimmen

Die bürgerlichen Lübecker Nachrichten schrieben:

"Seit Sonntag wird die SPD Schleswig-Holstein von Jochen Steffen geführt. An die Stelle des 60jährigen bisherigen Vorsitzenden Walter Damm ist der 42 Jahre alte Redakteur aus Kiel getreten [...] Damm hat sich nach seinen eigenen Worten ausschließlich darum bemüht, 'der Partei ein festes Fundament zu erhalten'. Das tat er in aller Stille. Steffen wird sich dagegen darum bemühen, der Partei Profil zu geben. Das wird er in aller Öffentlichkeit tun müssen, in der er sich ohnehin wie zu Hause fühlt.

[...]Von ihm wird das Wort verbreitet, er sei zur verantwortlichen Führung so lange nicht bereit, als nicht geklärt sei, 'wie weit sich die Partei nach links hin für alle sozialistischen Kräfte öffnet, soweit diese auf dem Boden des Grundgesetzes stehen'. Das soll Steffen vor zwei Jahren in Husum gesagt haben, als er auf die Kandidatur für den Posten eines Stellvertreters verzichtete. Seine jetzige Wahl zum Landesvorsitzenden kann nach dieser Aussage nur dahingehend gedeutet werden, daß die von ihm als Bedingung verlangte 'Öffnung nach links' inzwischen gelungen und zugleich begrenzt worden ist.

Auf jeden Fall lässt ihre Wahl aber ihr Unbehagen erkennen, sich nicht noch weiter nach rechts hinauszuwagen. Könnten sonst nicht die Stimmen, die die SPD auf der rechten Seite gewinnt, auf der linken Seite verloren gehen? Diese Frage stellt sich mancher Sozialdemokrat nicht erst heute. Mit Steffen ist also nicht nur ein anderer Typus an die Spitze der schleswig-holsteinischen SPD gerückt, sondern durch ihn könnte auch eine Bewegung innerhalb der SPD personifiziert sein, die der 'Verbürgerlichung' der Partei nunmehr Grenzen setzen will."[1]

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) schrieb:

"Mit der Wahl des 42 Jahre alten Kieler Redakteurs Jochen Steffen (MdL) zum neuen Landesvorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Schleswig-Holsteins vollzogen die Delegierten des Parteitages 1965 in Travemünde einen Generationenwechsel in der SPD-Führung des nördlichsten Bundeslandes. Steffen, seit Jahren als einer der bedeutendsten Exponenten der Sozialdemokratischen Fraktion des Kieler Landtages hervorgetreten, löst den 60 Jahre alten bisherigen Landesvorsitzenden Minister a.D. Walter Damm (MdL) ab, der im Kreis Pinneberg ansässig ist. Damm führte des Landesverband in den vergangenen zehn Jahren. Er war der Nachfolger des verstorbenen Kieler Oberbürgermeisters Andreas Gayk. Als Verdienst Damms wird hervorgehoben, daß es ihm gelang, nach Verlusten in der SPD-Mitgliedschaft durch Umsiedlung und Fluktuation den Mitgliederbestand wieder aufzubauen und die älteste Partei in Schleswig-Holstein zu konsolidieren, so daß die Sozialdemokraten des Landes als weitaus stärkste Mitgliederpartei wieder über 32 000 eingeschriebene Mitglieder verfügen."[2]

Das bürgerliche Flensburger Tageblatt titelte CDU: Sieg der 'Radikalen' und fuhr fort:

"Mit der Wahl Steffens zum SPD-Vorsitzenden hat sich nach Meinung der CDU Schleswig-Holstein der 'radikale Flügel' in der SPD durchgesetzt. Dieser Flügel habe in den vergangenen zwei Jahren zunehmend an Einfluß gewonnen, heißt es in einer unmittelbar nach der Wahl veröffentlichten Erklärung der CDU. 'Angesichts dieses Wechsels muß festgehalten werden, daß der neue Vorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein immer wieder in der gesamtdeutschen Politik Auffassungen vertreten hat, die einer Anerkennung der Zwei-Staaten-Theorie gleichkommen."[3]

Die VZ - Kieler Morgenzeitung schrieb:

"Steffen ist ein hervorragender Vertreter der jungen Intelligenz, die ihre Aufgabe in der Politik von der moralischen Verpflichtung her sieht, sie aber ohne Gefühlsüberschwang mit nüchternem Verstand und den Mitteln der Wissenschaft meistert. Joachim Steffens scharfer Verstand und sein Vermögen, politische Vorgänge ihres Beiwerks zu entkleiden, um den Kern sichtbar zu machen, haben ihn schon vor Jahren zu einem der meistgeachteten sozialdemokratischen Politiker in unserem Lande werden lassen.

