Kreisverband Kiel - Stadtregierung: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 1. April 2024, 18:05 Uhr
Kiels Stadtregierung ist in den letzten 100 Jahren seiner Geschichte vielfach sozialdemokratisch bestimmt gewesen.
Die Stadt war infolge ihrer Entwicklung zum Industrie- und Werftenstandort in den 1870er Jahren und auf Grund der Einstufung als Reichskriegshafen politisch und sozial stark durch die Arbeiterbewegung geprägt. Lediglich das undemokratische Wahlrecht verhinderte bis 1918, dass sich dies auch in der Stadtvertretung und -regierung abbildete.
Seit 1945 konnte sich nur selten eine Mehrheit gegen die SPD bilden. In der Weimarer Republik war dies noch anders, jedoch konnte sich die SPD - zumal nach dem Wiederzusammenschluss mit der USPD - mit Personalien mehrfach durchsetzen. Daher gehörten viele der OberbürgermeisterInnen, der BürgermeisterInnen und der StadtpräsidentInnen der SPD an.
OberbürgermeisterInnen
Die Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister von Kiel werden seit 1997, wie die BürgermeisterInnen in ganz Schleswig-Holstein, direkt von den Wahlberechtigten gewählt. Seitdem hat Kiel vier SPD-OberbürgermeisterInnen gehabt:
- Ulf Kämpfer (seit 24. April 2014)
- Susanne Gaschke (1. Dezember 2012-28. Oktober 2013, vorzeitig zurückgetreten)[1]
- Torsten Albig (17. Juni 2009-28. Mai 2012, vorzeitig zurückgetreten)[2]
- Norbert Gansel (17. Juni 1997-16. Juni 2003)[3]
Unter der Magistratsverfassung, die von 1950 bis 1996 galt, gab es bereits 5 SPD-Oberbürgermeister:
- Otto Kelling (1. November 1992-5. Dezember 1996, abgewählt)[4]
- Karl Heinz Luckhardt (1. November 1980-31. Oktober 1992)[5]
- Günther Bantzer (1. November 1965-31. Oktober 1980)[6]
- Hans Müthling (20. Januar 1955-31. Oktober 1965)[7]
- Andreas Gayk (20. April 1950-1. Oktober 1954 hauptamtlich, ab 18. Oktober 1946 ehrenamtlich)[8]
Entwicklung des Amtes
Den Titel "Oberbürgermeister" trägt der Kieler Verwaltungschef seit 1875. Die Bezeichnung "Bürgermeister" ging auf seinen Stellvertreter über. In der Kaiserzeit war es völlig undenkbar, dass ein Sozialdemokrat Stadtrat, geschweige denn Oberbürgermeister hätte werden können.[9]
Auch in der Weimarer Republik bekam Kiel jedoch noch keinen sozialdemokratischen Oberbürgermeister. Die mehrheitlich der SPD und USPD angehörende Stadtverordnetenversammlung wählte 1920 den bürgerlich-liberalen Dr. Emil Lueken auf zwölf Jahre. Er wurde 1932 wiedergewählt, bevor ihn die Nazis 1933 vertrieben.
In der NS-Zeit fanden keine wirklichen Wahlen statt; der NS-Oberbürgermeister wurde von seiner Partei eingesetzt und führte die Stadt ungewählt 12 Jahre lang.
Danach galt bis 1950 die von der britischen Besatzungsmacht eingeführte Kommunalverfassung, in der das Oberbürgermeisteramt ehrenamtlich besetzt war und rein repräsentative Aufgaben hatte, ähnlich wie ein britischer Lord Mayor. Die Leitung der Verwaltung lag beim Oberstadtdirektor, damals Walther Lehmkuhl. 1945/46 setzten die Briten mehrere Oberbürgermeister ein, einige davon aus der CDU; alle vor Andreas Gayk blieben aus verschiedenen Gründen nur kurz.
Der erste war Max Emcke (15. Mai 1945-15. Februar 1946), damals Mitglied der CDU, die er aber 1950 verließ, weil sie ihm zu rechts gerichtet war[10]. 1966 trat er der SPD bei. Trotz großer Verdienste wurde Max Emcke auf Anweisung des Alliierten Kontrollrats im Februar 1946 abgesetzt. Die Gründe sind bis heute nicht ermittelt.
Ihm folgte - bereits nach Wahl durch die Stadtvertretung - kurzzeitig der vorherige Bürgermeister Otto Tschadek (16. Februar-11. März 1946)[11], der schon vier Wochen später in seine Heimatstadt Wien zurückkehrte, wo er in Abwesenheit ins Parlament gewählt worden war und später zum Justizminister ernannt wurde. Sein Stellvertreter und der seines Nachfolgers war Bürgermeister Andreas Gayk.
