Jusos Kiel: Unterschied zwischen den Versionen
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Die Kieler Jusos | |||
Die Kieler Jusos hatten über viele Jahre keine Vorsitzenden, sondern arbeiteten mit einem gleichberechtigtem Vorstandskollektiv, dessen Mitglieder aus ihrer Mitte eine Kreisgeschäftsführerin oder einen Kreisgeschäftsführer wählten. Dieselbe Regelung gilt immer noch für die örtliche Juso-Hochschulgruppe. Bei der Jahreshauptversammlung der Jusos Kiel am [[11. Juni]] [[2022]] wurde das Kollektiv zugunsten einer Gliederung in Vorsitz und weitere Vorstandsmitglieder aufgegeben. | |||
Die erste Jahreshauptversammlung unter Pandemie-Beschränkungen fand am [[5. Juni]] [[2021]] online auf Zoom statt. Die Abstimmungen wurden mit votesUP durchgeführt. Zur trotz allem notwendigen Urnenwahl für den Juso-Kreisvorstand wurden die Delegierten am [[6. Juni]] ins [[Walter-Damm-Haus]] gebeten, um ihre Stimmen unter Einhaltung aller juristischen und Hygieneregeln persönlich abzugeben. | Die erste Jahreshauptversammlung unter Pandemie-Beschränkungen fand am [[5. Juni]] [[2021]] online auf Zoom statt. Die Abstimmungen wurden mit votesUP durchgeführt. Zur trotz allem notwendigen Urnenwahl für den Juso-Kreisvorstand wurden die Delegierten am [[6. Juni]] ins [[Walter-Damm-Haus]] gebeten, um ihre Stimmen unter Einhaltung aller juristischen und Hygieneregeln persönlich abzugeben. | ||
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In Kiel ist die einzige Juso-Ebene zur Zeit die Kreisebene. Die Wahl des [[Jusos Kiel - Kreisvorstände|Juso-Kreisvorstandes]] findet stets als Vollversammlung statt. | In Kiel ist die einzige Juso-Ebene zur Zeit die Kreisebene. Die Wahl des [[Jusos Kiel - Kreisvorstände|Juso-Kreisvorstandes]] findet stets als Vollversammlung statt. | ||
Zeitweilig gab es vom Vorstand eingesetzte Arbeitskreise zu verschiedenen Themen, so z.B. [[1994]] "Soziales", [[2012]] "Bildung" und "Aktiv gegen Rechts", [[2015]] "Geflüchtete". Zwischen der Leitung des "AK Soziales" und dem [[Kreisverband Kiel - Vorstände|Kreisvorstand]] | Zeitweilig gab es vom Vorstand eingesetzte Arbeitskreise zu verschiedenen Themen, so z.B. [[1994]] "Soziales", [[2012]] "Bildung" und "Aktiv gegen Rechts", [[2015]] "Geflüchtete". Zwischen der Leitung des "AK Soziales" und dem [[Kreisverband Kiel - Vorstände|Kreisvorstand]] kam es einmal zu einer Kontroverse über die Arbeitsweise und die Einladung von Gästen - der AK musste auf Weisung des Kreisvorstandes den Referenten [[Thomas Westphal]] wieder ausladen. | ||
Untergliederungen in den Ortsvereinen gibt es nicht. Versuche einzelner Gruppen, diese einzurichten, wurden zumindest in den letzten Jahrzehnten stets verhindert. | Untergliederungen in den Ortsvereinen gibt es nicht. Versuche einzelner Gruppen, diese einzurichten, wurden zumindest in den letzten Jahrzehnten stets verhindert. | ||
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Mitte der 1990er Jahre versuchten Zugezogene, die sich der Strömung der Juso-Linken (Stamokap) zuordneten, Juso-Ortsgruppen in [[Ortsverein Gaarden|Gaarden]] und [[Ortsverein Elmschenhagen/Kroog|Elmschenhagen]] einzurichten, allerdings ohne Erfolg. | Mitte der 1990er Jahre versuchten Zugezogene, die sich der Strömung der Juso-Linken (Stamokap) zuordneten, Juso-Ortsgruppen in [[Ortsverein Gaarden|Gaarden]] und [[Ortsverein Elmschenhagen/Kroog|Elmschenhagen]] einzurichten, allerdings ohne Erfolg. | ||
In den 1970ern, als die Mitgliederzahlen am höchsten waren, gab es in einzelnen Ortsvereinen durchaus Juso-Gruppen , so z.B. in [[Ortsverein Holtenau|Holtenau]]<ref>''Juso-Ortsgruppe Holtenau gegründet'', ''Kieler Nachrichten'', 17.12.1970</ref> oder [[Ortsverein Pries-Friedrichsort|Friedrichsort]]<ref>Mitteilung des Genossen [[Heino Scharunge]], der dort aktiv war.</ref>. | In den 1970ern, als die Mitgliederzahlen am höchsten waren, gab es in einzelnen Ortsvereinen durchaus Juso-Gruppen, so z.B. in [[Ortsverein Holtenau|Holtenau]]<ref>''Juso-Ortsgruppe Holtenau gegründet'', ''Kieler Nachrichten'', 17.12.1970</ref> oder [[Ortsverein Pries-Friedrichsort|Friedrichsort]]<ref>Mitteilung des Genossen [[Heino Scharunge]], der dort aktiv war.</ref>. | ||
Auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit gründeten sich sofort wieder Juso-Gruppen aus einzelnen Ortsvereinen, etwa beim [[Ortsverein Kiel-Süd]] die Juso-Gruppe ''[[Wilhelm Spiegel]]''.<ref> | Auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit gründeten sich sofort wieder Juso-Gruppen aus einzelnen Ortsvereinen, etwa beim [[Ortsverein Kiel-Süd]] die Juso-Gruppe ''[[Wilhelm Spiegel]]''.<ref>So der Genosse [[Karl Molkenthien]], der dort aktiv war, in einem Filminterview mit [[Birgit Hansen]] und [[John Sanger]] aus den 1990er Jahren.</ref> | ||
===Schulen=== | ===Schulen=== | ||
Ab [[1970]] gab es eine kreisweite "Projektgruppe Schule", die bis Ende der 70er Jahre kontinuierlich aktiv war und jeweils eine/n Leiter/in wählte, der oder die auch die presserechtliche Verantwortung trug. Zu diesen zählten u.a. [[Thomas Göbell]], [[Helmut Färber]], [[Jürgen Weber]] und [[Christiane Ulke]]. In den Jahren von [[1972]] bis [[1974]] bildete die "PG Schule" der Jusos eine Fraktion in dem von den "Roten Zellen" dominierten Kieler Stadtschülerrat - einer selbstorganisierten Schülervertretung der Kieler Gymnasien und Beruflichen Schulen. Vorstandsmitglied des Stadtschülerrates war in den Jahren der Jungsozialist [[Carsten Schlüter]]. [[1972]] wurde [[Thomas Göbell]] zum Landesschulsprecher der Gymnasien gewählt. Da sich die Landesschülervertretung zu einem Serviceunternehmen mit wirtschaftlichen Risiken entwickelte (eigene Druckerei etc), kam es zu Konflikten mit den Kieler Jusos, die die Entpolitisierung der LSV kritisierten. | |||
[[1975]] ist eine "Basisgruppe" am Ernst-Barlach-Gymnasium belegt, vermutlich gab es auch an weiteren Schulen entsprechende Gruppen. | |||
Für [[1975]] ist eine "Basisgruppe" am Ernst-Barlach-Gymnasium belegt, vermutlich gab es auch an weiteren Schulen entsprechende Gruppen. | |||
Am [[26. August]] [[1982]] wurde gemeldet: | |||
<blockquote>"Die Kieler Jungsozialisten starten einen Schülerclub (ab 14 Jahren), der sich künftig montags ab 14 Uhr in der Harmsstraße 19-21 trifft. Neben Diskussionen über Themen wie Schule, Frieden oder Umwelt sind Videofilme geplant. Außerdem soll an der Juso-Schülerzeitung mitgearbeitet werden."<ref>or: ''Neu:Juso-Schülerclub'', ''Kieler Nachrichten'', 26.8.1982, S. 18</ref></blockquote> | |||
Wie sich das Projekt weiter entwickelte, ist bisher nicht ermittelt. Vielleicht war die stadtweite Schülergruppe, die sich in den 1990ern mit bildungspolitischen Themen befasste und auch die Zeitung ''[[Sozialdemokratische Zeitungen|Taschenkrebs]]'' herausgab, ein Teil oder eine Fortentwicklung des Schülerclubs. Leiter war u.a. [[Jörn Warnecke]]. | |||
===Hochschulen=== | ===Hochschulen=== | ||
[[Datei:Plakat der Juso-HSG Kiel zur Stupa-Wahl 2018.JPG| | [[Datei:Plakat der Juso-HSG Kiel zur Stupa-Wahl 2018.JPG|250px|thumb|left|Der Text nimmt Bezug auf ein Zitat des AfD-Politikers Meuthen]] | ||
An der Uni Kiel existiert seit den 1970er Jahren eine [[Juso-Hochschulgruppen|Juso-Hochschulgruppe (HSG)]]. Die Hochschulgruppen sind rechtliche Mischwesen, | An der Uni Kiel existiert seit den 1970er Jahren eine [[Juso-Hochschulgruppen|Juso-Hochschulgruppe (HSG)]]. Am [[26. Oktober]] [[2024]] begeht sie ihr [https://www.jusos-sh.de/termin/50-jahre-hochschulgruppe-kiel/ 50-jähriges Bestehen] mit einer Jubiläumsfeier im [[Norbert Gansel|Norbert-Gansel-Hörsaal]] der Universität. | ||
