Gustav Garbe

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Gustav Garbe
Gustav Garbe
Gustav Garbe
Geboren: 29. März 1865
Gestorben: 18. Januar 1935

Gustav Hermann Garbe, * 29. März 1865 in Altona; † 18. Januar 1935 in Kiel; Schlosser, Gewerkschaftsfunktionär. Seit 1884 SPD-Mitglied.[1]

Werdegang

Geboren wurde Gustav Garbe in Altona, das damals noch zu Holstein gehörte. Sein Vater war vermutlich Wilhelm Paulsen, seine Mutter Dorothea Magdalena Sophie Sievers aus Fliegenberg, deren Ehemann, der Tischler Wilhelm Friedrich Garbe, das Kind adoptierte. Gustav Garbe zog vor 1890 nach Hamburg, vermutlich für eine Schlosserlehre.[1]

Ein Umstand ist im Licht seiner späteren Karriere erwähnenswert: Gustav Garbe stotterte.[1] Albert Schulz, der um 1915 Vertrauensmann auf der Germaniawerft war, erinnerte sich:

"Im persönlichen Gespräch war er ein sogenannter Stotterer. Ich war deshalb entsetzt, als ich hörte, daß er in einer großen Metallarbeiterversammlung ein Referat halten sollte. Zu meiner großen Überraschung war das Stottern am Rednerpult wie weggeblasen, nur ein gelegentliches Langziehen eines Wortes erinnerte daran."[2]

1890 zog Gustav Garbe nach Kassel. Dort wurde er 1891 Mitglied des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes (DMV). Von 1892 bis 1904 war er Vorsitzender des Kasseler Gewerkschaftskartells.[1] Ab 1894 war er im Kasseler Adressbuch als Zigarrenhändler aufgeführt. Von 1900 bis 1904 war er Redakteur und Verleger des Casseler Volksblatts, des Zentralorgans der SPD in Nordhessen.[3] Von da an gab das Adressbuch seinen Beruf mit Verleger an.

Am 23. Mai 1894 heiratete Gustav Garbe Anna Christine Wagner, verwitwete Grimm. Sie starb bereits am 13. Dezember desselben Jahres. Eine zweite Ehe ging er am 8. Januar 1896 mit Martha Elisabeth Appel ein.[3]

1905 wurde er Bevollmächtigter des DMV und zog am 20. August desselben Jahres nach Hamburg. Kuhl vermutet, dass die Rückkehr von Philipp Scheidemann in seine Heimatstadt Kassel als Mitarbeiter des Casseler Volksblatts - mit der Aussicht, dass dieser ihn in seiner Stellung beim Volksblatt ablösen würde - Gustav Garbe bewog, sich stärker auf die Gewerkschaftsarbeit zu konzentrieren.[3]

1909 ging er als DMV-Bevollmächtigter nach Kiel, wo er spätestens ab 1911[4] bis 1920 Vorsitzender des Kieler Gewerkschaftskartells war. 1920/21 gab er offenbar seine gewerkschaftlichen Funktionen ab und wird danach nicht mehr erwähnt.[5] Es gibt Hinweise, dass er danach von der Stadt Kiel bis etwa 1930 als Sozialberater beschäftigt wurde.[6]

Am 11. Juni 1910 ließen sich Gustav und Martha Garbe scheiden. Seine dritte Ehe schloss er schon am 25. August mit der Kielerin Emma Dabelstein, mit der er bis zu ihrem Tod am 4. August 1932 verheiratet war.[3]

In Kiel wohnte Gustav Garbe in der Olshausenstraße 22, zog spätestens 1911 in die Brunswiker Straße 56 und lebte von 1919 bis zu seinem Tod 1935 in der Waitzstraße 50, zunächst im Erdgeschoss, dann in einer Wohnung im 3. Stock.[7]

Anlässlich der Namensgebung der "Gustav-Garbe-Brücke" wurde er auch als "altbekannte[r] und verdiente[r] [Arbeiter-]Sportler" beschrieben.[8] Welcher Art seine sportlichen Aktivitäten waren, ist bisher nicht ermittelt.