Nach einem unbefriedigenden konservativen Zwischenspiel akzeptierten die Besatzungsbehörden schließlich die Wahl von Andreas Gayk zum Oberbürgermeister (18. Oktober 1946-20. April 1950).
Nach dem Weggang von Oberstadtdirektor Walther Lehmkuhl, der 1950 zum Oberbürgermeister von Neumünster gewählt wurde, kehrte Kiel zur Magistratsverfassung und damit zur Hauptamtlichkeit des Oberbürgermeisters zurück. Er übernahm wieder die Leitung der Verwaltung, das Amt des Oberstadtdirektors fiel weg.
OB-KandidatInnen
Einige andere bekannte Kieler Sozialdemokraten sind nicht Oberbürgermeister geworden. So wurden als mögliche Nachfolger für Hans Müthling zunächst Hermann Köster und Rolf Renger gehandelt[12], als Nachfolger für Günther Bantzer dann Hartmut Lippe und Claus Möller, der aber eine Bewerbung ablehnte.[13] Vor der OB-Wahl von 2007[14] und nach dem Rücktritt von Susanne Gaschke (2013) wurde jeweils Rolf Fischer als Oberbürgermeister ins Gespräch gebracht; er lehnte es beide Male ab, sich zu bewerben.[14][15] Auch Andreas Breitner zog es vor, in die Landesregierung zu wechseln.[15]
Die OB-Wahl 2003 verlor Jürgen Fenske.
BürgermeisterInnen
Bürgermeister, d.h. Stellvertreter des Oberbürgermeisters, ist traditionell der Stadtkämmerer; das Vorschlagsrecht für dieses Amt hat in der Regel die Opposition. Von 1970 bis 1978 bekleidete aber der Sozialdemokrat Achim Barow das Amt des Bürgermeisters und Kämmerers. Danach wechselte er an die Spitze der Versorgung und Verkehr Kiel GmbH, VVK. Ronald Klein-Knott war bis 2005 der bisher letzte Bürgermeister von der SPD. Kiel hatte bisher zwei Bürgermeisterinnen; beide gehörten nicht der SPD an.
In der Weimarer Republik gelang es den Sozialdemokraten - die nach der Novemberrevolution den sehr geschätzten Liberalen Dr. Fritz Gradenwitz im Amt belassen hatten - 1925 den eigenen Kandidaten Hermann Heimerich durchzubringen[16]. Als er Kiel 1928 wieder verließ, um Oberbürgermeister von Mannheim zu werden, wurde die Stelle zumindest bis August 1932 nicht mehr besetzt.[17]
StadtbaurätInnen
Kiels bauliche Entwicklung wurde in mehreren Phasen entscheidend von renommierten sozialdemokratischen oder der SPD nahe stehenden Stadtbauräten bestimmt. Während der Weimarer Republik war dies Willy Hahn, nach dem Krieg sind vor allem Prof. Herbert Jensen (der schon seit etwa 1934 städt. Baudirektor war) und Klaus Müller-Ibold zu nennen, auch Eberhard Kulenkampff, der für die Baumaßnahmen zu den olympischen Segelwettbewerben in Kiel 1972 verantwortlich war, und Otto Flagge, der u.a. wesentliche Impulse für die Hörnsanierung gab. Der bisher letzte Sozialdemokrat in diesem Amt war Ronald Klein-Knott. Seit 2017 ist zum erstenmal eine (parteilose) Stadtbaurätin im Amt.
Weitere StadträtInnen
Vor 1933
In der Kaiserzeit mit ihrem undemokratischen Wahlrecht gelangte kein Sozialdemokrat in den Magistrat. Erst 1916 gaben die bürgerlichen Kräfte ihren Widerstand auf; Daniel Rindfleisch wurde zum ehrenamtlichen Magistratsmitglied gewählt, im Jahr darauf Wilhelm Brecour und - als Nachfolger des verstorbenen Daniel Rindfleisch - Wilhelm Poller.[9]
Ab 1919 galt für die Wahl ehrenamtlicher Stadträte die Verhältniswahl; die SPD konnte vier unbesoldete Stadträte stellen, darunter die bereits Genannten, und als hauptamtlichen Stadtrat Paul Gress. Er behielt dieses Amt bis 1931.[17]
1924 errang die SPD nur 20 von 66 Ratssitzen und nur zwei unbesoldete Magistratssitze.[17]
1928 wurde in direkter Wahl der Sozialdemokrat Dr. Hans Hoffmann zum hauptamtlichen Stadtrat gewählt.[18]
Bei den Stadtverordnetenwahlen 1929 erreichte die SPD 27 von 66 Mandaten. Sie stellte nun drei unbesoldete Magistratsmitglieder.[17]
Nach 1945
Hauptamtliche Stadträte u.a. (unvollständig)
- Gerwin Stöcken Sozialdezernent seit 2014
- Wolfgang Röttgers Ordnungsdezernent, Kämmerer 2012-2018
- Ute Berg Wirtschaftsdezernentin 2010
- Torsten Albig Ordnungsdezernent, Kämmerer 2002-2006
- Heinz Rethage Wirtschaftsdezernent 1999-2004
- Erich Schirmer Ordnungs- und Umweltdezernent 1990-2002
- Ronald Klein-Knott Stadtbaurat 1999-2005
- Otto Flagge Stadtbaurat 1987-1999
- Claus Möller Ordnungs- und Umweltdezernent 1981-1988
- Fritz Quade Ordnungsdezernent 1972-1981
- Günter Lütgens Sozialdezernent 1966-1983
- Rolf Renger Wirtschafts- und Hafendezernent 1962-1975
- Karl Langbehn versch. Sachgebiete 1956-?
