Frauen- und Gleichstellungspolitik: Unterschied zwischen den Versionen

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Datei:Frauenwahlrecht 1914.jpg|Plakat "Heraus mit dem Frauenwahlrecht - Frauen-Tag", 8. März 1914
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Datei:KA000715.jpg|Plakat "Frauen! Gleiche Rechte - Gleiche Pflichten - Wählt sozialdemokratisch!", 19. Januar 1919
Datei:Louise Schroeder 1919.jpg|Louise Schroeder 1919
Datei:Alma Wartenberg.jpg|Alma Wartenberg
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Datei:Fotos 11033.jpg|Ida Hinz nach ihrer Wahl, 1970
Datei:Rosa Wallbaum 17 Mai 2009.jpg|Rosa Wallbaum
Datei:Anny Trapp.jpg|Anni Trapp
Datei:Elisabeth Orth 1970.jpg|Elisabeth Orth
Datei:Autogramm Annemarie Renger Bundestagspräsidentin 1976.jpg|Annemarie Renger
Datei:Cornelie Sonntag-Wolgast.jpg|Cornelie Sonntag-Wolgast
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Datei:Böhrk Dez 14 klein Hamadmad.jpg|Gisela Böhrk
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Datei:Heide Simonis.JPG|Heide Simonis
Datei:KA037556.jpg|"Heide hats": Starke Frauen für Heide Simonis
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Datei:AsF-Landesfrauenkonferenz 2006.jpg|Astrid Höfs und Cornelia Östreich
Datei:Landesvorstand 2015.jpg|Landesvorstand 2015
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Datei:Rosa Wallbaum 17 Mai 2009.jpg|Rosa Wallbaum 2009
Datei:Anne Brodersen 1965.jpg|Anne Brodersen 1965
Datei:Cornelia Östreich 2015.jpg|Cornelia Östreich
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Datei:Hatice Kara 2011.jpg|Hatice Kara
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Datei:Cornelie Sonntag-Wolgast.jpg|Cornelie Sonntag-Wolgast
Datei:Serpil Midyatli 2018.JPG|Serpil Midyatli
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Version vom 29. Oktober 2019, 18:37 Uhr

[[Datei:{{#setmainimage:August Bebel - Die Frau und der Sozialismus 50. Auflage.jpg}}|thumb|right|220px|"Die Frau und der Sozialismus", Jubiläumsaufgabe 1910]] Frauen- und Gleichstellungspolitik ist in der SPD seit Bebels Buch Die Frau und der Sozialismus von 1879 immer ein Thema gewesen, in der Gesamtpartei und in Schleswig-Holstein.

Die nachfolgende kleine Chronik zeigt einerseits, dass der Fortschritt - auch in den Köpfen der SPD - häufig eine Schnecke ist. Andererseits belegt sie, dass es ihn gab, dass die SPD neue Ideen aufgriff und dass Deutschlands älteste Partei oft auch die fortschrittlichste ist. Nicht zuletzt wird sichtbar, dass Schleswig-Holstein mehr als einmal an der Spitze dieses Fortschritts gestanden hat und die Veränderung vorantreibt.

Zunächst allerdings kam der Fortschritt von außen. Schon 1867, noch vor dem Sozialistengesetz, versuchte die Leiterin des Hamburger Frauenvereins, Frau Hetzel, auch in Schleswig-Holstein Frauen zusammenzuführen. Es bildete sich jedoch nur in Preetz eine Frauengruppe unter der Leitung von Adamina Quisdorf.[1][2]

In ihrem Eisenacher Programm von 1869 forderte die SDAP zum ersten Mal die Einschränkung der Frauenarbeit, eine Forderung, die sich von nun an in der einen oder anderen Form durch alle Parteiprogramme zieht.

Kaiserreich 19. Jh.

