Kommunalwahl 1970: Unterschied zwischen den Versionen

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== Ausgangslage ==
== Ausgangslage ==
Die Wahl fand ein gutes halbes Jahr nach der [[Bundestagswahl 1969]] statt, in der [[Willy Brandt]] als erster Kandidat der SPD zum Bundeskanzler gewählt worden war. Ein Jahr später steht die [[Landtagswahl 1971]] an. Die SPD Schleswig-Holstein hofft, auch dort gemeinsam mit der FDP die Regierung übernehmen zu können. Mit entsprechendem Elan schmeißt sie sich in den Wahlkampf.
Die Wahl fand ein gutes halbes Jahr nach der [[Bundestagswahl 1969]] statt, in der [[Willy Brandt]] als erster Kandidat der SPD zum Bundeskanzler gewählt worden war. Ein Jahr später stand die [[Landtagswahl 1971]] an. Die SPD Schleswig-Holstein hoffte, auch dort gemeinsam mit der FDP die Regierung übernehmen zu können. Mit entsprechendem Elan warf sie sich in den Wahlkampf.


: "Die Zeiten, da Kommunalwahlen mehr oder weniger eine Bestätigung dörflicher Honoratioren waren, sind in Schleswig-Holstein endgültig vorbei. [] Es ist die politischste Kommunalwahl seit Bestehen der Bundesrepublik im Norden. Der Aufwand des Wahlkampfes und vor allem die Auseinandersetzungen zwischen den beiden großen Parteien, der CDU und der SPD, nehmen fast den Charakter an, als handele es sich um die Wahl für den Deutschen Bundestag. [] Für die Sozialdemokraten und die Freien Demokraten ist das halbe Bonner Koalitionskabinett auf den Beinen, um der CDU in ihrer Hochburg nördlich der Elbe die Stimmen abzujagen. Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt sprach in Kappeln den Soldaten aus dem Herzen; und bestritt dort die größte Wahlveranstaltung überhaupt. Lauritz Lauritzen, der Bundeswohnungsbauminister, macht den Dörflern bieder und behäbig klar, was die Kieler Regierung versäumt hat."<ref>ZEIT: ''[https://www.zeit.de/1970/16/mit-grossem-aufgebot/komplettansicht Mit großem Aufgebot]'' In: ZEIT Nr. 16/1970, 17. April 1970</ref>
: "Die Zeiten, da Kommunalwahlen mehr oder weniger eine Bestätigung dörflicher Honoratioren waren, sind in Schleswig-Holstein endgültig vorbei. [...] Es ist die politischste Kommunalwahl seit Bestehen der Bundesrepublik im Norden. Der Aufwand des Wahlkampfes und vor allem die Auseinandersetzungen zwischen den beiden großen Parteien, der CDU und der SPD, nehmen fast den Charakter an, als handele es sich um die Wahl für den Deutschen Bundestag. [...] Für die Sozialdemokraten und die Freien Demokraten ist das halbe Bonner Koalitionskabinett auf den Beinen, um der CDU in ihrer Hochburg nördlich der Elbe die Stimmen abzujagen. Bundesverteidigungsminister [[Helmut Schmidt]] sprach in [[Ortsverein Kappeln|Kappeln]] den Soldaten aus dem Herzen; und bestritt dort die größte Wahlveranstaltung überhaupt. [[Lauritz Lauritzen]], der Bundeswohnungsbauminister, macht den Dörflern bieder und behäbig klar, was die Kieler Regierung versäumt hat."<ref>ZEIT: ''[https://www.zeit.de/1970/16/mit-grossem-aufgebot/komplettansicht Mit großem Aufgebot]'' In: ZEIT Nr. 16/1970, 17. April 1970</ref>