Die Hochschulgruppen sind rechtliche Mischwesen, zum einen an der Hochschule anerkannte HSGen, zum anderen Projektgruppen der Juso-Landesverbände. Das Verhältnis zwischen HSG und KV wechselte öfter in allen Bereichen, von sehr eng bis stark angespannt. [[2009]] und [[2010]] existierte an der Fachhochschule Kiel eine Juso-HSG mit dem Namen Förde-Jusos, die stark durch den [[Kreisverband Kiel]] unterstützt wurde. | |||
[[1945]]/[[1946|46]] gründeten [[Jochen Steffen]] und sein ehemaliger Mitschüler [[Hans-Gottfried Schadow]] den Kieler Zweig des damals noch SPD-nahen [[Sozialistischer Deutscher Studentenbund (SDS)|Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS)]]. | [[1945]]/[[1946|46]] gründeten [[Jochen Steffen]] und sein ehemaliger Mitschüler [[Hans-Gottfried Schadow]] den Kieler Zweig des damals noch SPD-nahen [[Sozialistischer Deutscher Studentenbund (SDS)|Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS)]]. | ||
Bereits vor 1933 hatte es an der Kieler Universität eine ''[[Verband sozialistischer Studenten/Sozialistische Studentenschaft Deutschlands|Sozialdemokratische Studentenorganisation]]'' gegeben, deren letzter Vorsitzender der Ökonomie-Student [[Hermann Christian Hillmann]] war.<ref>[https://www.uni-kiel.de/de/universitaet/profil/geschichte-der-universitaet/ns-aufarbeitung/vertriebene-gelehrte Biografien vertriebener Gelehrter der Uni Kiel]</ref> | |||
==Presse== | ==Presse== | ||
Die Kieler Jusos geben seit mehr als 40 Jahren ihre Zeitschrift ''[[Rotkielchen]]'' heraus. Zur Zeit erscheint sie zweimal jährlich. In den Heften kritisieren die Redakteure auch regelmäßig die eigene Partei. | Die Kieler Jusos geben seit mehr als 40 Jahren ihre Zeitschrift ''[[Rotkielchen]]'' heraus. Zur Zeit erscheint sie zweimal jährlich. In den Heften kritisieren die Redakteure auch regelmäßig die eigene Partei. | ||
Früher gab es für verbandsinterne Informationen das Heft ''[[Sozialdemokratische Zeitungen|Rote Grütze]]''.<ref>Rotkielchen 42/2, S. 4</ref> In der Universitätsbibliothek Kiel ist eine Veröffentlichung ''[[Sozialdemokratische Zeitungen|Information]]'' für die Jahre [[1964]]-[[1966|66]] vorhanden sowie für [[1969]]-[[1970|70]] das ''[[Sozialdemokratische Zeitungen|Werkblatt]]''. | Früher gab es für verbandsinterne Informationen das Heft ''[[Sozialdemokratische Zeitungen|Rote Grütze]]''.<ref>''Rotkielchen'' 42/2, S. 4</ref> In der Universitätsbibliothek Kiel ist eine Veröffentlichung ''[[Sozialdemokratische Zeitungen|Information]]'' für die Jahre [[1964]]-[[1966|66]] vorhanden sowie für [[1969]]-[[1970|70]] das ''[[Sozialdemokratische Zeitungen|Werkblatt]]''. | ||
In den 1990er Jahren | In den 1990er Jahren wurde zudem der ''[[Sozialdemokratische Zeitungen|Taschenkrebs]]'' an Schüler*innen abgegeben. | ||
==Geschichte== | ==Geschichte== | ||
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===Kaiserreich=== | ===Kaiserreich=== | ||
Hervorgegangen war die Jugendbewegung aus Lehrlingsvereinen, die ab [[1904]] im ganzen Kaiserreich entstanden. Im Frühjahr [[1907]] gründete sich in Kiel der erste Arbeiterjugendverein, der wegen des strengen preußischen Vereinsgesetzes freilich offiziell unpolitisch sein musste und den Namen [[Freie Jugendorganisation an der Kieler Förde]] trug.<ref>Eine Sekundärquelle nennt 1905 als Gründungsjahr. Die genaue Darstellung bei Osterroth, S. 51, spricht aber für 1907.</ref> Bestand | Hervorgegangen war die Jugendbewegung aus Lehrlingsvereinen, die ab [[1904]] im ganzen Kaiserreich entstanden. Im Frühjahr [[1907]] gründete sich in Kiel der erste Arbeiterjugendverein, der wegen des strengen preußischen Vereinsgesetzes freilich offiziell unpolitisch sein musste und den Namen [[Freie Jugendorganisation an der Kieler Förde]] trug.<ref>Eine Sekundärquelle nennt 1905 als Gründungsjahr. Die genaue Darstellung bei Osterroth, S. 51, spricht aber für 1907. März 1907 sagt auch das ''[[Hamburger Echo]]'' vom 20.8.1907 </ref> Bestand sie anfangs nur aus sieben Mitgliedern, wuchs die Zahl bald auf 170. Es fanden monatlich Mitgliederversammlungen mit aufklärenden Vorträgen statt, in den Wintermonaten zusätzlich Unterhaltungsabende. Weihnachten [[1910]] wurde das Jugendheim in Gaarden eingeweiht.<ref>Osterroth, Franz: ''100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein'', S. 51 f.</ref> | ||
[[1912]] gründeten [[August Rathmann]], [[Andreas Gayk]] und andere zur Umgehung des Verbots der Mitgliedschaft von Jugendlichen in politischen Vereinen den unverfänglich benannten [[Arbeitersport in Kiel|"Kieler Turn- und Wanderclub von 1912"]]. Er übernahm, als die "Freie Turnerschaft an der Kieler Förde" tatsächlich für "politisch" erklärt wurde, deren Kinder- und Jugendabteilungen.<ref>August | Über die Jugendorganisation gab es immer wieder Diskussionen in der Partei. Manche sahen den Sinn eher in einer selbstständigen Betätigung der Jugend. Auf dem [[Provinzialparteitag 1908, Kiel|Provinzialparteitag]] von [[1908]] meinte [[Carl Legien]] jedoch, dass "nur gereifte Männer, nicht junge, gerade erst der Schule entwachsene Leute" die Jugend erziehen könnten. Daher komme eine Mitgliedschaft auch nur als "Durchgangsstation" bis zum 18. Geburtstag in Betracht, danach müssten sie "in den politischen Organisationen weiter diszipliniert und geschult" werden. Es sei ausgeschlossen, dass die Jugendorganisation ihre Aufgabe zu lösen vermöge. Daher wolle der Gewerkschaftskongress "keine selbstständige Jugendorganisation, sondern eine Organisation zur Erziehung der Jugend!" Zuvor hatte die Generalversammlung für den 7. Reichstagswahlkreis den Ausbau einer selbstständigen Jugendorganisation beschlossen. [[Hermann Molkenbuhr]] fragte, wozu eine Teilung in eine Partei der Alten und eine Partei der Jungen nötig sei, wenn man doch Ideale habe. Alle Genossinnen und Genossen seien gleichberechtigt.<ref>Bericht vom [[Provinzialparteitag 1908, Kiel|Provinzialparteitag]] in Kiel, ''[[Hamburger Echo]]'', 1.9.1908</ref> | ||
[[1912]] gründeten [[August Rathmann]], [[Andreas Gayk]] und andere zur Umgehung des Verbots der Mitgliedschaft von Jugendlichen in politischen Vereinen den unverfänglich benannten [[Arbeitersport in Kiel|"Kieler Turn- und Wanderclub von 1912"]]. Er übernahm, als die "Freie Turnerschaft an der Kieler Förde" tatsächlich für "politisch" erklärt wurde, deren Kinder- und Jugendabteilungen.<ref>Rathmann, August: ''Ein Arbeiterleben. Erinnerungen an Weimar und danach'' (Wuppertal 1983), S. 13</ref> Unklar ist, ob mit der Neugründung die Auflösung der "Freien Jugendorganisation an der Kieler Förde" verbunden war. | |||
Ein Aktiver dieser Zeit war [[Oskar Kaiser]], später Vorsitzender der Baugenossenschaft Kronsburg. Er trat mit 16 Jahren in den Metallarbeiterverband, mit 18 in die SPD ein und gehörte [[1918]] dem Soldatenrat an. [[1927]] fuhr er, obgleich weiter SPD-Mitglied, mit einer Delegation in die Sowjetunion.<ref>''Norddeutsche Zeitung'' (KPD), 22.10.1927</ref> | |||
===Weimarer Republik=== | ===Weimarer Republik=== | ||