  • 1875 - Im Gothaer Programm forderte die Partei schon das Verbot aller die "Gesundheit und Sittlichkeit schädigenden Frauenarbeit".
  • 1879 - August Bebel veröffentlichte sein bekanntestes Werk Die Frau und der Sozialismus. Er fordert darin: "Die Frau muß ökonomisch unabhängig sein, um es körperlich und geistig zu sein, damit sie nicht mehr von der Gnade und dem Wohlwollen des anderen Geschlechtes abhängig ist."
"Bebel beschäftigte sich darin mit der Stellung der Frau in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und legte ein flammendes Bekenntnis zur ökonomischen und politischen Gleichberechtigung der Geschlechter ab. Seine Schilderungen verband er mit der Kritik an der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung und zog daraus den Schluss, dass erst eine sozialistische Gesellschaft das Ende der Frauendiskriminierung bringe. Die Vision einer solchen Zukunftsgesellschaft skizzierte er am Ende des Buches. Nach dieser Realutopie sollte nicht nur die Arbeit in der Industrie, sondern auch die Haus- und Sorgearbeit, Kunst und Literatur neu gestaltet und verteilt werden. An die Stelle von Privatküchen sollten kollektive, mit den neuen technischen Errungenschaften ausgestattete Großküchen treten. Alle Arbeitsmittel sollten in Gemeineigentum überführt werden. Männer und Frauen teilten sich die gleichen Rechte und Pflichten und das gleiche Vergnügen."[3]
  • 1882 - Aus den "Vertrauensmännern" in der SPD wurden Vertrauenspersonen - sie ermöglichten es Frauen, sich trotz des Verbots der politischen Betätigung zu organisieren.
  • 1891 - In ihrem Erfurter Programm forderte die SPD die "Abschaffung aller Gesetze, welche die Frau in öffentlich- und privatrechtlicher Beziehung gegenüber dem Manne benachteiligen."
  • 1892 - Im Januar verfügt der Regierungspräsident in Schleswig-Holstein, "... daß nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 1. Oktober 1890 den Zusammenkünften der dem §8 des Vereinsgesetzes vom 11. Mai 1850 unterliegenden Vereine Frauen auch dann nicht beiwohnen dürfen, wenn die Zusammenkünfte anderen Zwecken als den politischen Erörterungen dienen sollen. Die Abhaltung von Bällen und anderen Vergnügungen mit Frauen kommt daher für diese Vereine überhaupt nicht in Frage." Feiern von politischen Vereinen, an denen auch Frauen teilnähmen, seien polizeilich aufzulösen. Als der Arbeiterbildungsverein Ellerbek Anfang 1892 sein Stiftungsfest feiern wollte, drohte das Verbot. Der Vorstand meldete daraufhin ein "Männerkränzchen" an. Die Frauen saßen während der Feier im Saal nebenan. Zunächst wollte die Polizei sie auch dort vertreiben, unterließ dies aber.[4]
  • 1892 - "Die Gleichheit. Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen" erscheint erstmals. Ihre Chefredakteurin ist zunächst Clara Zetkin, ab 1917 Marie Juchacz. Die Zeitschrift erscheint bis 1923.
  • 1893 - Gründung des Bildungsvereins der Frauen und Mädchen Kiels. Nach einem ersten Aufschwung versandeten die Aktivitäten aber bald, da sich die Frauen nicht mit politischen Themen befassen durften, die sie eigentlich interessierten.[5]

Kaiserreich 20. Jh.

  • 1902 - Frauen wurde es gestattet, an Versammlungen politischer Vereine teilzunehmen - allerdings nur als Zuhörerinnen und nur in einem abgetrennten Raum. Die Polizei hatte gelegentlich Mühe, sich an das neue Recht zu halten: Bei einer Versammlung im Kieler "Elysium" saßen die Frauen auf der Galerie. Sie wurde daraufhin polizeilich aufgelöst. Erst nach einer Beschwerde über das Verhalten der Polizei durften auch in Kiel Genossinnen an Versammlungen teilnehmen.[6]
  • 1905 - Helene Grünig wurde zur ersten Vertrauensperson der Gaardener Frauenversammlung gewählt und berief alle vier bis sechs Wochen eine öffentliche Versammlung ein. Diese Versammlungen mussten zwei Tage vorher bei der Polizei angemeldet werden; ihr Ablauf wurde durch Beamte überwacht. Die Vertrauensfrau hielt den Kontakt zur SPD und nahm an reichsweiten Treffen der Vertrauensfrauen in Berlin teil.[7]
  • 1908 - Frauen erhielten das Recht, Mitglieder in Vereinen zu werden und sich politisch zu engagieren. Am 1. Oktober 1908 traten allein in Kiel 700 Frauen, die sich bisher nur durch freiwillige Zahlungen zur Sozialdemokratie bekennen konnten, in die SPD ein.[8] Im selben Jahr kam Luise Zietz als erste Frau in den SPD-Parteivorstand.
  • 1909 - Der Bezirksparteitag 1909, Wandsbek beschloss, dass mindestens eine Frau Beisitzerin im Landesvorstand sein müsse:

