Richard Hansen

Aus SPD Geschichtswerkstatt
Richard Hansen
Richard Hansen
Richard Hansen
Geboren: 2. August 1887
Gestorben: 5. September 1976

Richard Hansen, * 2. August 1887 in Kiel, † 5. September 1976 in Kiel. Werftarbeiter, Parteisekretär. Verheiratet mit Lisa Hansen, zwei Kinder. SPD-Mitglied seit 1907.

Werdegang

Mit 19 Jahren trat Richard Hansen 1906 in die Gewerkschaft ein, vermutlich in den Deutschen Metallarbeiter-Verband (DMV)[1], im Jahr darauf auch in die SPD.

1920 wurde er hauptamtlicher Parteisekretär, gleichzeitig zum Mitglied des Bezirksvorstandes gewählt. Ab 1924 war er Stellvertreter des Bezirksvorsitzenden Willy Verdieck.[2] Zeitweise führte er auch die Geschäfte des 2. Unterbezirks.[3]

1923 heirateten er und Lisa Meitmann, Tochter einer alteingesessenen sozialdemokratischen Familie in Kiel und Schwester von "Jack" Meitmann.

In der Anfangszeit der Weimarer Republik war Richard Hansen führend aktiv in der Kieler Arbeiterwehr gegen reaktionäre Kräfte. 1924 gehörte er zu den Gründern des Reichsbanners. Dadurch lernte er Albert Schulz kennen. Er blieb Gauführer (=Vorsitzender) im Gau Schleswig-Holstein bis 1933. Anfang 1933 wählte man ihn auch in den Reichsvorstand.

Von 1925 bis 1933 gehörte er als Abgeordneter dem Provinziallandtag der Provinz Schleswig-Holstein an. 1928 wurde er zum stellvertretenden Mitglied im Preußischen Staatsrat berufen. Ebenfalls von 1925 bis 1933 war er Mitglied der Kieler Stadtverordnetenversammlung, vermutlich für Holtenau.[4]

Beim Parteitag der SPD 1931 in Leipzig vertrat er Schleswig-Holstein als Delegierter.[5] Anfang 1933 wurde er noch zum Stellvertreter des Ortsvorsitzenden (=Kreisvorsitzenden) Otto Eggerstedt gewählt.[6]

Holger Martens rechnet Richard Hansen mit Otto Eggerstedt und Willy Verdieck zu den drei bedeutendsten Politikern des Bezirks in der Weimarer Republik.[7]

Nationalsozialismus

In der letzten noch als legal angesehenen, wenn auch schon durch Nazi-Terror beeinflussten Wahl am 12. März 1933 wurde Richard Hansen noch einmal in den Provinziallandtag gewählt, zusammen mit Willy Verdieck, Wilhelm Schweizer, Max Brauer und 11 weiteren SPD-Abgeordneten. An der konstituierenden Sitzung vom 10. April nahmen die Genannten jedoch schon nicht mehr teil.

Gemeinsam mit Willy Verdieck versuchte Richard Hansen zunächst, von Hamburg aus die Organisation der SPD im Lande aufrecht zu erhalten. "Die Hansens gehörten seit 1933 zu den hervorragenden Ansprechpartnern für politische Flüchtlinge aus Deutschland; dazu trug auch Lisas Bruder Karl 'Jack' Meitmann bei, der aus den politischen Auseinandersetzungen während der Weimarer Republik beste Kontakte zu Fischern hatte. Von ihnen vermittelte Fischer-Fahrten über die Ostsee waren eine Fluchtchance für etliche verfolgte Sozialdemokraten. Als dies aufflog, musste die Familie Hansen – getrennt – fliehen."[8] Willy Verdieck und Richard Hansen wurden aber - offenbar auf dem Weg, über die "grüne Grenze" nach Dänemark zu flüchten - in Flensburg von SA-Leuten erkannt.[9] Willy Verdieck wurde verhaftet, Richard Hansen entkam nach Dänemark.[10]