Seine Sachkunde ist unbestritten. Seine Formulierungen sind hart und schonungslos. Er läßt nicht mit sich handeln, wenn es ihm um die Sache, um die vernünftige Lösung eines Problems geht.

Die CDU und ihre publizistischen Assistenten haben immer wieder versucht, Steffen zu einem 'Radikalen' zu stempeln. Auch in den ersten Kommentaren, die gestern aus dieser Richtung zu hören waren, kam das Wort 'radikal' vor. Diese Bezeichnung ist kindisch und albern. Wer allerdings Verstand, die Fähigkeit logisch zu denken und demokratisch-politisches Engagement mit dem Begriff 'radikal' gleichsetzt, der hat das Recht, Steffen einen Radikalen zu nennen."[4]

Reden

  • Referat des Vorsitzenden der Landtagsfraktion Wilhelm Käber: Verantwortung für Schleswig-Holstein
  • Rede des Hamburger Innensenators Helmut Schmidt als Vertreter des Parteivorstandes: 1965 zu einem Jahr der Entscheidung machen!
  • Ehrengäste war der Landtagspräsident Paul Rohloff (CDU), der Lübecker Bürgermeister Max Wartemann (parteilos), Kreispräsident Gustav Drews für die CDU und Willi Prüm für den DGB.[5]

Vorstandswahlen

Der neu gewählte Landesvorstand

Gewählt wurden:

Landeswahlkonferenz zur Bundestagswahl 1965

Direktkandidatinnen und -kandidaten

Für die Wahlkreise zur Bundestagswahl 1965 wurden nominiert:

Landesliste

Die Landesliste war auf den vorderen Plätzen praktisch identisch mit denen der Bundestagswahlen 1953, 1957 und 1961. Nur Reinhold Rehs schaffte es diesmal, ein paar Plätze nach vorne zu rücken. Er hatte bei der Bundestagswahl 1961 noch Platz 6 gehabt. Auf Platz zwei hatte Kurt Pohle gestanden, der aber 1961 gestorben war. Wie Reinhold Rehs war er Heimatvertriebener gewesen. Der Proporz mag hier also für die Höherstufung gesprochen haben.[6]

Bei der letzten Bundestagsliste hatte Fritz Sänger den Platz seines Wahlkreisvorgängers übernommen. Das schaffte Hans Müthling nicht. Er trat im Wahlkreis Kiel nach Kurt Pohle an und wurde auf den früheren Platz von Reinhold Rehs gewählt.[6]

  1. Bruno Diekmann, Kiel
  2. Reinhold Rehs, Kiel
  3. Annemarie Renger, Pinneberg
  4. Fritz Sänger, Wedel
  5. Karl Regling, Lübeck
  6. Hans Müthling, Kiel
  7. Richard Tamblé, Westerland
  8. Detlef Haase, Kellinghusen
  9. Klaus Konrad, Eutin
  10. Walter Suck, Flensburg
  11. Egon Höhnke, Schleswig
  12. Siegfried Zimmermann, Kiel
  13. Ludwig Mayr, Lauenburg
  14. Rosa Wallbaum, Kiel
  15. Horst Göldner, Lübeck
  16. Hans Hasselmann, Föhrden-Barl
  17. Ernst Bachert, Lübeck
  18. Günter Heinrich, Kiel
  19. Manfred Frank, Seedorf
  20. Detlev Koke, Lübeck
  21. Jürgen Oldenburg, Einfeld
  22. Amandus Thordsen, Husum
  23. Lisa Schmid, Neumünster
  24. Leonhard Langmann, Kiel
  25. Gerda Kade, Kiel

Links

Einzelnachweise

  1. Zit. in: SPD Schleswig-Holstein (Hrsg.): Jahresberichte 1965/66 - SPD-Landesparteitag in Kiel 1.+2. Juli '67
  2. Zit. in: SPD Schleswig-Holstein (Hrsg.): Jahresberichte 1965/66 - SPD-Landesparteitag in Kiel 1.+2. Juli '67
  3. Zit. in: SPD Schleswig-Holstein (Hrsg.): Jahresberichte 1965/66 - SPD-Landesparteitag in Kiel 1.+2. Juli '67
  4. Zit. in: SPD Schleswig-Holstein (Hrsg.): Jahresberichte 1965/66 - SPD-Landesparteitag in Kiel 1.+2. Juli '67
  5. 5,0 5,1 NDR Nordschau: Parteitag der SPD Schleswig-Holstein in Travemünde, 17.05.1965
  6. 6,0 6,1 Kaack, Heino: Wahlkreisgeographie und Kandidatenauslese: Regionale Stimmenverteilung, Chancen der Kandidaten und Ausleseverfahren, dargestellt am Beispiel der Bundestagswahl 1965 (VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2013), S. ?