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Nach der [[Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand|Novemberrevolution]] bildeten sich an vielen Orten Gruppen von Jungsozialisten, die [[1920]] in die Parteiorganisation eingegliedert wurden. In ihnen hatten SPD-Mitglieder, aber auch Nichtmitglieder, im Alter von 18 (seit [[1927]]: 20) bis 25 Jahren die Möglichkeit, aktiv zu werden. | Nach der [[Kieler Arbeiter- und Matrosenaufstand|Novemberrevolution]] bildeten sich an vielen Orten Gruppen von Jungsozialisten, die [[1920]] in die Parteiorganisation eingegliedert wurden. In ihnen hatten SPD-Mitglieder, aber auch Nichtmitglieder, im Alter von 18 (seit [[1927]]: 20) bis 25 Jahren die Möglichkeit, aktiv zu werden. | ||
Das Selbstverständnis dieser Gruppen wird deutlich an den durch die Jugendbewegung beeinflussten Leitsätzen einer Tagung in Kiel am Neujahrstag [[1921]]: | Das Selbstverständnis dieser Gruppen wird deutlich an den durch die Jugendbewegung beeinflussten Leitsätzen einer Tagung in Kiel am Neujahrstag [[1921]]: | ||
<blockquote>"Die den Arbeiterjugendvereinen entwachsenen Parteigenossen können ihrer ganzen seelischen Einstellung nach nicht ohne weiteres den Schritt zur allgemeinen Arbeiterbewegung machen, denn diese ist [...] so einseitig verstandesmäßig und materialistisch gerichtet, daß sie die in der Jugend vorhandenen irrationalen Regungen nicht befriedigen kann."<ref>Jacobsen, Jens-Christian: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay17.pdf "Der Stolz der Gesamtpartei"? Die SPD Schleswig-Holsteins 1918-1933]'', ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 233 f.</ref></blockquote> | |||
<blockquote>"Die Kieler Jungsozialisten galten in der Auseinandersetzung zwischen 'rechten Hofgeismarern' und marxistischen 'linken Hannoveranern' als Stützpunkt der [[Hofgeismarer Kreis (Jungsozialisten)|Hofgeismarer]]. Der Kieler [[August Rathmann]] gehörte dem informellen Vorstand an und gab das Organ ''Schriften zur Zeit'' heraus. [[Hermann Heller]], der eigentliche Theoretiker des Kreises, hatte bis [[1921]] in Kiel Staatsrecht gelehrt. Den Hofgeismarern nahestehend war auch der Kieler Rechtsprofessor [[Gustav Radbruch]], der sich intensiv um die Bildung der Arbeiterjugend bemühte.<br> | |||
Bei vielen ältere Genossen, die Neuerungen - ob von links oder rechts - skeptisch gegenüberstanden, gab es eine abwartende Haltung. Dies mag auch durch den z.T. polemisch vorgetragenen Erneuerungsanspruch und durch den 'jugendbewegten' Lebensstil der 'jungen Generation' [...] bedingt gewesen sein. Immerhin konnte sich bei der Wahl des Kieler Parteisekretärs [[1928]] mit [[Ernst Tessloff]] der Kandidat der 'jüngeren Generation' durchsetzen. Für eine gewisse Offenheit der Parteiführung spricht, dass Dr. [[Gustav Warburg]], ein profilierter Hofgeismarer, als Redakteur bei der ''[[Schleswig-Holsteinische Volkszeitung|Volkszeitung]]'' eingestellt wurde. Der aus den Kieler Jungsozialisten hervorgegangene [[Karl Meitmann]] wurde Unterbezirkssekretär."<ref>Jacobsen, Jens-Christian: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay17.pdf "Der Stolz der Gesamtpartei"? Die SPD Schleswig-Holsteins 1918-1933]'', ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 234</ref></blockquote> | |||
Der Anstoß zur Kinderfreundearbeit war in Schleswig-Holstein von den Kieler Jungsozialisten ausgegangen, die mit einem Volksfest die Kinder in den Mittelpunkt der Maifeier von [[1921]] stellten.<ref>Jacobsen, Jens-Christian: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_03/Demokratische_Geschichte_Band_03_Essay17.pdf "Der Stolz der Gesamtpartei"? Die SPD Schleswig-Holsteins 1918-1933]'', ''Demokratische Geschichte'' 3(1988), S. 236</ref> Von drei Gruppen im Jahr [[1922]] wuchs die Bewegung in Schleswig-Holstein auf 44 Gruppen mit 3000 Falken und 300 Helfern im Jahr 1931 an.<ref>Osterroth, Franz: ''100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein'', S. 85</ref> | |||
<blockquote>"Am [[24. November]] [[1926]] vereinten sich alle sozialistischen Jugendorganisationen Kiels zu einem 'Sozialistischen Jugendkartell', das eine gemeinsame Bildungsarbeit leistete, mit öffentlichen Versammlungen der Jugend hervortrat und im Rahmen der Gesamtbewegung der Sozialisten auch mit Aufmärschen und Fackelzügen den Demonstrationen den Schwung der Jugend gab. Bedeutend war der Einsatz des Jugendkartells zur Sammlung 'Ferien für Arbeiterkinder!' und der Aktion 'Alles für das Kind!'. <ref>Osterroth, Franz: ''100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein'', S. 83</ref></blockquote> | |||
"Am [[24. November]] [[1926]] vereinten sich alle sozialistischen Jugendorganisationen Kiels zu einem | |||
Die Jungsozialisten wurden [[1931]] durch die SPD aufgelöst. | Die Jungsozialisten wurden [[1931]] durch die SPD aufgelöst. | ||
Am [[17. Mai]] [[1933]] löste sich auch die [[Sozialistische Arbeiterjugend]] in Schleswig-Holstein durch einen Beschluss des Bezirksvorstandes auf. Man wollte so dem Verbot durch die Nazis zuvorkommen.<ref>Franz | Am [[17. Mai]] [[1933]] löste sich auch die [[Sozialistische Arbeiterjugend]] in Schleswig-Holstein, deren Vorsitzender in dieser Zeit [[Hans Schröder]] war, durch einen Beschluss des Bezirksvorstandes auf. Man wollte so dem Verbot durch die Nazis zuvorkommen.<ref>Osterroth, Franz: ''100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein'', S. 110 f.</ref> | ||
===Wiedergründung=== | ===Wiedergründung=== | ||
Landesweit erfolgte die Wieder- bzw. Neugründung der "Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten in der SPD" (JS) [[1946]]. In Anbetracht der Tatsache, dass die SPD Schleswig-Holstein wesentlich von Kielern geprägt war, kann eine etwa zeitgleiche Gründung in Kiel angenommen werden. Die Jusos etablierten sich als einziger Jugendverband innerhalb der SPD. In ihm organisieren sich | Landesweit erfolgte die Wieder- bzw. Neugründung der "Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten in der SPD" (JS) [[1946]]. In Anbetracht der Tatsache, dass die SPD Schleswig-Holstein wesentlich von Kielern geprägt war, kann eine etwa zeitgleiche Gründung in Kiel angenommen werden. Die Jusos etablierten sich als einziger Jugendverband innerhalb der SPD. In ihm organisieren sich Sozialdemokrat*innen vom 14. bis zum 30., heute 35. Lebensjahr. | ||
Parteinah, aber nicht zur Partei gehörend, sind die "[[Sozialistische Jugend Deutschlands - Die Falken|Falken]]", die aus SAJ und Kinderfreunden entstanden waren und sich ebenfalls nach der Nazizeit wiedergründeten. | Parteinah, aber nicht zur Partei gehörend, sind die "[[Sozialistische Jugend Deutschlands - Die Falken|Falken]]", die aus SAJ und Kinderfreunden entstanden waren und sich ebenfalls nach der Nazizeit wiedergründeten. | ||