    "Die Agitationskommission besteht aus einem besoldeten Beamten, der auch die Kassengeschäfte zu führen hat, einem Vertreter der Parteizeitung und 5 Beisitzern, unter welchen mindestens eine Genossin sein muss."[9]

  • 1910 - Der 2. Internationalen Frauenkongress der Sozialistinnen in Kopenhagen findet statt. Helene Grünig aus Kiel nimmt dort teil. Auf Initiative von Clara Zetkin beschließt der Kongress, einen jährlich stattfindenden Internationalen Sozialistischen Frauentag für die Interessen der Frauen gegen Ausbeutung und Unterdrückung auszurufen.[10]
  • 1911 - 1. Internationaler Frauentag: 45 000 Frauen treffen sich in Berlin. Ihr Motto: "Her mit dem Frauenwahlrecht!" Sie forderten nicht nur das Frauenwahlrecht, sondern auch gleichen Lohn für gleiche Arbeit und Verbesserungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.
Plakat zum Frauenwahlrecht, 1914
  • 1912 - Am 12. Mai verabschiedete die SPD Elmshorn folgende Resolution:

    "Die Forderung des Frauenrechts findet ihre beste Begründung in der Revolutionierung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse durch den Kapitalismus. Die Leistungen der Frauen in Industrie und Landwirtschaft, im Handel und Verkehrswesen, die Pflichten, die sie erfüllen als Mütter und Hausfrauen, geben ihnen einen berechtigten Anspruch auf soziale und politische Gleichberechtigung. Die Frauen fordern das Wahlrecht, um ihre Interessen selbst schützen zu können. Die am 12. Mai in Elmshorn Versammelten erklären deshalb, daß sie sich zur Erringung des Frauenwahlrechts in die Reihen der Sozialdemokratie stellen wollen und mit Energie und Ausdauer für die Erringung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts zu allen öffentlichen, rechtlichen und politischen Vertretungskörpern für die über 20 Jahre alten Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts zu kämpfen. Die Sozialdemokratische Partei ist die einzige politische Partei, die als konsequente Verkämpferin für das volle Bürgerrecht des Weibes anzusprechen ist."[11]

Weimarer Republik

  • 12. November 1918 - Der revolutionäre Rat der Volksbeauftragten verkündete das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht in Deutschland für alle Personen, die das 20. Lebensjahr vollendet hatten. Damit war das Frauenwahlrecht durchgesetzt. Am 30. November trat das Reichswahlgesetz in Kraft. Frauen dürfen jetzt auch Staatsexamina ablegen und zum Beispiel Juristinnen werden.
Plakat "Frauen! Gleiche Rechte - Gleiche Pflichten - Wählt sozialdemokratisch!", 19. Januar 1919
  • 19. Januar 1919 - 37 Frauen wurden neben 386 Männern in die Weimarer Nationalversammlung gewählt, darunter 19 Sozialdemokratinnen, aus Schleswig-Holstein Louise Schroeder. Wilhelmine Kähler trat in Ostpreußen an, Luise Zietz, die noch der USPD angehörte, in Berlin.
  • 1921 - Ins Görlitzer Programm wurden das Verbot der Nachtarbeit für Frauen und das Verbot der Arbeit von Frauen in besonders gesundheitsschädlichen Betrieben sowie an Maschinen mit besonderer Unfallgefahr aufgenommen. Es betonte das allgemeine Recht der Frauen auf Erwerbsarbeit und forderte die "Mitwirkung der Frauen in allen Justizämtern".
Alma Wartenberg
  • 1925 - Alma Wartenberg gehörte als einzige Frau dem schleswig-holsteinischen Provinziallandtag an. Das Heidelberger Programm enthielt die Forderungen nach "Gleichstellung der Frau mit dem Manne" und "gleiches Recht der Frauen auf Erwerbsarbeit".
  • 1927 - Reichsparteitag 1927 in Kiel. In seiner Eröffnungsrede sagte Otto Eggerstedt: "Unsere Bewegung, die die Gleichberechtigung aller Menschen erstrebt, ist nie einseitig eine Bewegung der Männer gewesen; sie hat immer im gleichen Maße auch die Frauen erfaßt. Gerade bei uns wird die Bewegung getragen von der ganzen Familie. Die Frauen sind erfaßt, und durch die Frauen die Kinder. In den Frauen haben wir erfaßt die Mütter, die Bildner der Jugend."[12] Im Anschluss an den Parteitag fand vom 27.-29. Mai die Frauenkonferenz statt.