- Otto Voß 1950-55 und 1960-66, Wohnungsförderung
- Kurt Engert 1954-1972 Sozialdezernent
- Toni Jensen 1947-56 für Schulen
- Friedrich Mandelkow 1946-1952
StadtpräsidentInnen
StadtpräsidentInnen als oberste RepräsentantInnen der Stadt gibt es erst seit der Einführung der Magistratsverfassung im Jahr 1950. Die SPD stellte bis heute die Hälfte von ihnen, allerdings mit einer gesamten Amtszeit von bisher 50 von 73 Jahren[19]. Unter ihnen waren in dieser Zeit vier Frauen.
- 2013-2023: Hans-Werner Tovar[20]
- 1998-2003 und 2008-2013: Cathy Kietzer[21]
- 1986-1998: Silke Reyer[22]
- 1978-1982: Rolf Johanning[23]
- 1970-1974: Ida Hinz[24]
- 1959-1970: Hermann Köster[25]
- 1951-1955: Max Schmidt[26]
Stadtverordnetenvorsteher
Zwar gelang es der SPD schon im Kaiserreich, in den Wahlen Stadtverordnete durchzubringen. Aber erst ab 1919 gab es SPD-Mehrheiten, die dann auch die Stadtverordnetenvorsteher (wie der Titel des obersten Repräsentanten der Selbstverwaltung damals lautete) stellten. Dies waren:
Literatur
- Wilhelm Brecour: Die sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel 1932, Neudruck Kiel 1983)
Links
Einzelnachweise
- ↑ Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Oberbürgermeister Torsten Albig, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Oberbürgermeister Norbert Gansel, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Oberbürgermeister Otto Kelling, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Biografie Oberbürgermeister Karl-Heinz Luckhardt, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Biografie Oberbürgermeister Günther Bantzer, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Geckeler, Christa: Biografie Oberbürgermeister Hans Müthling, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Geckeler, Christa: Biografie Oberbürgermeister Andreas Gayk, abgerufen 21.3.2020
- ↑ 9,0 9,1 Brecour: Partei, S. I-89
- ↑ Geckeler, Christa: Biografie Oberbürgermeister Emcke, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Geckeler, Christa: Biografie Oberbürgermeister Otto Tschadek, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Ph(Gottfried H. Philipp): Als neuer Oberbürgermeister Günther Bantzer im Gespräch, Kieler Nachrichten, 7.8.1965
- ↑ Philipp, Gottfried H.: Günther Bantzer wird nicht wieder als Oberbürgermeister kandidieren, Kieler Nachrichten, ??.7.1979
- ↑ 14,0 14,1 Drexler, Martina: Wer macht jetzt das Rennen?, Kieler Nachrichten, 18.8.2007
- ↑ 15,0 15,1 Drexler, Martina: SPD-Frauen bleiben nicht allein, Kieler Nachrichten, 13.7.2012
- ↑ Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963]), Seite 90
- ↑ 17,0 17,1 17,2 17,3 Brecour: Partei, S. I-94
- ↑ Brecour: Partei, S. I-94 - aber: Artikel im Hamburger Echo sprechen für 1926
- ↑ Stand 2023
- ↑ Stadtpräsident Hans-Werner Tovar, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Stadtpräsidentin Cathy Kietzer, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Geckeler, Christa: Biografie Stadtpräsidentin Silke Reyer, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Stadtpräsident Rolf Johnning, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Geckeler, Christa: Biografie Stadtpräsidentin Ida Hinz, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Geckeler, Christa: Biografie Stadtpräsident Hermann Köster, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Geckeler, Christa: Biografie Stadtpräsident Max Schmidt, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Geckeler, Christa: Biografie Stadtverordnetenvorsteher Christian Haß, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Geckeler, Christa: Biografie Stadtverordnetenvorsteher Heinrich Jacobs, abgerufen 21.3.2020
- ↑ Geckeler, Christa: Biografie Stadtverordnetenvorsteher Wilhelm Spiegel, abgerufen 21.3.2020