Anfangs war die "Jugendarbeit" noch sehr eng an den SPD-Kreisvorstand angebunden. Der Wiedergründungsparteitag [[1945]] bestimmte den 33-jährigen [[Hermann Köster]] zum Leiter der Jugendarbeit. [[1948]] benennt das Protokoll [[Wolfgang Harder]] als "Leiter der Jüngerenarbeit", [[1949]] dann [[Jochen Steffen]], [[1950]] [[Inge Westphal]] und als Vertreter der [[Falken]] [[Hermann Thurow]] (bis [[1954]]). Ab [[1951]] werden dann "Vertreter der Jungsozialisten" gewählt, zuerst [[Gerd Richter]], ab [[1953]] [[Hans-Georg Ehmke]], ab [[1957]] (wieder als "Leiter der Jüngerenarbeit") [[Siegfried Weiße]], ab [[1959]] [[Ragnar Lethi]], ab [[1962]] sind die Protokolle unvollständig, [[1964]] werden [[Hans-Gert Klingemann]] und [[Axel Lüdersen]] aufgeführt, [[1966]] [[Herbert Schütt]] und [[Friedrich Büßen]]. Vertreter der Falken sind [[1955]]-[[1956|56]] [[Dieter Beth]], [[1957]]-[[1960|60]] [[Hans Wind]], [[1961]] [[Erich Freese]].<ref>Zusammensetzung der Vorstände bis 1949 nach: Arbeitskreis "Demokratische Geschichte" (Hrsg.): ''Wir sind das Bauvolk. Kiel 1945 bis 1950'' (Kiel 1985)</ref> | Anfangs war die "Jugendarbeit" noch sehr eng an den SPD-Kreisvorstand angebunden. Der Wiedergründungsparteitag [[1945]] bestimmte den 33-jährigen [[Hermann Köster]] zum Leiter der Jugendarbeit. [[1948]] benennt das Protokoll [[Wolfgang Harder]] als "Leiter der Jüngerenarbeit", [[1949]] dann [[Jochen Steffen]], [[1950]] [[Inge Westphal]] und als Vertreter der [[Falken]] [[Hermann Thurow]] (bis [[1954]]). Ab [[1951]] werden dann "Vertreter der Jungsozialisten" gewählt, zuerst [[Gerd Richter]], ab [[1953]] [[Hans-Georg Ehmke]], ab [[1957]] (wieder als "Leiter der Jüngerenarbeit") [[Siegfried Weiße]], ab [[1959]] [[Ragnar Lethi]], ab [[1962]] sind die Protokolle unvollständig, [[1964]] werden [[Hans-Gert Klingemann]] und [[Axel Lüdersen]] aufgeführt, [[1966]] [[Herbert Schütt]] und [[Fiete Büßen|Friedrich Büßen]]. Vertreter der Falken sind [[1955]]-[[1956|56]] [[Dieter Beth]], [[1957]]-[[1960|60]] [[Hans Wind]], [[1961]] [[Erich Freese]].<ref>Zusammensetzung der Vorstände bis 1949 nach: Arbeitskreis "Demokratische Geschichte" (Hrsg.): ''Wir sind das Bauvolk. Kiel 1945 bis 1950'' (Kiel 1985)</ref> | ||
===1960er & 1970er Jahre=== | ===1960er & 1970er Jahre=== | ||
[[Datei:Jusos-1mai-1970.jpg|200px|thumb|right|Maikundgebung der Jusos 1970]] | [[Datei:Jusos-1mai-1970.jpg|200px|thumb|right|Maikundgebung der Jusos 1970]] | ||
Auch schon in den 1960er Jahren waren die Jusos ein wesentlicher Faktor in den Wahlkämpfen. Damals wurden in einer Scheune am Sukoring im [[Ortsverein Suchsdorf]] die Plakate geklebt. Dann ging es mit Lieferwagen zum Aufhängen in das Stadtgebiet, wobei das Fahrzeugdach statt einer Leiter genutzt werden konnte. Die Fahrzeuge parkten im Hof des [[Walter-Damm-Haus|Walter-Damm-Hauses]]. Mit dabei waren u.a. [[Heinz Dammers]], [[Claus Möller]], [[ | Auch schon in den 1960er Jahren waren die Jusos ein wesentlicher Faktor in den Wahlkämpfen. Damals wurden in einer Scheune am Sukoring im [[Ortsverein Suchsdorf]] die Plakate geklebt. Dann ging es mit Lieferwagen zum Aufhängen in das Stadtgebiet, wobei das Fahrzeugdach statt einer Leiter genutzt werden konnte. Die Fahrzeuge parkten im Hof des [[Walter-Damm-Haus|Walter-Damm-Hauses]]. Mit dabei waren u.a. [[Heinz Dammers]], [[Claus Möller]], [[Fiete Büßen]]. | ||
In der Landeskonferenz [[1967]] unterlag der Kreisvorsitzende [[Herbert Schütt]] | In der Landeskonferenz [[1967]] unterlag der Kreisvorsitzende [[Herbert Schütt]] bei der Wahl zum Landesvorsitzenden gegen [[Eckart Kuhlwein]]. Mitglied im Landesvorstand wurde [[Norbert Gansel]]. Dieselbe Versammlung beschloss den Namenswechsel von "JS" zu "Jusos". | ||
Nach der Linkswende setzten die Jusos zunehmend auf Provokation und öffentlichkeitswirksame Aktionen, mit denen auf Missstände hingewiesen werden sollte, auch in Kiel. | Nach der Linkswende setzten die Jusos zunehmend auf Provokation und öffentlichkeitswirksame Aktionen, mit denen auf Missstände hingewiesen werden sollte, auch in Kiel. | ||
<blockquote>"Gegen den Mangel an 'Folgeeinrichtungen' in Neubaugebieten - vom Sportplatz bis zur Sandkiste - starteten Jusos in Kiel, Lübeck, Eutin und Pinneberg eine Aktion 'Kinder - lauft auf den Rasen'. Auf einem gelben Flugblatt des [[Jusos|Juso-Landesvorstandes]] hieß es: 'Spielt Fußball drauf und Verstecken hinter den Sträuchern.' Über den Neue-Heimat-Rasen des Kieler Neubau-Stadtteils Nettenhof [sic!] liefen Kinder mit roten Fahnen. Die "Neue Heimat" gab darauf die Rasenflächen ihrer Anlagen in ganz Schleswig-Holstein für Kinderspiele frei."<ref>''[http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43375898.html JUSOS / SPD: Sozusagen die Macht]'', DER SPIEGEL, 1.3.1971</ref></blockquote> | |||
: | [[Datei:Fotos_26033.jpg|250px|thumb|right|Play-In der Jusos in Mettenhof, 1970]] | ||
[[Datei:Fotos 21306.jpg|250px|thumb|left|Juso-Bundesvorsitzende [[Heidemarie Wieczorek-Zeul]] (2. v.r.) besucht das Wohnlager Solomit in Neumühlen-Dietrichsdorf, 1975. Links der Landesvorsitzende [[Richard Ebert]].]] | |||
Am [[29. September]] [[1971]] wurde die [[Initiative Kieler Wohnlager]] gegründet, die sich für die Auflösung der Kieler Obdachlosen- und Flüchtlingslager und die Unterbringung der Bewohner in normalen Wohnungen einsetzte. Gründungsmitglieder waren auch zahlreiche Jusos, die Versammlungsleitung übernahm [[Norbert Gansel]]. Weiter wird vermerkt: | |||
<blockquote>"Herr [[Genosse Köhler|Köhler]] von den Jungsozialisten Friedrichsort berichtete von der Arbeit mit den Jugendlichen im Grüffkamp. Dort würden zweimal wöchentlich Gruppenabende und Schularbeitenhilfen angeboten."<ref>Gründungsprotokoll, zit. in Uwe Carstens: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_08/Demokratische_Geschichte_Band_08_Essay10.pdf Die Initiative Kieler Wohnlager (IKW)]'', ''Demokratische Geschichte'' 8(1993), S. 328</ref></blockquote> | |||
Bevor die eigentliche Arbeit im Lager beginnen konnte, musste in sechsmonatiger Arbeit zunächst das Vertrauen der dort Lebenden gewonnen werden.<ref>[[Kniesz, Matthias]]: ''Obdachlose am Braunen Berg. Ein Projekt der Jungsozialisten in Kiel''. In: Mauersberger, Volker (Hrsg.): ''Wie links dürfen Jusos sein? Vom Bürgerschreck zur Bürgerinitiative'' (Reinbek 1974), S. ?</ref> | |||
[[ | <blockquote>"Vor und nach der Gründung der IKW arbeiteten eine Reihe von Gruppen in den Kieler Obdachlosenlagern. Im November [[1969]] war z.B. die Projektgruppe Brauner Berg (Grüffkamp 111) von Kieler Jungsozialisten gegründet worden. Die Jungsozialisten wollten mit einer Doppelstrategie die Lösung anstehender Probleme in dem Obdachlosenlager sowohl auf Verwaltungs- als auch auf politischer Ebene durch die Mobilisierung und Motivierung der Lagerbewohner herbeiführen."<ref>Carstens, Uwe: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_08/Demokratische_Geschichte_Band_08_Essay10.pdf Die Initiative Kieler Wohnlager (IKW)]'', ''Demokratische Geschichte'' 8(1993), S. 335 ff.</ref></blockquote> | ||
Weiter heißt es bei Carstens: | |||
<blockquote>"Die Arbeit der IKW hatte auf der politische Ebene zunehmend Erfolge zu verzeichnen. Ein Parteitag der Kieler SPD beschloß, alle Lager - bis auf eines - aufzulösen. Später verabschiedete die Ratsversammlung einen Kreisentwicklungsplan, der die Formulierung "Auflösung aller Kieler Lager" enthielt. [[1975]] waren bis auf die "Notunterkunft Solomit" in der Tat alle übrigen Lager aufgelöst."<ref>Carstens, Uwe: ''[http://www.beirat-fuer-geschichte.de/fileadmin/pdf/band_08/Demokratische_Geschichte_Band_08_Essay10.pdf Die Initiative Kieler Wohnlager (IKW)]'', ''Demokratische Geschichte'' 8(1993), S. 341</ref></blockquote> | |||
Auch in den renommierten Marie-Christian-Heimen in Kiel prangerten die Jusos einen unangemessenen Umgang mit den oft jugendlichen BewohnerInnen an.<ref>Burchardt, Rainer: ''[http://www.zeit.de/1974/02/vorwuerfe-gegen-mutter-obi/komplettansicht Pflegeheim in Kiel. Vorwürfe gegen Mutter Obi]'', DIE ZEIT, 4.1.1974</ref> | |||
Auch in den renommierten Marie-Christian-Heimen in Kiel prangerten die Jusos einen unangemessenen Umgang mit den oft jugendlichen BewohnerInnen an.<ref>Rainer | |||