Bundesrepublik Deutschland

  • 1945 - In der ersten Landessatzung nach dem Krieg wurde festgelegt, dass mindesten eine Frau im Landesvorstand vertreten sein musste.[13]
  • 1949 - Um den Frauenanteil in der SPD zu steigern sollten Kreisvereine mit einem Frauenanteil über 25 % ein zusätzliches, weiblichen Mitglied in den Bezirksausschuss entsenden können. So wurde es in der Landessatzung festgelegt. Der Hinweis auf das eine weibliche Mitglied wurde wieder entfernt - seither waren immer mindestens drei Frauen im Landesvorstand vertreten.[14]
  • 1949 - Elisabeth Selbert schaffte es nahezu im Alleingang, Gleichberechtigung in Artikel 3 des Grundgesetzes zu verankern. Schnörkellos heißt es dort: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Ohne jede Einschränkung, ohne Gesetzesvorbehalt. Einige Verfassungsjuristen vermuteten, dass dieser Artikel weitreichende Wirkungen auslösen würde. "Wenn das sofort gilt, dann können wir unser BGB in die Tonne kloppen", raunte man unter den Familienrechtlern; im Familienrecht des BGB existierten die deutlichsten Beschränkungen der Frauenrechte.[15]

"Die eindeutige Formulierung von Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz - Männer und Frauen sind gleichberechtigt - stieß anfangs, auch bei den Frauen im Rat, auf eine Ablehnung, wie sie sich Elisabeth Selbert absolut nicht hatte vorstellen können. Für sie war klar: 'Wir müssen weitergehen als Weimar!' Weitergehen also als die den Frauen in der Weimarer Republik lediglich zugestandenen "gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten". [..] Elisabeth Selbert mobilisierte die Offentlichkeit. Unter den extrem schwierigen Bedingungen des kriegszerstörten und in Zonen aufgeteilten Deutschlands reiste sie 'wie ein Wanderprediger von Versammlung zu Versammlung und erzählte den Frauen, was für eine Art Ausnahmegesetz sie zu erwarten hätten'. Schließlich kamen waschkörbeweise Protestschreiben gegen jegliche Formulierung, die vieldeutige Auslegungen zu ließe. [..] Auf die Initiative von Elisabeth Selbert geht auch die Übergangsregelung in Artikel 177 Grundgesetz zurück, nach der alle dem Gleichheitsprinzip entgegenstehenden Gesetze bis Ende März 1953 angepaßt sein mußten. Damit sollte das während der Ratssitzungen immer wieder herbeidiskutierte "Rechtschaos" vermieden werden. Daß der erste deutsche Bundestag diese Frist tatenlos verstreichen ließ, beurteilte Elisabeth Selbert erstaunlicherweise mit Nachsicht. Als der Gesetzgeber schließlich die Gesetzesanpassung aufnahm, beobachtete sie allerdings 'mit Schmerz, wie manche versucht haben, das Rad der Geschichte zurückzudrehen'. [..][16]