"Auf Anraten u.a. des noch als zuverlässig geltenden Flensburger Kripo-Chefs Hans Hermannsen entschied sich R. Hansen zur Flucht nach Dänemark als einzig möglichem Ausweg. Am folgenden Tag, dem 15. Mai, brachte ihn der Fischer Andresen mit seinem Boot zur Kleinen Ochseninsel auf der dänischen Fördeseite. Dorthin hatte der Arbeitersamariterbund (ASB) sein für den Rettungsdienst beschafftes Boot vor den Nazis in Sicherheit gebracht. Julius Gregersen, ASB-Vorsitzender und Vater von Hans Hansens Freund Christoph, übernahm mit diesem Boot den Weitertransport von R. Hansen nach Sønderborg."[11]

Seine Familie konnte ihm 1940 dorthin folgen.[12]

Exil

Als Leiter des Grenzsekretariats der Sopade und Geschäftsführer des Matteotti-Komitees der dänischen Sozialdemokraten für politische Flüchtlinge in Kopenhagen ermöglichte Richard Hansen vielen Parteifreunden, sich vor dem Zugriff der Gestapo ebenfalls nach Skandinavien zu retten.[13] Aus dieser Zeit hatte er beste Beziehungen zu führenden dänischen Sozialdemokraten.[14]

In Dänemark war er für die Koordinierung des Widerstandes in Schleswig-Holstein, Hamburg und Pommern zuständig, unter anderem für die Verbreitung von Druckschriften wie Sozialistische Aktion oder Vorwärts, die zu Wasser und zu Lande nach Nazi-Deutschland geschmuggelt wurden. Als "Briefkästen" zur Weiterverbreitung dienten unter anderem alte Motorradschläuche; gelegentlich wurden Schriften in Arbeitsämtern, Wohlfahrtsstellen oder Straßenbahnen hinterlassen. Zu seinen Kontaktleuten in Kiel gehörten Hans Schröder und Emil Bandholz.[15]

1937 wurde er ausgebürgert. Bei der Besetzung Dänemarks durch deutsche Truppen am 9. April 1940 entkam er mit knapper Not nach Schweden, konnte allerdings die Namenskartei des Matteotti-Komitees mitnehmen, so dass sie den Nazis nicht in die Hände fiel.[16] Lisa Hansen blieb mit den Kindern zunächst in Dänemark, offenbar weil ihrer Tochter, die infolge einer misslungenen Kinderimpfung behindert war, die Einreise in die USA verwehrt wurde.[17]

Offenbar war den Nazis sehr daran gelegen, Richard Hansen zu fassen. Albert Schulz berichtet, dass Schweden seinetwegen sehr unter Druck gesetzt worden sei. "Um ihn zu sichern, sandte ihn die schwedische Regierung im Einvernehmen mit den amerikanischen Gewerkschaften auf einem abenteuerlichen Weg über Wladiwostok nach Amerika."[18]

So gelangte Richard Hansen über die UdSSR und die Philippinen zunächst nach Los Angeles.[19] 1943 arbeitete er als Schiffbauer in New York. Dort gehörte er der German Labor Delegation in USA (GLD) an, deren Sekretär Rudolf Katz war.[20]

Die Sozialistischen Mitteilungen berichteten irrtümlich, Richard Hansen arbeite für den Deutschen Metallarbeiter-Verband (DMV) im "Komitee deutscher Gewerkschafter in den USA" von 1944 mit, dessen Ziel die Vorbereitung "zum Wiederaufbau einer Gewerkschaftsbewegung im neuen Deutschland und in Europa" war.[21] Dies wurde später korrigiert, der "bekannte Gewerkschafter" Hansen sei weiterhin Mitglied der GLD. Die Berichterstattung lässt den Schluss zu, dass die neue Organisation als Konkurrenz und unerwünschte Zersplitterung der Kräfte gesehen wurde, vielleicht auch als kommunistisch beeinflusst.[22]