Und auch die Kulturpolitik blieb nicht ungeschoren. Die Schauspielerin [[Rosemarie Kilian]] berichtet in ihren Erinnerungen: | Und auch die Kulturpolitik blieb nicht ungeschoren. Die Schauspielerin [[Rosemarie Kilian]] berichtet in ihren Erinnerungen: | ||
<blockquote>"Ein junger Mann, der zu den Jusos gehörte, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, in den Ortsvereinen der SPD seine - ich drücke es höflich aus - Bedenken gegen das Vorhandensein des Kieler Theaters anzumelden. Das richtete sich verstärkt gegen die Oper. Ich folgte ihm von Ortsverein zu Ortsverein und von Emotionen hingerissen ereiferte ich mich im Einsatz für unsere Bühnen."<ref>[[Rosemarie Kilian|Kilian, Rosemarie]]: ''Revolutionskind. Erinnerungen an Leben und Bühne 1919-1999'' (Berlin 2003), S. 293</ref></blockquote> | |||
[[Datei:Fotos 15345.jpg|180px|thumb|right|Norbert Gansel, 1972]] | [[Datei:Fotos 15345.jpg|180px|thumb|right|Norbert Gansel, 1972]] | ||
[[1972]] wurde der Kieler Jungsozialist [[Norbert Gansel]] mit 31 Jahren erstmals zum Bundestagsabgeordneten für Kiel gewählt. | [[1972]] wurde der Kieler Jungsozialist [[Norbert Gansel]] mit 31 Jahren erstmals zum Bundestagsabgeordneten für Kiel gewählt. | ||
In der hochpolitisierten Zeit der 1970er Jahre kam es auch zur Gründung von Juso-Gruppen an Schulen. So beschloss die Schulkonferenz des Ernst-Barlach-Gymnasiums am [[3. November]] [[1975]] "die Zulassung der Schüler-Union und einer Basisgruppe der Jungsozialisten nach Vorlage ihrer Satzungen. Beide Gruppen [dürfen] für sich an der Schule werben." <ref>Ursula | In der hochpolitisierten Zeit der 1970er Jahre kam es auch zur Gründung von Juso-Gruppen an Schulen. So beschloss die Schulkonferenz des Ernst-Barlach-Gymnasiums am [[3. November]] [[1975]] | ||
<blockquote>"die Zulassung der Schüler-Union und einer Basisgruppe der Jungsozialisten nach Vorlage ihrer Satzungen. Beide Gruppen [dürfen] für sich an der Schule werben." <ref>Oehring, Ursula: ''Ernst-Barlach-Gymnasium. Jahrbuch 2015/2016'', S. 6</ref></blockquote> | |||
<blockquote>"Flugblätter wurden im Sekretariat auf Matrizen der Vervielfältigungsmaschine [...] gedruckt und es wurde demonstriert - gegen Atomkraftwerke, für einen kommunistischen Lehrer."<ref>Seidel, Ute: ''Ernst-Barlach-Gymnasium. Jahrbuch 2015/2016'', S. 9</ref></blockquote> | |||
Dies widerlegt den damaligen Sprecher der Kieler Schüler-Union, der im SPIEGEL behauptete: <blockquote>"Jusos und Judos sind bei uns fast vollständig tot."<ref>''[http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41279927.html Jugend '76: "Lieber Gott, mach mich krumm"]'', DER SPIEGEL, 5.4.1976</ref></blockquote> | |||
[[Datei:Juso-Club Rotkielchen Juni Juli 74.jpg|220px|thumb|left|Werbung für den Juso-Club im ''Rotkielchen'', Ausgabe Juni/Juli '74]] | |||
[[1973]] mietete der Juso-Kreisverband die erste Etage des Hauses Sophienblatt 32 und eröffnete dort den "Juso-Club". Das Haus lag gegenüber dem Hauptbahnhof zentral in der Stadt (heute der südliche Teil des Sophienhofes). Da es zum Sanierungsgebiet Südliche Innenstadt gehörte und mittelfristig zum Abriß vorgesehen war, konnten die Jusos es günstig von der Stadt mieten. In der geräumigen Altbauetage waren Büroräume, eine Redaktionsraum für die Zeitung ''[[Rotkielchen]]'' und ein großér Versammlungs- und Partyraum vorhanden. Hier fanden von [[1973]] bis zum Abriss Anfang der 1980er Jahre die Mitgliederversammlungen der Jusos und viele öffentliche Veranstaltungen sowie die Sitzungen der Juso-Gremien statt. Zeitweise war der Juso-Club mehrmals in der Woche und am Wochenende als Treffpunkt geöffnet. | [[1973]] mietete der Juso-Kreisverband die erste Etage des Hauses Sophienblatt 32 und eröffnete dort den "Juso-Club". Das Haus lag gegenüber dem Hauptbahnhof zentral in der Stadt (heute der südliche Teil des Sophienhofes). Da es zum Sanierungsgebiet Südliche Innenstadt gehörte und mittelfristig zum Abriß vorgesehen war, konnten die Jusos es günstig von der Stadt mieten. In der geräumigen Altbauetage waren Büroräume, eine Redaktionsraum für die Zeitung ''[[Rotkielchen]]'' und ein großér Versammlungs- und Partyraum vorhanden. Hier fanden von [[1973]] bis zum Abriss Anfang der 1980er Jahre die Mitgliederversammlungen der Jusos und viele öffentliche Veranstaltungen sowie die Sitzungen der Juso-Gremien statt. Zeitweise war der Juso-Club mehrmals in der Woche und am Wochenende als Treffpunkt geöffnet. | ||
Neben dem wöchentlich tagenden Kreisvorstand gab es von Juli [[1972]] bis Ende [[1976]] einen "Kreisrat der Kieler Jusos". In diesen entsandten, analog dem [[Kreisverband Kiel - Kreisausschuss|Kreisausschuss]] auf Parteiebene, alle Stadtteilgruppen bzw. Projektgruppen ihre Vertreter. Das Gremium verstand sich auch als Kontrollinstanz der Vorstandsarbeit. In dem ersten Tätigkeitsbericht heißt es:" Zum Zeitpunkt seiner Tätigkeitsaufnahme (10.7.72) waren 9 Projektgruppen (Lehrlinge, Schüler, Theorie, Rotkielchen, Stadtsanierung, Umweltschutz, Olympia, Jugendpolitik und Jusoclub) sowie 5 Ortsbasisgruppen (West, E'hagen, Hassee, Gaarden/Ellerbek und Friedrichsort/Brauner Berg) im Kreisrat vertreten." <ref>''Bericht über die Tätigkeit des Kreisrats der Jusos vom Sommer 1972 bis Februar 1973. Privatarchiv [[Jürgen Weber]]''</ref> | Neben dem wöchentlich tagenden Kreisvorstand gab es von Juli [[1972]] bis Ende [[1976]] einen "Kreisrat der Kieler Jusos". In diesen entsandten, analog dem [[Kreisverband Kiel - Kreisausschuss|Kreisausschuss]] auf Parteiebene, alle Stadtteilgruppen bzw. Projektgruppen ihre Vertreter. Das Gremium verstand sich auch als Kontrollinstanz der Vorstandsarbeit. In dem ersten Tätigkeitsbericht heißt es: <blockquote>"Zum Zeitpunkt seiner Tätigkeitsaufnahme (10.7.72) waren 9 Projektgruppen (Lehrlinge, Schüler, Theorie, Rotkielchen, Stadtsanierung, Umweltschutz, Olympia, Jugendpolitik und Jusoclub) sowie 5 Ortsbasisgruppen (West, E'hagen, Hassee, Gaarden/Ellerbek und Friedrichsort/Brauner Berg) im Kreisrat vertreten." <ref>''Bericht über die Tätigkeit des Kreisrats der Jusos vom Sommer 1972 bis Februar 1973. Privatarchiv [[Jürgen Weber]]''</ref></blockquote> | ||
Ende [[1976]] löste sich der Kreisrat auf, da die Zahl der regelmäßig tagenden Gruppen für zu gering erachtet wurde. Vorsitzende des Kreisrates waren [[Harald Hagemann]] ([[1972]]/[[1973|73]]), [[Karlheinz Thimm]] ([[1973]]/[[1974|74]]) und [[Meike Wille]] ([[1974]]-[[1976|76]]) von der Juso-Gruppe Wik. Diese war zu der Zeit die einzige Stadtteilgruppe der Jusos. An regelmäßig agierenden Projektgruppen (PG) der Jusos gab es neben der "PG Schule" (s.o.) noch die Redaktion des ''[[Rotkielchen]]'', die "PG Club", die Veranstaltungen organisierte, die "PG Fachhochschule" und die "PG Wachstum", die sich an der Diskussion über einen neuen Wachstumsbegriff beteiligte. Ausgangspunkt der Arbeit war ein Seminar der Kieler Jusos mit [[Udo Simonis|Udo Ernst Simonis]]. Außerdem gab es bis Anfang der 80er Jahre eine "PG Ausländische Arbeitnehmer", die sich später formal aus dem Juso-Verband herauslöste und zum eigenständigen e.V. wurde, auch wenn weiterhin Jusos dort mitarbeiteten. Daneben gar es einige Projektgruppen, die nur unregelmäßig oder zeitlich begrenzt arbeiteten. Dazu zählte u.a. eine "PG Lehrlinge", die später in "PG Betriebsarbeit" umbenannt wurde. In diesem Bereich konnten die Jusos nur sehr sporadisch Aktive gewinnen. [[1975]] wurde eine "PG Bundeswehr" gegründet, die etwa zwei Jahre existierte und den Versuch unternahm, Wehrpflichtige anzusprechen. Dabei wurde an einem Konzeptpapier zur Friedens-, Sicherheits- und Militärpolitik gearbeitet. Ausgehend von Kiel wurde auch eine "Landesarbeitsgruppe FSM-Politik" der Jusos gegründet. | |||