  • 1953 - Die 1949 in der Landessatzung festgelegte Quote für weibliche Mitglieder im Bezirksauschuss stellte sich als unpraktikabel heraus. Der Frauenanteil ließ sich nicht so einfach steigern, konzentrierte sich auf einige wenige Kreisverbände. In anderen Kreisverbände verloren sogar an Frauenanteil. Die Quote in der Satzung wurde auf 15 % gesenkt, so dass fast alle Kreisverbände weibliche Mitglieder in den Bezirksauschuss entsenden konnten.[17]
  • 1959 - Das Godesberger Programm bekräftigte die rechtliche, soziale und wirtschaftliche Gleichstellung der Frauen: "Die Gleichberechtigung der Frau muß rechtlich, sozial und wirtschaftlich verwirklicht werden. Der Frau müssen die gleichen Möglichkeiten für Erziehung und Ausbildung, für Berufswahl, Berufsausübung und Entlohnung geboten werden wie dem Mann. Gleichberechtigung soll die Beachtung der psychologischen und biologischen Eigenarten der Frau nicht aufheben. Hausfrauenarbeit muß als Berufsarbeit anerkannt werden. Hausfrauen und Mütter bedürfen besonderer Hilfe. Mütter von vorschulpflichtigen und schulpflichtigen Kindern dürfen nicht genötigt sein, aus wirtschaftlichen Gründen einem Erwerb nachzugehen."[18]
  • 1965 - Laut Rechenschaftsbericht der SPD Schleswig-Holstein für die Jahre 1965/66 lag der Frauenanteil im Landesverband zur dieser Zeit bei 25% und damit nach Berlin und Hamburg an dritter Stelle. Rosa Wallbaum, Referentin für Frauenarbeit, analysierte:

"Wenn aber der Überschuss von 134.200 wahlberechtigten Frauen in Betracht gezogen wird, so erhebt sich die begründete Frage, warum die SPD, die seit ihrem Bestehen für eine Gesellschaftsordnung eingetreten ist, in der Frauen gleichberechtigt sind, nicht eigentlich eine "Frauenpartei" ist. Liegt es nur daran, daß auch heute noch die meisten Frauen eine Scheu besitzen, sich politisch zu engagieren, oder wurde bisher nicht verstanden, allen Staatsbürgern, auch den Frauen, bewußt zu machen, daß politisches Interesse und parteipolitische Betätigung zu den wichtigsten Aufgaben der Gesellschaft zählen?
Sicher wirkt sich auch hier die Vergangenheit negativ aus. Die Hoffnung muß auf die jüngere Generation gesetzt werden. Hier liegen die Ansatzpunkte für die Arbeit in den Frauengruppen, die nicht einem Selbstzweck dienen. Es ist festzustellen, daß viele jüngere Frauen der Partei beitreten, um im Ortsverein mitzuarbeiten, es aber ablehnen, sich ebenfalls in der Frauengruppe zu betätigen. In mehreren aktiven Ortsvereinen bestehen keine Frauengruppen, weil die Frauen in die allgemeine Arbeit des Ortsvereins integriert sind.
Das ist seit jeher das Ziel der Frauengruppenarbeit gewesen!
Es haben verschiedene Gründe zur Bildung besonderer Frauengruppen geführt und sicher haben einige auch heute noch Gültigkeit. Es gibt sowohl im familiären wie im gesellschaftlichen Bereich kaum Probleme, die ausschließlich Frauen betreffen, sondern lediglich Differenzierungen. Im allgemeinen gehen die Frauen auch an 'die Politik' anders heran als die Männer es seit Generationen zu tun gewohnt sind. Frauen sind eher bereit, im internen Kreis von Frauen ihre Meinung zu äußern. Hier erwerben sie die Sicherheit, sich auch in einer Versammlung des Ortsvereins an der Diskussion zu beteiligen.
Wenn wir heute, wie vor 60 Jahren, für den Bestand der Frauengruppen eintreten, wenn wir sie pflegen und nach Bedarf neue gründen, dann geschieht es in der Überzeugung, daß auch heute noch viele weibliche Parteimitglieder die Unterstützung durch die Frauengruppen brauchen.
Wie auch immer sich die Frauen künftig politisch entscheiden und engagieren, wird von der Umwelt - sprich: Männer, beeinflußt werden. Es ist leider nicht so, daß alle Frauen sich der Gleichberechtigung voll bewußt sind. In der SPD sind Männer und Frauen gleichermaßen verpflichtet, vorbildlich zu handeln und aufklärend zu wirken."[19]