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Wahlbeteiligung in Schleswig-Holstein: 72,3 %
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== Ergebnisse vor Ort ==
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[[Datei:Fotos 2036.jpg|thumb|180px|right|Heide Simonis (28) als Ratsfrau, 1971]]
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Der [[Ortsverein Bredstedt]] erreicht 7 Mandate in der Stadtvertretung, der [[Ortsverein Eckernförde]] die absolute Mehrheit, der [[Kreisverband Flensburg]] eine einfache Mehrheit (17 Sitze), der [[Ortsverein Schleswig]] zieht mit der CDU gleich (je 13 Sitze). [[Maria Lindenmeier]] zieht in den [[Ortsverein Plön|Plöner]] Kreistag ein, [[Hans Wiesen]] in den Gemeinderat von [[Ortsverein Bordesholm|Bordesholm]], [[Reinhold Stühlmeyer]] in die [[Ortsverein Preetz|Preetzer]] Stadtvertretung, [[Otto Gerlach]], [[Wilhelm Marschner]] und [[Heide Simonis]] in die [[Kreisverband Kiel|Kieler]] Ratsversammlung. [[Alfred Schulz]] wird Bürgervorsteher in [[Ortsverein Reinbek|Reinbek]] und Kreisrat im Kreistag von [[Kreisverband Stormarn|Stormarn]], [[Karl-Heinz Schildt]] wird erster SPD-Bürgervorsteher von Schleswig.  
*[[Ortsverein Bordesholm|Bordesholm]]: [[Hans Wiesen]] zieht in den Gemeinderat ein.
* [[Kommunalwahlen in Kiel|Kiel]]
*[[Ortsverein Bredstedt]]: 7 Mandate in der Stadtvertretung.
* [[Ortsverein Prasdorf|Prasdorf]]: 29,06 %
*[[Ortsverein Eckernförde]]: absolute Mehrheit, [[Klaus Buß]] wird jüngster Ratsherr.
*[[Kreisverband Flensburg]]: erstmals stärkste Fraktion (17 Sitze), stellt mit [[Artur Thomsen]] den Stadtpräsidenten.
*[[Ortsverein Harrislee]]: wird stärkste Fraktion, was bis dahin dem SSW vorbehalten gewesen war.
*[[Ortsverein Holtsee]]: [[Malte Maßmann]] und [[Heinrich Möller]] werden gewählt.
*[[Kreisverband Kiel]]:  s. u.  
*[[Ortsverein Kronshagen]]: [[Cord-Peter Lubinski]] wird neu in die Gemeindevertretung gewählt.
*[[Ortsverein Mildstedt/Rosendahl]]: [[Hanne Henkens]] wird ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde - fast auf den Tag genau für 30 Jahre.
*[[Ortsverein Mölln]]: [[Harry Starck]] kommt in die Stadtvertretung.
*[[Ortsverein Neuwittenbek]]: mit einem Mandat geht auch die Mehrheit verloren (4 SPD, 5 CDU), Bürgermeister [[Herbert Matte]] wird zum stellvertretenden Bürgermeister.
*[[Kreisverband Plön]]: [[Maria Lindenmeier]] wird in den Kreistag gewählt.
*[[Ortsverein Prasdorf]]: drei Sitze (29,06%); [[Christa Gruel]], [[Alfred Schnoor]] und [[Hans Stark]] kommen (für den noch ungegründeten Ortsverein!) in den Gemeinderat.
*[[Ortsverein Preetz]]: [[Reinhold Stühlmeyer]] kommt in die Stadtvertretung.
*[[Ortsverein Reinbek]]: stärkste Fraktion, [[Alfred Schulz]] wird Bürgervorsteher.
*[[Ortsverein Russee]]: wird auch in dieser Kommunalwahl 2. Sieger.
*[[Ortsverein Schleswig]]: zieht mit der CDU gleich (je 13 Sitze), [[Karl-Heinz Schildt]] wird erster SPD-Bürgervorsteher.  
*[[Ortsverein Schönberg]]: 50% der abgegebenen Stimmen gehen an die SPD; zum erstenmal stärkste Fraktion.
*[[Kreisverband Stormarn]]: [[Alfred Schulz]] wird Kreisrat, [[Klaus Klingner]] wird neu in den Kreistag gewählt.
*[[Ortsverein Uetersen]]: holt das landesweit beste SPD-Ergebnis mit 56,6%.
*[[Ortsverein Waabs]]: [[Kurt Rohweder]] wird neu in den Gemeinderat gewählt.
 