=== | ===1980er & 1990er Jahre=== | ||
[[1993]] forderten die Kieler Jusos den Rücktritt von [[Willi Piecyk]] vom [[Landesvorsitzende/r|SPD-Landesvorsitz]] wegen seines schlechten Umgangs mit der [[Günter Jansen#Landesregierung|Schubladenaffäre]]. Dies führte zu intensiven Verstimmungen im Verhältnis zum [[Landesvorstand]] und auch zu Problemen in der gemeinsamen Nutzung des [[Walter-Damm-Haus|Walter-Damm-Hauses]]. | [[1993]] forderten die Kieler Jusos den Rücktritt von [[Willi Piecyk]] vom [[Landesvorsitzende/r|SPD-Landesvorsitz]] wegen seines schlechten Umgangs mit der [[Günter Jansen#Landesregierung|Schubladenaffäre]]. Dies führte zu intensiven Verstimmungen im Verhältnis zum [[Landesvorstand]] und auch zu Problemen in der gemeinsamen Nutzung des [[Walter-Damm-Haus|Walter-Damm-Hauses]]. | ||
Seit [[1994]] fanden wiederholt im Sommer Juso-Garten-Feten bei [[Janneke | Seit [[1994]] fanden wiederholt im Sommer Juso-Garten-Feten bei [[Janneke Heß]] in Hasseldieksdamm statt. | ||
Nach den "Erdrutsch"-Verlusten (Minus 12%) bei der [[Kommunalwahl 1994]] forderte die Jahreshauptversammlung der Jusos den [[Kreisverband Kiel - Vorstände|SPD-Kreisvorstand]] auf, zum Parteitag am [[22. April]] [[1994]] seine Ämter zur Verfügung zu stellen. | Nach den "Erdrutsch"-Verlusten (Minus 12%) bei der [[Kommunalwahl 1994]] forderte die Jahreshauptversammlung der Jusos den [[Kreisverband Kiel - Vorstände|SPD-Kreisvorstand]] auf, zum Parteitag am [[22. April]] [[1994]] seine Ämter zur Verfügung zu stellen. | ||
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Im Februar [[1995]] forderten die Jusos die Abwahl von Oberbürgermeister [[Otto Kelling]], da dieser nicht fähig sei, "seinen Sachverstand mit politischem Denken, Dialog- und Führungsfähigkeit zu verbinden".<ref>?</ref> | Im Februar [[1995]] forderten die Jusos die Abwahl von Oberbürgermeister [[Otto Kelling]], da dieser nicht fähig sei, "seinen Sachverstand mit politischem Denken, Dialog- und Führungsfähigkeit zu verbinden".<ref>?</ref> | ||
[[1995]] unterstützten die Jusos [[Jürgen Weber]], der sich in der Nominierung des Landtagskandidaten gegen den Abgeordneten | [[1995]] unterstützten die Jusos [[Jürgen Weber]], der sich in der Nominierung des Landtagskandidaten gegen den Abgeordneten [[Gert Börnsen]] durchsetzte. Die Jusos hatten gemeinsam u.a. mit [[Norbert Gansel]] und [[Hans-Peter Bartels]] maximale Transparenz und Aufarbeitung der Schubladenaffäre gefordert. Gert Börnsen vertrat eine gegensätzliche Position. | ||
[[1997]] gelang die Nominierung des langjährigen Kieler Jusos [[Hans-Peter Bartels]] zum Bundestagskandidaten. Der Juso-Kreisvorstand unterstützte ihn und hatte die Mitglieder um ihre Stimme für ihn auf der Nominierung am [[8. November]] [[1997]] gebeten. | [[1997]] gelang die Nominierung des langjährigen Kieler Jusos [[Hans-Peter Bartels]] zum Bundestagskandidaten. Der Juso-Kreisvorstand unterstützte ihn und hatte die Mitglieder um ihre Stimme für ihn auf der Nominierung am [[8. November]] [[1997]] gebeten. | ||
===21. Jahrhundert=== | ===21. Jahrhundert=== | ||
Über mehrere Jahre luden die Kieler Jusos zu ''Historischen Stammtischen'' ein, in der Regel mit Partnern wie dem [[Kreisverband Kiel]], der Kieler [[AG 60+]], häufig auch [[Hans-Peter Bartels]] MdB. Am [[12. April]] [[2007]] etwa sprach [[Rolf Selzer]] im Ratskeller über das ''Leben und Wirken von [[Jochen Steffen]] (SPD-Landesvorsitzender 1965-71)''. | |||
[[2012]] unterstützten die Jusos [[Susanne Gaschke]] in der Nominierung zur OB-Kandidatin. | [[2012]] unterstützten die Jusos [[Susanne Gaschke]] in der Nominierung zur OB-Kandidatin. | ||
Aktuelle Version vom 28. August 2024, 13:15 Uhr
Die Jusos Kiel sind eine Gliederung im Kreisverband Kiel. Sie wirken auch im Juso-Landesverband mit. Sie stellten seit Gründung des Bundeslandes Schleswig-Holstein mehrere Juso-Landesvorsitzende, darunter Jochen Steffen.
Vorstand
→ Hauptartikel: Jusos Kiel - Kreisvorstände
Die Kieler Jusos hatten über viele Jahre keine Vorsitzenden, sondern arbeiteten mit einem gleichberechtigtem Vorstandskollektiv, dessen Mitglieder aus ihrer Mitte eine Kreisgeschäftsführerin oder einen Kreisgeschäftsführer wählten. Dieselbe Regelung gilt immer noch für die örtliche Juso-Hochschulgruppe. Bei der Jahreshauptversammlung der Jusos Kiel am 11. Juni 2022 wurde das Kollektiv zugunsten einer Gliederung in Vorsitz und weitere Vorstandsmitglieder aufgegeben.
Die erste Jahreshauptversammlung unter Pandemie-Beschränkungen fand am 5. Juni 2021 online auf Zoom statt. Die Abstimmungen wurden mit votesUP durchgeführt. Zur trotz allem notwendigen Urnenwahl für den Juso-Kreisvorstand wurden die Delegierten am 6. Juni ins Walter-Damm-Haus gebeten, um ihre Stimmen unter Einhaltung aller juristischen und Hygieneregeln persönlich abzugeben.
Selbstverständnis
Die Jusos Kiel bezeichnen sich selbst als strömungsfrei. Sie verfolgen im allgemeinen einen eher pragmatischen Kurs. Ihre Beschlüsse der letzten Jahre können in der Beschlussdatenbank eingesehen werden. Ihr Selbstverständnis ist in Statt eines Manifestes. Kieler Fußnoten zum Juso-Selbstverständnis[1] dargelegt, das 1993, 2002 und zuletzt 2012 im Rotkielchen veröffentlicht wurde.
Auch das alte Lied Die Arbeiter von Wien gibt einen Eindruck:
Wir sind das Bauvolk der kommenden Welt.
Wir sind der Sämann, die Saat und das Feld.
Wir sind der Schnitter der kommenden Mahd.
Wir sind die Zukunft und wir sind die Tat.
So flieg, du flammende, du rote Fahne,
Voran dem Wege, den wir zieh'n.
Wir sind der Zukunft getreue Kämpfer,
Wir sind die Arbeiter von Wien.
(T: Fritz Brügel, M: Roter Armeemarsch (1920)).
Der Refrain soll schon 1927 in der Kinderrepublik Seekamp abgewandelt worden sein zu "So flieg, du flammende, du rote Fahne, voran dem Weg zu unserm Ziel. Wir sind der Zukunft getreue Kämpfer. Wir sind die Arbeiter von Kiel."[2]
Struktur
In Kiel ist die einzige Juso-Ebene zur Zeit die Kreisebene. Die Wahl des Juso-Kreisvorstandes findet stets als Vollversammlung statt.
Zeitweilig gab es vom Vorstand eingesetzte Arbeitskreise zu verschiedenen Themen, so z.B. 1994 "Soziales", 2012 "Bildung" und "Aktiv gegen Rechts", 2015 "Geflüchtete". Zwischen der Leitung des "AK Soziales" und dem Kreisvorstand kam es einmal zu einer Kontroverse über die Arbeitsweise und die Einladung von Gästen - der AK musste auf Weisung des Kreisvorstandes den Referenten Thomas Westphal wieder ausladen.
Untergliederungen in den Ortsvereinen gibt es nicht. Versuche einzelner Gruppen, diese einzurichten, wurden zumindest in den letzten Jahrzehnten stets verhindert.
So gab es um 2010 herum in Friedrichsort Bestrebungen, eine Orts-AG zu gründen, von denen der Kreisvorstand nur zufällig erfuhr. Zusätzlich führte zu Verstimmungen, dass die Jusos Rendsburg-Eckernförde die AG ihrem Kreisverband angliedern wollten. Nach Gesprächen mit dem dortigen Vorsitzenden fand dieses Vorhaben ein Ende.
Mitte der 1990er Jahre versuchten Zugezogene, die sich der Strömung der Juso-Linken (Stamokap) zuordneten, Juso-Ortsgruppen in Gaarden und Elmschenhagen einzurichten, allerdings ohne Erfolg.