Partei & Politik

Mit 19 Jahren trat Gustav Garbe 1884 in Hamburg in die SPD ein. In Kassel war er ab 1892 Vertrauensmann für die SPD und zugleich Vorsitzender der Agitationskommission für Waldeck und Hessen. 1894 und 1895 nahm er als Delegierter an Reichsparteitagen teil. Er trat bei der Reichstagswahl 1893 und bei der Nachwahl 1895 als Kandidat für den Wahlkreis Fürstentum Waldeck an. Bei der Reichstagswahl 1898 und bei der Ersatzwahl 1900 trat er im Wahlkreis Kassel 1 (Hofgeismar, Rinteln, Wolfhagen) an, beide Male erfolglos. Von 1. Januar 1900 bis zum 20. August 1905 gehörte er der Stadtverordnetenversammlung in Kassel an.[9]

In Kiel übernahm er für kurze Zeit, vom 15. Mai bis September 1916, den Parteivorsitz[10], bevor er ihn wegen Arbeitsüberlastung wieder aufgab. Zwei Jahre später wurde er zu einer der zentralen Personen im Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand von 1918.

In der Kommunalwahl 1919 wurde Gustav Garbe zum Stadtverordneten in Kiel gewählt, ergriff dort aber "offenbar auch keine größeren Initiativen" und schied mit der Kommunalwahl 1924 aus.[5]

Arbeiter- und Matrosenaufstand 1918

Vom 5. November 1918[11] bis zum 11. Januar 1919 war Gustav Garbe Vorsitzender des Kieler Arbeiterrats. Er nahm als Delegierter der MSPD im Wahlbezirk Schleswig-Holstein am 1. Allgemeinen Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands teil, der vom 16. bis 21. Dezember 1918 in Berlin stattfand.[12] Am 11. Januar 1919 wurde er als Nachfolger Gustav Noskes vom Arbeiter- und Soldatenrat zum Gouverneur gewählt. Im Februar wurden ihm die militärischen Kompetenzen entzogen und im März Konteradmiral Meurer zum Stationschef ernannt. Gustav Garbe erhielt die Funktion eines "Zivilgouverneurs", bis diese am 14. Juni 1919 abgeschafft wurde.[13]

Kapp-Putsch 1920

Bei der Niederschlagung des Kapp-Putsches im März 1920 nahm Gustav Garbe in Kiel wieder eine herausgehobene Position ein. Zusammen mit Gustav Radbruch und dem Parteisekretär der USPD in Kiel, E. Frenzel, bildete er am 13. März 1920 eine "vorläufige Regierung" und wurde zum Gouverneur bestimmt.[14] Er wurde verhaftet, kam aber nach dem Scheitern des Putsches wieder frei. Die Position als Zivilgouverneur behielt er und übernahm für kurze Zeit auch die militärische Kommandogewalt. Diese gab er später an den neuen Chef der Marinestation, Volksoffizier Leutnant zur See Carl von Seydlitz, ab. Ende Mai 1920 wurden vom neuen Reichswehrminister Geßler die alten Zustände in Kiel wieder hergestellt.[15]

Ehrungen

Gustav Garbe und seine Frau Emma auf der Brücke, wohl bei der Benennung 1930

Der große Sitzungssaal des Kieler Gewerkschaftshauses ist nach Gustav Garbe benannt; dort hängt auch das bisher wohl einzige bekannte Porträtfoto von ihm.[16]

Die Freie Turnerschaft Wassersport (heute Segler-Vereinigung Kiel) benannte ihre 1930 eingeweihte Schiffsbrücke im heutigen Sportboothafen Wik an der Kiellinie "Gustav-Garbe-Brücke".[17] Dabei hielt er selbst die Weihrede.[18] Auf Betreiben des Arbeitskreises Geschichte der Kieler SPD beschloss die Kieler Ratsversammlung am 10. Dezember 2015, der Brücke diesen Namen zurückzugeben:

Neubenennung der Gustav-Garbe-Brücke durch Stadtrat Wolfgang Röttgers (vorn rechts)

"Wir meinen: Es steht Kiel gut zu Gesicht, wenn die heute namenlose Brücke im Sportboothafen Wik wieder den Namen Gustav-Garbe-Brücke erhält. In diesem Jahr wäre Gustav Garbe 150 Jahre alt geworden. Mit der Benennung leisten wir einen Beitrag dazu, die revolutionären Ereignisse im November 1918 in Kiel stärker ins Blickfeld der Öffentlichkeit zu tragen. Gustav Garbe spielte in dieser Zeit als Vorsitzender des Arbeiterrates und Zivilgouverneur eine wichtige Rolle. Schon die Freie Turnerschaft Wassersport, die heutige Segler-Vereinigung Kiel, hatte die Brücke nach ihm benannt, bevor die Nationalsozialisten 1933 den Namen Gustav Garbe aus dem Stadtbild getilgt haben. Wir wollen so einem führenden Vertreter der heute fast vergessenen Arbeitersportbewegung gerecht werden."[19]