Rückkehr und Wiederaufbau

Anfang 1946 ging Richard Hansen wieder nach Stockholm, wo seine Familie inzwischen lebte.[23] Von dort aus organisierte er ein Komitee zur Hilfeleistung für Deutschland, das vor allem Lebensmittel und Kleidung in zerstörte Gebiete sandte.[24] Seine Rückkehr nach Deutschland gestaltete sich schwierig, nicht nur auf Grund der mangelhaften Kommunikationswege in der frühen Nachkriegszeit, sondern wohl auch, weil aus den Reihen der skandinavischen Emigrierten Kritik geäußert wurde. Unter anderem wurde ihm vorgeworfen, beim deutschen Überfall auf Dänemark unvorbereitet gewesen zu sein und die Emigrierten dort ihrem Schicksal überlassen zu haben.[25] Auch seine als unkritisch wahrgenommene Haltung zur Politik der SPD während der Weimarer Republik war nicht vergessen.[26]

Erst Mitte 1946 gelang es Richard Hansen, brieflich Kontakt mit dem Ortsvorstand in Kiel aufzunehmen. Man wollte seine Rückkehr, konnte ihm jedoch keinen Arbeitsplatz nachweisen, und der Vorstand war nicht bereit, die Verantwortung für seinen Lebensunterhalt zu tragen. Der Ortsverein Rendsburg stellte schließlich einen Antrag an den Bezirksparteitag am 7./8. Juni 1947 in Bad Segeberg, dem ehemaligen Spitzenfunktionär die Rückkehr zu ermöglichen. Am 9. September 1947 traf er in Kiel ein, zunächst mit einer Aufenthaltsgenehmigung für ein halbes Jahr. Dieser Aufenthalt verlief nicht ohne Irritationen; unter anderem konnte selbst Andreas Gayk bei seiner Partei nicht durchsetzen, dass Richard Hansen zum Kieler Parteisekretär gewählt wurde.[27]

1948 kehrten Richard Hansen und seine Familie endgültig nach Kiel zurück. Zwar übernahm er keine Ehrenämter innerhalb der Partei mehr, arbeitete aber als Geschäftsführer der Landtagsfraktion, bis er Ende 1958 mit 71 Jahren in den Ruhestand ging.[28] Zu seinen Aufgaben gehörte dabei die Vermittlung von Referentinnen und Referenten sowie die Organisation von Parteiversammlungen.[29] Als erfahrener Funktionär wurde er an vielem beteiligt, das über seine berufliche Funktion hinausging. So gehörte er zu den mäßigenden Stimmen im Konflikt um den vom Landesverband ausgeschlossenen Kreisverband Flensburg.[30]

1949 unterstützte er Andreas Gayk gegenüber dem Parteivorstand in seinen Bemühungen, die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung als klar erkennbare Parteizeitung zu erhalten.[31]

Nach seiner Rückkehr nach Kiel beriet er auch für den Landesverband die Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten (AvS), die er bis 1959 in zahlreichen Wiedergutmachungsverfahren - oft mit Erfolg - unterstützte. [32] Von Hans Schröder übernahm er den Bezirksvorsitz dieser AG - wann genau, ließ sich bisher nicht feststellen.[33]

Albert Schulz schloss seine im Oktober 1972 geschriebene Erinnerung an Richard Hansen mit den Worten: "Er wurde in diesen Tagen 85 Jahre alt, ist geistig und körperlich sehr rüstig und betreut noch immer die Opfer des Faschismus in Schleswig-Holstein."[34]

Ehrungen

  • 1963 erhielt Richard Hansen das Bundesverdienstkreuz.