In den 1970ern, als die Mitgliederzahlen am höchsten waren, gab es in einzelnen Ortsvereinen durchaus Juso-Gruppen, so z.B. in Holtenau[3] oder Friedrichsort[4].
Auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit gründeten sich sofort wieder Juso-Gruppen aus einzelnen Ortsvereinen, etwa beim Ortsverein Kiel-Süd die Juso-Gruppe Wilhelm Spiegel.[5]
Schulen
Ab 1970 gab es eine kreisweite "Projektgruppe Schule", die bis Ende der 70er Jahre kontinuierlich aktiv war und jeweils eine/n Leiter/in wählte, der oder die auch die presserechtliche Verantwortung trug. Zu diesen zählten u.a. Thomas Göbell, Helmut Färber, Jürgen Weber und Christiane Ulke. In den Jahren von 1972 bis 1974 bildete die "PG Schule" der Jusos eine Fraktion in dem von den "Roten Zellen" dominierten Kieler Stadtschülerrat - einer selbstorganisierten Schülervertretung der Kieler Gymnasien und Beruflichen Schulen. Vorstandsmitglied des Stadtschülerrates war in den Jahren der Jungsozialist Carsten Schlüter. 1972 wurde Thomas Göbell zum Landesschulsprecher der Gymnasien gewählt. Da sich die Landesschülervertretung zu einem Serviceunternehmen mit wirtschaftlichen Risiken entwickelte (eigene Druckerei etc), kam es zu Konflikten mit den Kieler Jusos, die die Entpolitisierung der LSV kritisierten.
Für 1975 ist eine "Basisgruppe" am Ernst-Barlach-Gymnasium belegt, vermutlich gab es auch an weiteren Schulen entsprechende Gruppen.
Am 26. August 1982 wurde gemeldet:
"Die Kieler Jungsozialisten starten einen Schülerclub (ab 14 Jahren), der sich künftig montags ab 14 Uhr in der Harmsstraße 19-21 trifft. Neben Diskussionen über Themen wie Schule, Frieden oder Umwelt sind Videofilme geplant. Außerdem soll an der Juso-Schülerzeitung mitgearbeitet werden."[6]
Wie sich das Projekt weiter entwickelte, ist bisher nicht ermittelt. Vielleicht war die stadtweite Schülergruppe, die sich in den 1990ern mit bildungspolitischen Themen befasste und auch die Zeitung Taschenkrebs herausgab, ein Teil oder eine Fortentwicklung des Schülerclubs. Leiter war u.a. Jörn Warnecke.
Hochschulen
An der Uni Kiel existiert seit den 1970er Jahren eine Juso-Hochschulgruppe (HSG). Am 26. Oktober 2024 begeht sie ihr 50-jähriges Bestehen mit einer Jubiläumsfeier im Norbert-Gansel-Hörsaal der Universität.
Die Hochschulgruppen sind rechtliche Mischwesen, zum einen an der Hochschule anerkannte HSGen, zum anderen Projektgruppen der Juso-Landesverbände. Das Verhältnis zwischen HSG und KV wechselte öfter in allen Bereichen, von sehr eng bis stark angespannt. 2009 und 2010 existierte an der Fachhochschule Kiel eine Juso-HSG mit dem Namen Förde-Jusos, die stark durch den Kreisverband Kiel unterstützt wurde.
1945/46 gründeten Jochen Steffen und sein ehemaliger Mitschüler Hans-Gottfried Schadow den Kieler Zweig des damals noch SPD-nahen Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS).
Bereits vor 1933 hatte es an der Kieler Universität eine Sozialdemokratische Studentenorganisation gegeben, deren letzter Vorsitzender der Ökonomie-Student Hermann Christian Hillmann war.[7]
Presse
Die Kieler Jusos geben seit mehr als 40 Jahren ihre Zeitschrift Rotkielchen heraus. Zur Zeit erscheint sie zweimal jährlich. In den Heften kritisieren die Redakteure auch regelmäßig die eigene Partei.
Früher gab es für verbandsinterne Informationen das Heft Rote Grütze.[8] In der Universitätsbibliothek Kiel ist eine Veröffentlichung Information für die Jahre 1964-66 vorhanden sowie für 1969-70 das Werkblatt.
In den 1990er Jahren wurde zudem der Taschenkrebs an Schüler*innen abgegeben.
Geschichte
Die Kieler Jusos können auch auf eine Geschichte im Kaiserreich und in der Weimarer Republik zurückblicken.
Die Jungsozialisten umfassten die 18-(später 20-) bis 25-Jährigen, die als Teil der Partei organisiert waren. Die Jüngeren ab 14 Jahren gehörten der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) an, einem eigenständigen Verband. Für die noch Jüngeren gab es Angebote durch die Kinderfreunde.
Zu den "Ahnen" der heutigen Jusos gehören somit sowohl die Jungsozialisten, gewissermaßen die "Ur-Jusos", als auch die SAJ, weswegen beide Teil der Geschichte der Kieler Jusos sind.
Kaiserreich
Hervorgegangen war die Jugendbewegung aus Lehrlingsvereinen, die ab 1904 im ganzen Kaiserreich entstanden. Im Frühjahr 1907 gründete sich in Kiel der erste Arbeiterjugendverein, der wegen des strengen preußischen Vereinsgesetzes freilich offiziell unpolitisch sein musste und den Namen Freie Jugendorganisation an der Kieler Förde trug.[9] Bestand sie anfangs nur aus sieben Mitgliedern, wuchs die Zahl bald auf 170. Es fanden monatlich Mitgliederversammlungen mit aufklärenden Vorträgen statt, in den Wintermonaten zusätzlich Unterhaltungsabende. Weihnachten 1910 wurde das Jugendheim in Gaarden eingeweiht.[10]
Über die Jugendorganisation gab es immer wieder Diskussionen in der Partei. Manche sahen den Sinn eher in einer selbstständigen Betätigung der Jugend. Auf dem Provinzialparteitag von 1908 meinte Carl Legien jedoch, dass "nur gereifte Männer, nicht junge, gerade erst der Schule entwachsene Leute" die Jugend erziehen könnten. Daher komme eine Mitgliedschaft auch nur als "Durchgangsstation" bis zum 18. Geburtstag in Betracht, danach müssten sie "in den politischen Organisationen weiter diszipliniert und geschult" werden. Es sei ausgeschlossen, dass die Jugendorganisation ihre Aufgabe zu lösen vermöge. Daher wolle der Gewerkschaftskongress "keine selbstständige Jugendorganisation, sondern eine Organisation zur Erziehung der Jugend!" Zuvor hatte die Generalversammlung für den 7. Reichstagswahlkreis den Ausbau einer selbstständigen Jugendorganisation beschlossen. Hermann Molkenbuhr fragte, wozu eine Teilung in eine Partei der Alten und eine Partei der Jungen nötig sei, wenn man doch Ideale habe. Alle Genossinnen und Genossen seien gleichberechtigt.[11]
1912 gründeten August Rathmann, Andreas Gayk und andere zur Umgehung des Verbots der Mitgliedschaft von Jugendlichen in politischen Vereinen den unverfänglich benannten "Kieler Turn- und Wanderclub von 1912". Er übernahm, als die "Freie Turnerschaft an der Kieler Förde" tatsächlich für "politisch" erklärt wurde, deren Kinder- und Jugendabteilungen.[12] Unklar ist, ob mit der Neugründung die Auflösung der "Freien Jugendorganisation an der Kieler Förde" verbunden war.
Ein Aktiver dieser Zeit war Oskar Kaiser, später Vorsitzender der Baugenossenschaft Kronsburg. Er trat mit 16 Jahren in den Metallarbeiterverband, mit 18 in die SPD ein und gehörte 1918 dem Soldatenrat an. 1927 fuhr er, obgleich weiter SPD-Mitglied, mit einer Delegation in die Sowjetunion.[13]
Weimarer Republik
Die "Freie Jugendorganisation" war Mitglied im Verband der Arbeiterjugendvereine Deutschlands (VAJV). 1919 nahm sie den Namen "Arbeiter-Jugend Kiel" an, bevor sie 1922 zur Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ Kiel) wurde.
Nach der Novemberrevolution bildeten sich an vielen Orten Gruppen von Jungsozialisten, die 1920 in die Parteiorganisation eingegliedert wurden. In ihnen hatten SPD-Mitglieder, aber auch Nichtmitglieder, im Alter von 18 (seit 1927: 20) bis 25 Jahren die Möglichkeit, aktiv zu werden.
Das Selbstverständnis dieser Gruppen wird deutlich an den durch die Jugendbewegung beeinflussten Leitsätzen einer Tagung in Kiel am Neujahrstag 1921:
"Die den Arbeiterjugendvereinen entwachsenen Parteigenossen können ihrer ganzen seelischen Einstellung nach nicht ohne weiteres den Schritt zur allgemeinen Arbeiterbewegung machen, denn diese ist [...] so einseitig verstandesmäßig und materialistisch gerichtet, daß sie die in der Jugend vorhandenen irrationalen Regungen nicht befriedigen kann."[14]
"Die Kieler Jungsozialisten galten in der Auseinandersetzung zwischen 'rechten Hofgeismarern' und marxistischen 'linken Hannoveranern' als Stützpunkt der Hofgeismarer. Der Kieler August Rathmann gehörte dem informellen Vorstand an und gab das Organ Schriften zur Zeit heraus. Hermann Heller, der eigentliche Theoretiker des Kreises, hatte bis 1921 in Kiel Staatsrecht gelehrt. Den Hofgeismarern nahestehend war auch der Kieler Rechtsprofessor Gustav Radbruch, der sich intensiv um die Bildung der Arbeiterjugend bemühte.