Anni Trapp
  • 1969 - Anny Trapp wurde Kreispräsidentin im Kreis Eutin - die einzige Frau und die einzige Sozialdemokratin in Schleswig-Holstein zu dieser Zeit.
Ida Hinz
Annemarie Renger
  • 1972 - Annemarie Renger wurde erste weibliche Bundestagspräsidentin - sie war bis 1969 über die schleswig-holsteinische Landesliste in den Bundestag eingezogen. Im selben Jahr wurde die Gründung der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) auf Bundesebene beschlossen.[22]
  • 1973 - 1. AsF-Bundeskonferenz[23]
  • 1974 - Die SPD-Bundesregierung schafft für Mütter und Väter einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung für 5 Arbeitstage im Jahr zur Betreuung eines Kindes unter 8 Jahren.
  • Die SPD-geführte Bundesregierung reformiert den Abtreibungsparagraphen 218 und führt eine Fristenregelung ein. Diese verwirft verwirft das Bundesverfassungsgericht 1975 nach einer Verfassungsbeschwerde der CDU. 1976 tritt das neue Recht in geänderter Form in Kraft.
  • 1976 - Die SPD-geführte Bundesregierung führt ein neues Ehe- und Namensrecht ein: Bei Scheidungen musste es keinen Schuldigen mehr geben. Stattdessen galt das Zerrüttungsprinzip. Es wurde einfach das Scheitern der Ehe festgestellt. Außerdem musste bei der Eheschließung die Frau nicht mehr den Nachnamen des Mannes annehmen. Stattdessen kam auch der Nachname der Frau oder ein Doppelname in Frage.
  • 1977 - Die SPD-Bundesregierung schafft das Leitbild der Hausfrauenehe ab. Von nun an, tragen beide Partner die Verantwortung für Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit.
  • 1979 - Die SPD stellte mit Annemarie Renger um ersten Mal in der deutschen Geschichte eine weibliche Kandidatin für das höchste Staatsamt auf. Zum Bundespräsidenten gewählt wurde ihr Mitbewerber Karl Carstens (CDU).
  • 1981 - Der Landesparteitag 1981, Bad Segeberg beschloss Politische Leitsätze zur Gleichstellung von Männern und Frauen.
  • 1983 - Björn Engholm präsentierte zur Landtagswahl 1983 ein Team aus vier Männern und vier Frauen. Die Frauen sind unter anderem Ursula Engelen-Kefer und die Journalistin Sophie Behr[24]. Lianne Paulina-Mürl übernahm als erste Frau den stellvertretenden Landesvorsitz.
  • 1984 - Auf Initiative von Lianne Paulina-Mürl wurde das SPD-Frauenbüro Schleswig-Holstein eingerichtet, weil die CDU-Regierung keine Notwendigkeit für eine Frauenministerin oder auch nur Frauenbeauftragte sah.
  • Zur Europawahl 1984 wird mit Katharina Focke das erste Mal eine Frau Spitzenkandidatin.[25]
  • 1985 - Die SPD Schleswig-Holstein beschloss die Geschlechterquote.
  • 1988 - Nach 38 Jahren Opposition wurde die SPD wieder zur Regierungspartei gewählt. Ministerpräsident Björn Engholm quotierte sein Kabinett. Vier Ministerien wurden - damals bundesweit einmalig - von Frauen geführt. Neu war auch das Frauenministerium, das Gisela Böhrk übernahm, weil Lianne Paulina-Mürl Landtagspräsidentin wurde.[26] In seiner Regierungserklärung sagte Björn Engholm: "Die Gleichstellung der Frauen ist kein politisches Entgegenkommen der Politik an die Frauen, sondern eine historisch überfällige Selbstverständlichkeit." Auf Bundesebene wurde Herta Däubler-Gmelin als erste Frau stellvertretende Parteivorsitzende.
  • 1989 - Das Berliner Programm war das erste Grundsatzprogramm der SPD, in dem der Gleichstellung ein ganzes Kapitel gewidmet war und das Thema nicht mit Familie, Kindern oder Jugendlichen verknüpft wurde: "Wir wollen eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleich, frei und solidarisch miteinander leben. Wir wollen eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer nach eigener Wahl in allen Bereichen der Gesellschaft wirken, ihnen nach Haus-, Familien- und Erwerbsarbeit Zeit und Kraft bleibt für Bildung, Kunst, Sport oder gesellschaftliches Engagement. Wir wollen eine Gesellschaft, die nicht mehr gespalten ist in Menschen mit angeblich weiblichen und angeblich männlichen Denk- und Verhaltensweisen, in der nicht mehr hochbewertete Erwerbsarbeit Männern zugeordnet, unterbewertete Haus- und Familienarbeit Frauen überlassen wird, in der nicht mehr eine Hälfte der Menschen dazu erzogen wird, über die andere zu dominieren, die andere dazu, sich unterzuordnen. Immer noch ist die herrschende Kultur männlich geprägt, ist das Verfassungsgebot