=== Kiel ===
=== Kiel ===
Der damalige Kieler Kreisvorsitzende [[Karl Heinz Luckhardt]] schrieb [[1978]]:
[[Datei:Fotos 3989.jpg|thumb|180px|left|Ida Hinz]]
: "Zur Kommunalwahl am 24. März 1970 (sic!) trat die SPD [in Kiel] mit einer Mannschaft an, die weniger altbekannte Persönlichkeiten enthielt als in den Wahlen davor. Parteiintern wurde die Befürchtung geäußert, daß damit das Wahlergebnis von [[Kommunalwahl 1966|1966]] kaum verbessert werden kann. Ich hatte als neuer Spitzenkandidat nicht denselben Bekanntheitsgrad wie der Genosse [[Hermann Köster]] in seiner Rolle als Stadtpräsident. Was kaum jemand erwartet hatte, trat ein: Mit 53,6% der Stimmen und 30 von 49 Sitzen erreichte die SPD in Kiel das beste Kommunalwahlergebnis seit Kriegsende. Auch im Landesvergleich konnte Kiels SPD sich sehen lassen. In den damals 42 Städten unseres Landes mit jeweils mehr als 10000 Einwohnern erzielte Kiel zusammen mit [[Ortsverein Uetersen|Uetersen]] (56,6%) das beste SPD-Ergebnis."<ref>SPD-Kreisverband Kiel (Hrsg.): ''1863-1978. 115 Jahre Sozialdemokratie. Festschrift der Kieler Sozialdemokraten'' (Kiel 1978)</ref>
Nach der Kommunalwahl wählt die Kieler Ratsversammlung die Sozialdemokratin [[Ida Hinz]] zur bundesweit ersten Stadtpräsidentin. Neu gewählt werden u.a. [[Otto Gerlach]], [[Helmut Hänsler]], [[Holger Ipsen]], als jüngster Ratsherr [[Rolf Johanning]], [[Walter Knaupe]], [[Wilhelm Marschner]], [[Dieter Schunck]] sowie [[Heide Simonis]], die mit 28 Jahren ihr erstes politisches Amt antritt. Ihr Mandat - über die Liste - kommt unerwartet, deswegen ist sie mit ihrem Mann gerade auf Auslandsaufenthalt in Japan. Das Mandat wird ihr einige Monate freigehalten, bis sie es antreten kann.<ref>Heide Simonis: ''Unter Männern'' (München 2004), S. 55</ref>


[[Datei:Fotos 3989.jpg|thumb|180px|left|Ida Hinz]]
Die besten Ergebnisse erzielt die SPD in [[Ortsverein Neumühlen-Dietrichsdorf|Neumühlen-Dietrichsdorf]], wo [[Horst Lorenz]] mit 77,4% das höchste Ergebnis in Kiel einfährt und [[Walter Knaupe]] 70,1% erhält.
Nach der Kommunalwahl wählt die Kieler Ratsversammlung die Sozialdemokratin [[Ida Hinz]] zur bundesweit ersten Stadtpräsidentin. [[Heide Simonis]] trat [[1971]] mit 28 Jahren ihr erstes politisches Amt an, sie rückte unerwartet in die Kieler Ratsversammlung nach. Wegen eines Auslandsaufenthaltes wurde ihr das Mandat einige Monate freigehalten, bis sie es antreten konnte.<ref>Heide Simonis: ''Unter Männern'' (München 2004), S. 55</ref>
 
Der Kieler Kreisvorsitzende [[Karl Heinz Luckhardt]] schreibt [[1978]] im Rückblick:
: "Zur Kommunalwahl am 24. März [sic!] [[1970]] trat die SPD [in Kiel] mit einer Mannschaft an, die weniger altbekannte Persönlichkeiten enthielt als in den Wahlen davor. Parteiintern wurde die Befürchtung geäußert, daß damit das Wahlergebnis von [[Kommunalwahl 1966|1966]] kaum verbessert werden kann. Ich hatte als neuer Spitzenkandidat nicht denselben Bekanntheitsgrad wie der Genosse [[Hermann Köster]] in seiner Rolle als Stadtpräsident. Was kaum jemand erwartet hatte, trat ein: Mit 53,6% der Stimmen und 30 von 49 Sitzen erreichte die SPD in Kiel das beste Kommunalwahlergebnis seit Kriegsende. Auch im Landesvergleich konnte Kiels SPD sich sehen lassen. In den damals 42 Städten unseres Landes mit jeweils mehr als 10000 Einwohnern erzielte Kiel zusammen mit [[Ortsverein Uetersen|Uetersen]] (56,6%) das beste SPD-Ergebnis."<ref>SPD-Kreisverband Kiel (Hrsg.): ''1863-1978. 115 Jahre Sozialdemokratie. Festschrift der Kieler Sozialdemokraten'' (Kiel 1978)</ref>
 
([[Kommunalwahlen in Kiel|Ergebnisse in Kiel]])


== Quellen ==
== Einzelnachweise ==
<references />
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Aktuelle Version vom 30. September 2020, 21:23 Uhr

Die Kommunalwahl am 26. April 1970 war ein Sieg für SPD und CDU. Gemeinsam vereinten sie landesweit fast 90% der Stimmen auf sich. Die FDP lag bei 5,7% und scheiterte damit in vielen Kommunen an der 5%-Hürde. Die Wahlbeteiligung hatte sich seit 1966 auf 72,4%[1] verbessert.