Am 3. November 2016 nahm Kiels Kulturdezernent Wolfgang Röttgers die Neubenennung vor. Die Kieler Nachrichten versahen ihre Meldung dazu mit der Überschrift Comeback des Revolutionärs.[20]

Zitate

Die Stele an der Ecke Kiellinie Koesterallee wurde im April 2018 von der Landeshauptstadt Kiel aufgestellt
  • "Mit Bier und Schnaps haben wir die Partei aufgebaut, mit ihrem Milchgeschlürfe machen die Jüngeren sie wieder kaputt!" - Gustav Garbe[21]

Literatur & Links

  • Dähnhardt, Dirk: Revolution in Kiel (Neumünster 1978)
  • Dähnhardt, Dirk/Granier, Gerhard (Hrsg.): Der Kapp-Putsch in Kiel. Eine Dokumentation zum 60. Jahrestag der März-Ereignisse von Kiel (Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 66, Kiel 1980)
  • Kuhl, Klaus: Gustav Garbe, tabellarischer Lebenslauf, erstellt 2010, ergänzt 2011
  • Kuhl, Klaus: Gustav Garbe - eine bemerkenswerte Kieler Persönlichkeit. In: Fischer, Rolf (Hrsg.): Revolution und Revolutionsforschung. Beiträge aus dem Kieler Initiativkreis 1918/19 (Sonderveröffentlichung der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Bd. 67, Kiel 2011), S. 77-100, ISBN 978-3-86935-059-2
  • Kuhl, Klaus: Gustav Garbe: Bedeutender Kieler Gewerkschaftsfunktionär, Vorsitzender des Kieler Arbeiterrats und zweimaliger Gouverneur (Kiel 2023), ohne ISBN (zit. als "Kuhl 2023")
  • Lengemann, Jochen: Bürgerrepräsentation und Stadtregierung in Kassel 1835-2006 (Kassel 2009), ISBN 978-3-86354-135-4
  • Schulz, Albert: Erinnerungen eines Sozialdemokraten (Schriftenreihe des Fritz-Küster-Archivs, Oldenburg/Oldb. 2000), ISBN 3814207580
  • Wette, Wolfram: Gustav Noske. Eine politische Biographie (Düsseldorf 1987), ISBN 3-7700-0728-X
  • Wikipedia: Gustav Garbe

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Kuhl 2023, S. 13
  2. Albert Schulz: Erinnerungen, S. 23 f.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Kuhl 2023, S. 14
  4. Kuhl vermutet, dass er von vornherein auch den Vorsitz des Gewerkschaftskartells übernahm. Vgl. Kuhl 2023, S. 15
  5. 5,0 5,1 Kuhl 2023, S. 61
  6. Kuhl 2023, S. 61 f.
  7. Kuhl 2023, S. 82 f.
  8. Bericht von Peter Ebert, Abteilungs-Fahrwart der Arbeiter-Wassersportler, Juli 1930.
  9. Kuhl 2023, S. 80 f.
  10. Handbuch Verein Arbeiterpresse 1927, S. 414, zit. bei Paetau, Rainer: Kooperation oder Konfrontation. Arbeiterbewegung und bürgerliche Gesellschaft im ländlichen Schleswig-Holstein und in der Industriestadt Kiel zwischen 1900 und 1925 (Neumünster 1988), S. 514
  11. Vgl. Dähnhardt: Revolution, S. 91 f.
  12. Schleswig-Holsteinische Volkszeitung, 13.12.1918
  13. Wette, Wolfram: Gustav Noske. Eine politische Biographie (Düsseldorf 1987)
  14. Radbruch, Gustav: Der Kapp-Putsch in Kiel. In: Dähnhardt/Granier, S. 104-117
  15. Vgl. Kuhl, tabellarischer Lebenslauf
  16. Siehe Beitragsbild. Im Zuge der umfassenden Renovierung des Gewerkschaftshauses um 2011 wurde es entfernt. Auf Nachfrage von Mitgliedern hängt es mittlerweile wieder.
  17. Chronik 75 Jahre Segler-Vereinigung-Kiel e.V. von 1994
  18. Bericht von Peter Ebert, Abteilungs-Fahrwart der Arbeiter-Wassersportler, aus dem Juli 1930.
  19. Wilkens, André: Es soll wieder eine Gustav-Garbe-Brücke geben!, Presseinformation der SPD-Ratsfraktion, 15.12.2015
  20. mad[Martina Drexler]: Comeback des Revolutionärs, Kieler Nachrichten, 4.11.2016
  21. Witte, Albert: Arbeiter-Jugend in Kiel, 1919-1925. In: Demokratische Geschichte 4(1989), S. 167