1933
Am 30. Januar überträgt Reichspräsident von Hindenburg ohne Beteiligung des Reichstages das Amt des Reichskanzlers an Adolf Hitler, den "Führer" der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei (NSdAP).
Der Brand des Reichstages am 27. Februar führt zu einer Verhaftungswelle. In der Reichstagswahl vom 5. März bleiben die Nazis mit 43,9% unter der angestrebten absoluten Mehrheit, obwohl viele ihrer politischen Gegner bereits in "Schutzhaft" sitzen und der Einschüchterung durch die SA nichts entgegensetzen können.
Innerhalb weniger Monate wird mit Hilfe von Notverordnungen und einem entmachteten Reichstag, der scheindemokratische Beschlüsse wie die Verabschiedung des "Ermächtigungsgesetzes" fasst, das gesamte politische Leben in Deutschland gleichgeschaltet. Die demokratischen Parteien werden verboten.
Auch in Schleswig-Holstein entfernen die Nazis SPD-und KPD-Leute aus Verwaltungen und Selbstverwaltungen, verhaften Menschen (auch aus anderen Gruppierungen), die Widerstand leisten, und bringen sie in die ersten Konzentrationslager, wo viele von ihnen ermordet werden. Wenig später erlassen die Nazis auch die ersten Gesetze zur Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung.
Januar
- 28. Januar - Walther Lehmkuhl legt sein 1. juristisches Staatsexamen ab und tritt in Kiel in den Staatsdienst ein.
- 30. Januar - Machtübertragung an die Nationalsozialisten im Reich.
- 31. Januar - Nazis verüben vergeblich einen Mordanschlag auf Julius Leber. Ein Angreifer wird dabei vom Reichsbanner-Mann Willi Rath in Notwehr getötet. Julius Leber und sein Begleiter werden in Untersuchungshaft genommen. Das ist der Anlass zu den letzten großen offenen Protestaktionen der Lübecker Arbeiterbewegung gegen die Nationalsozialisten am 19. Februar.
Februar
- Der Bezirksverbandsvorsitzende Willy Verdieck entgeht einem ersten Versuch der Nazis, ihn zu verhaften.
- 15. Februar - Protestaktion gegen die Nazis mit 3500 Teilnehmenden in Elmshorn.
- 15. Februar - Die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung wird vorläufig verboten.
- 19. Februar - Protestaktion gegen die Nazis mit fast 15000 Teilnehmenden in Lübeck.
- 26. Februar - Der Reichsbanner-Mann Julius Zehr wird von einem Nazi in Harrisleefeld bei Flensburg erschossen.
- 27. Februar - Die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung muss endgültig ihr Erscheinen einstellen.
März
- Willy Verdieck wird auf dem Weg nach Dänemark in Flensburg verhaftet.
- 2.-20. März - Der Lübecker Volksbote wird vorübergehend verboten.
- 5. März - Reichstagswahl. Die SPD erhält immer noch 18,3%, die KPD 12,3% und das katholische Zentrum 11,3%.
- 12. März - In der Nacht auf den Wahltag wird Wilhelm Spiegel von Nazis in Kiel in seinem eigenen Haus ermordet.
- 12. März - Kommunalwahlen und Provinziallandtagswahlen. Theodor Werner wird für die SPD wiedergewählt.
- 12. März - Rudolf Johna wird in Oberschlesien geboren.
- 13. März - Das Kieler Gewerkschaftshaus wird von den Nazis besetzt.
- 24. März - Walter Lurgenstein wird aufgrund einer Denunziation von den Nazis verhaftet, nicht zuletzt wegen seines Engagements für die Arbeitervolkshochschule Harrisleefeld.
April
- Bürgermeister Richard Vosgerau in Eckernförde weigert sich, die Hakenkreuzfahne auf das Amtsgebäude zu setzen, und wird von der SA in "Schutzhaft" genommen.
- 5. April - Der Vorsitzende der SPD Eiderstedt, Paul Dölz, wird zusammen mit 24 Linken aus Tönning und Lunden von den Nazis verhaftet und nach Husum gebracht.
- 7. April - Die Nazis ändern den Namen der Kieler Legienstraße zurück in "Fährstraße".
- 26. April - Der Antrag der Nazis in der Bredstedter Stadtvertretung, drei SPD-Mitglieder auszuschließen, wird (noch) abgelehnt.
- 30. April - In der Nacht auf den 1. Mai bringen Nazis in Kiel den Arbeitersportler Edmund Schnoor um.