der gesellschaftlichen Gleichheit von Mann und Frau nicht verwirklicht, sind Frauen stärker von Armut betroffen, werden Frauen in Ausbildung und Beruf benachteiligt, werden sie in Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst, in Politik und Medien zurückgesetzt, wird ihnen der private Bereich, Hausarbeit und Kindererziehung zugewiesen, wird die Rolle, die Frauen in der Geschichte spielten, unterschlagen oder verfälscht, werden Zeitabläufe und Organisationsformen von Erwerbsarbeit und ehrenamtlicher Tätigkeit durch männliche Bedürfnisse bestimmt, werden Frauen Opfer männlicher Gewalt, wird ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung mißachtet. Doch das Bewußtsein der Frauen ändert sich rasch. Schmerzhafter als die meisten Männer erfahren sie, daß beide, Frau und Mann, ständig einen Teil ihrer Wünsche, Möglichkeiten und Fähigkeiten unterdrücken. Viele Frauen gehen an gegen eine von Männern gestaltete Welt und gegen Männer, die diese erhalten wollen. Auch bei Männern wächst die Einsicht, daß die angeblich männliche Unterordnung von Gefühl und Phantasie unter Rationalität und Durchsetzungskraft sie ärmer oder gar krank macht. Unter der Spaltung zwischen männlicher und weiblicher Welt leiden beide, Frauen und Männer. Sie deformiert beide, entfremdet beide einander. Diese Spaltung wollen wir überwinden. Wir fangen bei uns selbst an. Der rechtlichen Gleichstellung muß die gesellschaftliche folgen. Dies bedeutet nicht die Integration der Frau in eine Männerwelt, sondern die Umgestaltung der Gesellschaft. Erziehung soll junge Menschen auf diese Gesellschaft vorbereiten. Sie muß helfen, die Spaltung in eine männliche und eine weibliche Welt zu überwinden und die starren Rollenmuster zu durchbrechen, die diese Spaltung immer neu verfestigen. Wir müssen die Arbeit neu bewerten und anders verteilen. Wer nicht nur Erwerbsarbeit, sondern auch Haus-, Familien- und Eigenarbeit gerecht verteilen will, muß vorrangig die tägliche Arbeitszeit verkürzen. Wir erstreben als Regel zunächst den sechsstündigen Arbeitstag in der Fünf-Tage-Woche, damit Frauen und Männer Erwerbsarbeit, Haus- und Familienarbeit, ehrenamtliche Tätigkeit und kulturelle Teilhabe besser miteinander verbinden können. Wir brauchen ein Gleichstellungsgesetz, ein Ende der Lohndiskriminierung, Förderpläne für Frauen im Beruf, Gleichstellung im Sozialversicherungs- und Beamtenrecht durch eigenständige Ansprüche und Hilfen für die Wiedereingliederung in den Beruf. Mutterschutz, Ausfallzeiten für Elternurlaub und Krankenpflege müssen über einen Familienlastenausgleich finanziert werden, damit nicht Sonderlasten für Einzelbetriebe zum Arbeitsplatzrisiko für Frauen werden. Öffentliche Finanzhilfen und Aufträge müssen davon abhängig gemacht werden, daß Gleichstellung verwirklicht ist. Kindertagesstätten und Ganztagsschulen gehören zu den Voraussetzungen dafür, daß Erwerbs- und Familienarbeit für Männer und Frauen vereinbar werden. Neue Wohnformen, dezentrale soziale Dienste für Kinder und Alte, Kranke und Behinderte sollen helfen, Familienarbeit aus ihrer Isolierung zu lösen. Bei ehrenamtlichen Tätigkeiten in Parteien, Gewerkschaften, Vereinen und Verbänden, als Laienrichterinnen, Aufsichtsratsmitglieder oder Elternvertreterinnen müssen Frauen die gleichen Beteiligungsmöglichkeiten haben wie Männer. In allen Gremien sollen Frauen und Männer je zur Hälfte vertreten sein; wo Überzeugungsarbeit dies nicht erreicht, sind gesetzliche Vorschriften nötig. Zur Gleichstellung in der Politik kann es notwendig werden. Wahlsysteme in Bund, Ländern und Gemeinden zu ändern. Die Zukunft verlangt von uns allen, Frauen und Männern, vieles, was lange als weiblich galt; wir müssen uns in andere einfühlen, auf sie eingehen, unerwartete Schwierigkeiten mit Phantasie meistern, vor allem aber partnerschaftlich mit anderen arbeiten. Wer die menschliche Gesellschaft will, muß die männliche überwinden."
  • 1990 - Im Rechenschaftsbericht hieß es: "Erfreulich ist, daß der Anteil der Frauen an der Mitgliedschaft weiter gesteigert werden konnte. Betrug der Frauenanteil zum 01.01.1988 30,68 Prozent (absolut: 11 627), stieg er auf 31,21 Prozent zum 01.01.1989 (absolut: 12 038) und beträgt nunmehr zum 01.01.1991 32,33 Prozent (absolut: 12 541)."[27]
Heide Simonis