Stimmen

"Seine Partei schilderte [Richard Hansen] als einen Mann, der immer erfüllt gewesen sei vom Kampf für den Sozialismus und für die demokratische Ordnung. In ihm verkörpere sich ein Stück Geschichte der norddeutschen Arbeiterbewegung."[35]

Literatur

  • Holger Martens: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (2 Bde., Malente 1998)

Quellen

  1. Richard Hansen 80 Jahre alt, Kieler Nachrichten, 2.8.1967
  2. Martens, Geschichte der SPD, S. 25, 551
  3. Martens, Geschichte der SPD, S. 240, jedoch ohne Angabe von Daten.
  4. Maik Schuhknecht: Zur Geschichte des SPD-Ortsvereins Kiel-Holtenau. Teil 1: Vom Anfang bis zum Ende? (Kiel 2008)
  5. Martens, Geschichte der SPD, S. 239
  6. Martens, Geschichte der SPD, S. 26, 551
  7. Martens, Geschichte der SPD, S. 241
  8. Nicole Schultheiß: "Geht nicht gibt's nicht" (Kiel 2007), S. 33
  9. Vgl. Maik Schuhknecht: Zur Geschichte des SPD-Ortsvereins Kiel-Holtenau. Teil 1: Vom Anfang bis zum Ende? (Kiel 2008)
  10. Martens, Geschichte der SPD, S. 26
  11. Schunck, Karl-Werner: Hans E. Hansen – Hans Flensfelt: Widerständler, Emigrant, Unternehmensgründer, in: Grenzfriedenshefte Heft 4/2009, S. 236 f.
  12. Nicole Schultheiß: "Geht nicht gibt's nicht" (Kiel 2007), S. 33
  13. Richard Hansen 80 Jahre alt, Kieler Nachrichten, 2.8.1967
  14. Martens, Geschichte der SPD, S. 134
  15. Vgl. Maik Schuhknecht: Zur Geschichte des SPD-Ortsvereins Kiel-Holtenau. Teil 1: Vom Anfang bis zum Ende? (Kiel 2008)
  16. Martens, Geschichte der SPD, S. 245, S. 248, S. 645 Anm. 553
  17. So erinnert sich ihr Großneffe Michel Stermann an eine mündliche Mitteilung seines Onkels Jack Meitmann, des Neffen von Lisa Hansen.
  18. Schulz, Albert: Erinnerungen eines Sozialdemokraten (Oldenburg 2000), ISBN 3814207580, S. 144
  19. Richard Hansen 80 Jahre alt, Kieler Nachrichten, 2.8.1967
  20. Gerhard E. Gründler über Rudolf Katz
  21. Sozialistische Mitteilungen - News for German Socialists in England, Nr. 65/66, 3.9.1944, S. 15 u. Ed. Anm. 37
  22. Sozialistische Mitteilungen - News for German Socialists in England, Nr. 69, Dez. 1944, S. 15
  23. Martens, Geschichte der SPD, S. 248
  24. Richard Hansen 80 Jahre alt, Kieler Nachrichten, 2.8.1967
  25. Martens räumt allerdings ein, dabei könne es sich um "eine politisch motivierte Diskreditierung" durch einzelne gehandelt haben.
  26. Martens, Geschichte der SPD, S. 248, S 645 Anm. 551
  27. Die Einzelheiten der Rückkehrbemühungen bei Martens, Geschichte der SPD, S. 248 f.
  28. Martens, Geschichte der SPD, S. 216
  29. Martens, Geschichte der SPD, S. 201. Letzteres betraf vermutlich rein die Landesebene.
  30. Martens, Geschichte der SPD, S. 146
  31. Martens, Geschichte der SPD, S. 298
  32. Richard Hansen 80 Jahre alt, Kieler Nachrichten, 2.8.1967
  33. Martens, Geschichte der SPD, S. 263
  34. Schulz, Albert: Erinnerungen eines Sozialdemokraten (Oldenburg 2000), ISBN 3814207580, S. 144
  35. Richard Hansen wird 85, Kieler Nachrichten, 1.8.1972