Mai
- 7. Mai - Der Ortsverein Preetz löst sich - wie viele anderen Ortsvereine in diesen Tagen - selbst auf, um Polizeiaktionen zuvorzukommen.
- 12. Mai - Der Ortsverein Schleswig löst sich auf.
- 23. Mai - Fraktionsvorsitzender Otto Wels begründet für die SPD im Reichstag die Ablehnung des "Ermächtigungsgesetzes". Die SPD stimmt geschlossen dagegen.
- 25. Mai - Otto Eggerstedt wird aufgrund einer Denunziation verhaftet und ins KZ Esterwegen gebracht.
- 30. Mai - Heinrich Grönwoldt und die Genossen Bargholz und Freundstück nehmen letztmals vor dem reichsweiten Verbot der SPD an der Gemeindesitzung in Russee teil.
- 31. Mai - Der Lübecker Volksbote wird gleichgeschaltet.
Juni
- Im politischen Widerstand aktive Sozialdemokraten wie Andreas Gayk, die Brodersens, Karl Rickers oder aus Düsseldorf die Brockmanns ziehen um diese Zeit aus Sicherheitsgründen ins anonymere Berlin. Andere wie Bruno Verdieck, Walter Damm, Hans Schröder oder Oskar Nielsen arbeiten an anderen Orten im Widerstand.
- 9. Juni - Vermögen, Parteihäuser, Zeitungsbetriebe, Geschäftsräume und Druckereien der SPD werden von den Nazis beschlagnahmt.
- 16. Juni - Die erste Ausgabe von Blick in die Zeit erscheint in Berlin.
- 22. Juni - Die Nazis verbieten die SPD und alle anderen Parteien außer ihrer eigenen.
Juli
- 1. Juli - Die Freie Volksbühne Kiel löst sich zum zweiten Mal in ihrer Geschichte selbst auf.
- 14. Juli - Die Nazis erlassen das "Gesetz zur Neubildung von Parteien", das eben keine Neubildung von Parteien mehr zulässt.
August
- SPD-Stadtrat Emil Brodkorb wird aus dem Magistrat der Stadt Schleswig ausgeschlossen.
- 14. August - Die Dachorganisation der Konsumvereine, die GEG, wird von den Nazis zwangsweise in den "Reichsbund der deutschen Verbrauchergenossenschaften GmbH (GEG)" überführt. Damit haben die Konsumvereine keine eigenständige Grundlage mehr.
- 17. August - Alle SPD-Vertreter werden aus der Stadtvertretung von Bredstedt ausgeschlossen.
September
Oktober
- 12. Oktober - Otto Eggerstedt wird im KZ Esterwegen (Emsland) ermordet.
- 8. Oktober - Karl Grambow wird in seiner Zelle im Amtsgerichtsgefängnis Schwarzenbek tot aufgefunden.
- 29. Oktober - Marliese Alfken kommt in Goslar zur Welt.
November
- 5. November - Zusammen mit zahlreichen Kieler Genossen, darunter vermutlich Theodor Werner, werden Nanny Kurfürst, Emma Drewanz und Gertrud Völcker von den Nazis vorübergehend in "Schutzhaft" genommen.
Dezember
Nicht datierte Ereignisse
- Paul Dabelstein, letzter SPD-Vertreter im Gemeinderat von Quickborn, versucht sich das Leben zu nehmen, weil die Nazis ihm Veruntreuung vorwerfen.
- Rudolf Katz emigriert aus Nazi-Deutschland und wird bis 1934 Delegierter des Völkerbundes in Nanking/China.
- Luise Klinsmann wird von den Nazis ihre Lehrtätigkeit an der VHS Lübeck genommen; sie zieht sich ins Privatleben zurück, ebenso wie Anni Krahnstöver oder Toni Jensen.
- Hermann Lüdemann wird seines Amtes als Oberpräsident von Niederschlesien enthoben.
- Rosa Obloch verliert kurz nach Abschluss ihrer Lehre ihre Arbeit beim Kieler "Konsum", weil ihre Familie als sozialdemokratisch bekannt ist.
- Franz Osterroth redigiert die illegale Jugendzeitschrift Junger Sozialismus.
- Karl Ratz wird in "Schutzhaft" genommen, danach erhält er ein Jahr Gefängnis.
- Karl Schiller tritt der nationalsozialistischen SA bei.
- Theodor Werner übernimmt einen Tabakladen im Königsweg 52 in Kiel.
- Traditionsfahnen einzelner Gruppierungen werden versteckt und so über die Nazizeit gerettet, etwa die Fahnen von Kiel-Suchsdorf, Kiel-Dietrichsdorf oder Kiel-Süd.