Fotos

Literatur

Quelle

  1. Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Ein geschichtlicher Überblick (Kiel o. J. [1963])
  2. Döll-Krämer, Inge / Krämer, Gerd / Vesper, Ingrid: "Sozialdemokratische Frauens- und Vertrauenspersonen in Altona vor 1914, Demokratische Geschichte, Band 7
  3. Notz, Gisela: Die Sozialdemokratie und das Recht der Frauen auf Erwerb in: Lunapark21 – Heft 23; online: 20. September 2013
  4. Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983)
  5. Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983)
  6. Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983)
  7. Schultheiß, Nicole: "Geht nicht gibt's nicht ..." 24 Portraits herausragender Frauen aus der Kieler Stadtgeschichte; Kiel 2007
  8. Brecour, Wilhelm: Die Sozialdemokratische Partei in Kiel. Ihre geschichtliche Entwicklung (Kiel o. J. [1932]) (Neudruck in Zur Geschichte der Kieler Arbeiterbewegung, Kiel 1983)
  9. SPD-Ortsverein Elmshorn: 120 Jahre SPD Elmshorn. Eine Chronik (Elmshorn 1983)
  10. Schultheiß, Nicole: "Geht nicht gibt's nicht ..." 24 Portraits herausragender Frauen aus der Kieler Stadtgeschichte; Kiel 2007
  11. SPD-Ortsverein Elmshorn: 120 Jahre SPD Elmshorn. Eine Chronik (Elmshorn 1983)
  12. Protokoll des Parteitags
  13. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), Bd. 1, S. 192
  14. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), Bd. 1, S. 192
  15. Wettig-Danielmeier, Inge: Vor 40 Jahren: Eva Rühmkorf wird Deutschlands erste Gleichstellungsbeauftragte, 1. Januar 2019
  16. Dertinger, Antje: Leitbild der neuen Frauenbewegung - Zum 100. Geburtstag und zum zehnten Todestag von Elisabeth Selbert; in: informationen für die frau 6/96, S. 10 f
  17. Martens, Holger: SPD in Schleswig-Holstein 1945-1959 (Malente 1998), Bd. 1, S. 192
  18. Godesberger Programm, beschlossen vom Außerordentlichen Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Bad Godesberg vom 13. bis 15. November 1959
  19. Rechenschaftsbericht 1965-1966
  20. Rechenschaftsbericht 1969-1971
  21. Faerber-Husemann, Renate: Von August Bebel bis heute: Die SPD ist die Partei der Frauenrechte, 17.12.2018
  22. Wettig-Danielmeier, Inge: Vor 40 Jahren: Eva Rühmkorf wird Deutschlands erste Gleichstellungsbeauftragte, 1.1.2019
  23. Wettig-Danielmeier, Inge: Vor 40 Jahren: Eva Rühmkorf wird Deutschlands erste Gleichstellungsbeauftragte, 1.1.2019
  24. DER SPIEGEL 10/1983: Quer zum Kurs
  25. Grunenberg, Nina: Die Dame ist fürs Feuer in: DIE ZEIT 28/1983
  26. Engholms Viererbande In: DIE ZEIT, 20.5.1988
  27. SPD Schleswig-Holstein - Rechenschaftsbericht 1989-1990