Ausgangslage

Die Wahl fand ein gutes halbes Jahr nach der Bundestagswahl 1969 statt, in der Willy Brandt als erster Kandidat der SPD zum Bundeskanzler gewählt worden war. Ein Jahr später stand die Landtagswahl 1971 an. Die SPD Schleswig-Holstein hoffte, auch dort gemeinsam mit der FDP die Regierung übernehmen zu können. Mit entsprechendem Elan warf sie sich in den Wahlkampf.

"Die Zeiten, da Kommunalwahlen mehr oder weniger eine Bestätigung dörflicher Honoratioren waren, sind in Schleswig-Holstein endgültig vorbei. [...] Es ist die politischste Kommunalwahl seit Bestehen der Bundesrepublik im Norden. Der Aufwand des Wahlkampfes und vor allem die Auseinandersetzungen zwischen den beiden großen Parteien, der CDU und der SPD, nehmen fast den Charakter an, als handele es sich um die Wahl für den Deutschen Bundestag. [...] Für die Sozialdemokraten und die Freien Demokraten ist das halbe Bonner Koalitionskabinett auf den Beinen, um der CDU in ihrer Hochburg nördlich der Elbe die Stimmen abzujagen. Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt sprach in Kappeln den Soldaten aus dem Herzen; und bestritt dort die größte Wahlveranstaltung überhaupt. Lauritz Lauritzen, der Bundeswohnungsbauminister, macht den Dörflern bieder und behäbig klar, was die Kieler Regierung versäumt hat."[2]

Landesergebnis

Partei Ergebnis[3] Änderung zu 1966
SPD 43,5% +3,7
CDU 45,4% +0,3
FDP 5,7% -4,1
SSW 1,7 % -0,5

Wahlbeteiligung in Schleswig-Holstein: 72,3 %

Ergebnisse vor Ort

Heide Simonis (28) als Ratsfrau, 1971

Kiel

Ida Hinz

Nach der Kommunalwahl wählt die Kieler Ratsversammlung die Sozialdemokratin Ida Hinz zur bundesweit ersten Stadtpräsidentin. Neu gewählt werden u.a. Otto Gerlach, Helmut Hänsler, Holger Ipsen, als jüngster Ratsherr Rolf Johanning, Walter Knaupe, Wilhelm Marschner, Dieter Schunck sowie Heide Simonis, die mit 28 Jahren ihr erstes politisches Amt antritt. Ihr Mandat - über die Liste - kommt unerwartet, deswegen ist sie mit ihrem Mann gerade auf Auslandsaufenthalt in Japan. Das Mandat wird ihr einige Monate freigehalten, bis sie es antreten kann.[4]

Die besten Ergebnisse erzielt die SPD in Neumühlen-Dietrichsdorf, wo Horst Lorenz mit 77,4% das höchste Ergebnis in Kiel einfährt und Walter Knaupe 70,1% erhält.

Der Kieler Kreisvorsitzende Karl Heinz Luckhardt schreibt 1978 im Rückblick:

"Zur Kommunalwahl am 24. März [sic!] 1970 trat die SPD [in Kiel] mit einer Mannschaft an, die weniger altbekannte Persönlichkeiten enthielt als in den Wahlen davor. Parteiintern wurde die Befürchtung geäußert, daß damit das Wahlergebnis von 1966 kaum verbessert werden kann. Ich hatte als neuer Spitzenkandidat nicht denselben Bekanntheitsgrad wie der Genosse Hermann Köster in seiner Rolle als Stadtpräsident. Was kaum jemand erwartet hatte, trat ein: Mit 53,6% der Stimmen und 30 von 49 Sitzen erreichte die SPD in Kiel das beste Kommunalwahlergebnis seit Kriegsende. Auch im Landesvergleich konnte Kiels SPD sich sehen lassen. In den damals 42 Städten unseres Landes mit jeweils mehr als 10000 Einwohnern erzielte Kiel zusammen mit Uetersen (56,6%) das beste SPD-Ergebnis."[5]

(Ergebnisse in Kiel)

Einzelnachweise

  1. "Die Wahl bekam nur den 'Großen'", Kieler Nachrichten, 28.4.1970
  2. ZEIT: Mit großem Aufgebot In: ZEIT Nr. 16/1970, 17. April 1970
  3. "Die Wahl bekam nur den 'Großen'", Kieler Nachrichten, 28.4.1970
  4. Heide Simonis: Unter Männern (München 2004), S. 55
  5. SPD-Kreisverband Kiel (Hrsg.): 1863-1978. 115 Jahre Sozialdemokratie. Festschrift der Kieler Sozialdemokraten (Kiel 1978)