Bei vielen ältere Genossen, die Neuerungen - ob von links oder rechts - skeptisch gegenüberstanden, gab es eine abwartende Haltung. Dies mag auch durch den z.T. polemisch vorgetragenen Erneuerungsanspruch und durch den 'jugendbewegten' Lebensstil der 'jungen Generation' [...] bedingt gewesen sein. Immerhin konnte sich bei der Wahl des Kieler Parteisekretärs 1928 mit Ernst Tessloff der Kandidat der 'jüngeren Generation' durchsetzen. Für eine gewisse Offenheit der Parteiführung spricht, dass Dr. Gustav Warburg, ein profilierter Hofgeismarer, als Redakteur bei der Volkszeitung eingestellt wurde. Der aus den Kieler Jungsozialisten hervorgegangene Karl Meitmann wurde Unterbezirkssekretär."[15]
Der Anstoß zur Kinderfreundearbeit war in Schleswig-Holstein von den Kieler Jungsozialisten ausgegangen, die mit einem Volksfest die Kinder in den Mittelpunkt der Maifeier von 1921 stellten.[16] Von drei Gruppen im Jahr 1922 wuchs die Bewegung in Schleswig-Holstein auf 44 Gruppen mit 3000 Falken und 300 Helfern im Jahr 1931 an.[17]
"Am 24. November 1926 vereinten sich alle sozialistischen Jugendorganisationen Kiels zu einem 'Sozialistischen Jugendkartell', das eine gemeinsame Bildungsarbeit leistete, mit öffentlichen Versammlungen der Jugend hervortrat und im Rahmen der Gesamtbewegung der Sozialisten auch mit Aufmärschen und Fackelzügen den Demonstrationen den Schwung der Jugend gab. Bedeutend war der Einsatz des Jugendkartells zur Sammlung 'Ferien für Arbeiterkinder!' und der Aktion 'Alles für das Kind!'. [18]
Die Jungsozialisten wurden 1931 durch die SPD aufgelöst.
Am 17. Mai 1933 löste sich auch die Sozialistische Arbeiterjugend in Schleswig-Holstein, deren Vorsitzender in dieser Zeit Hans Schröder war, durch einen Beschluss des Bezirksvorstandes auf. Man wollte so dem Verbot durch die Nazis zuvorkommen.[19]
Wiedergründung
Landesweit erfolgte die Wieder- bzw. Neugründung der "Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten in der SPD" (JS) 1946. In Anbetracht der Tatsache, dass die SPD Schleswig-Holstein wesentlich von Kielern geprägt war, kann eine etwa zeitgleiche Gründung in Kiel angenommen werden. Die Jusos etablierten sich als einziger Jugendverband innerhalb der SPD. In ihm organisieren sich Sozialdemokrat*innen vom 14. bis zum 30., heute 35. Lebensjahr.
Parteinah, aber nicht zur Partei gehörend, sind die "Falken", die aus SAJ und Kinderfreunden entstanden waren und sich ebenfalls nach der Nazizeit wiedergründeten.
Anfangs war die "Jugendarbeit" noch sehr eng an den SPD-Kreisvorstand angebunden. Der Wiedergründungsparteitag 1945 bestimmte den 33-jährigen Hermann Köster zum Leiter der Jugendarbeit. 1948 benennt das Protokoll Wolfgang Harder als "Leiter der Jüngerenarbeit", 1949 dann Jochen Steffen, 1950 Inge Westphal und als Vertreter der Falken Hermann Thurow (bis 1954). Ab 1951 werden dann "Vertreter der Jungsozialisten" gewählt, zuerst Gerd Richter, ab 1953 Hans-Georg Ehmke, ab 1957 (wieder als "Leiter der Jüngerenarbeit") Siegfried Weiße, ab 1959 Ragnar Lethi, ab 1962 sind die Protokolle unvollständig, 1964 werden Hans-Gert Klingemann und Axel Lüdersen aufgeführt, 1966 Herbert Schütt und Friedrich Büßen. Vertreter der Falken sind 1955-56 Dieter Beth, 1957-60 Hans Wind, 1961 Erich Freese.[20]
1960er & 1970er Jahre
Auch schon in den 1960er Jahren waren die Jusos ein wesentlicher Faktor in den Wahlkämpfen. Damals wurden in einer Scheune am Sukoring im Ortsverein Suchsdorf die Plakate geklebt. Dann ging es mit Lieferwagen zum Aufhängen in das Stadtgebiet, wobei das Fahrzeugdach statt einer Leiter genutzt werden konnte. Die Fahrzeuge parkten im Hof des Walter-Damm-Hauses. Mit dabei waren u.a. Heinz Dammers, Claus Möller, Fiete Büßen.
In der Landeskonferenz 1967 unterlag der Kreisvorsitzende Herbert Schütt bei der Wahl zum Landesvorsitzenden gegen Eckart Kuhlwein. Mitglied im Landesvorstand wurde Norbert Gansel. Dieselbe Versammlung beschloss den Namenswechsel von "JS" zu "Jusos".
Nach der Linkswende setzten die Jusos zunehmend auf Provokation und öffentlichkeitswirksame Aktionen, mit denen auf Missstände hingewiesen werden sollte, auch in Kiel.
"Gegen den Mangel an 'Folgeeinrichtungen' in Neubaugebieten - vom Sportplatz bis zur Sandkiste - starteten Jusos in Kiel, Lübeck, Eutin und Pinneberg eine Aktion 'Kinder - lauft auf den Rasen'. Auf einem gelben Flugblatt des Juso-Landesvorstandes hieß es: 'Spielt Fußball drauf und Verstecken hinter den Sträuchern.' Über den Neue-Heimat-Rasen des Kieler Neubau-Stadtteils Nettenhof [sic!] liefen Kinder mit roten Fahnen. Die "Neue Heimat" gab darauf die Rasenflächen ihrer Anlagen in ganz Schleswig-Holstein für Kinderspiele frei."[21]
Am 29. September 1971 wurde die Initiative Kieler Wohnlager gegründet, die sich für die Auflösung der Kieler Obdachlosen- und Flüchtlingslager und die Unterbringung der Bewohner in normalen Wohnungen einsetzte. Gründungsmitglieder waren auch zahlreiche Jusos, die Versammlungsleitung übernahm Norbert Gansel. Weiter wird vermerkt:
"Herr Köhler von den Jungsozialisten Friedrichsort berichtete von der Arbeit mit den Jugendlichen im Grüffkamp. Dort würden zweimal wöchentlich Gruppenabende und Schularbeitenhilfen angeboten."[22]
Bevor die eigentliche Arbeit im Lager beginnen konnte, musste in sechsmonatiger Arbeit zunächst das Vertrauen der dort Lebenden gewonnen werden.[23]
"Vor und nach der Gründung der IKW arbeiteten eine Reihe von Gruppen in den Kieler Obdachlosenlagern. Im November 1969 war z.B. die Projektgruppe Brauner Berg (Grüffkamp 111) von Kieler Jungsozialisten gegründet worden. Die Jungsozialisten wollten mit einer Doppelstrategie die Lösung anstehender Probleme in dem Obdachlosenlager sowohl auf Verwaltungs- als auch auf politischer Ebene durch die Mobilisierung und Motivierung der Lagerbewohner herbeiführen."[24]
Weiter heißt es bei Carstens:
"Die Arbeit der IKW hatte auf der politische Ebene zunehmend Erfolge zu verzeichnen. Ein Parteitag der Kieler SPD beschloß, alle Lager - bis auf eines - aufzulösen. Später verabschiedete die Ratsversammlung einen Kreisentwicklungsplan, der die Formulierung "Auflösung aller Kieler Lager" enthielt. 1975 waren bis auf die "Notunterkunft Solomit" in der Tat alle übrigen Lager aufgelöst."[25]
Auch in den renommierten Marie-Christian-Heimen in Kiel prangerten die Jusos einen unangemessenen Umgang mit den oft jugendlichen BewohnerInnen an.[26]
Und auch die Kulturpolitik blieb nicht ungeschoren. Die Schauspielerin Rosemarie Kilian berichtet in ihren Erinnerungen:
"Ein junger Mann, der zu den Jusos gehörte, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, in den Ortsvereinen der SPD seine - ich drücke es höflich aus - Bedenken gegen das Vorhandensein des Kieler Theaters anzumelden. Das richtete sich verstärkt gegen die Oper. Ich folgte ihm von Ortsverein zu Ortsverein und von Emotionen hingerissen ereiferte ich mich im Einsatz für unsere Bühnen."[27]
1972 wurde der Kieler Jungsozialist Norbert Gansel mit 31 Jahren erstmals zum Bundestagsabgeordneten für Kiel gewählt.
In der hochpolitisierten Zeit der 1970er Jahre kam es auch zur Gründung von Juso-Gruppen an Schulen. So beschloss die Schulkonferenz des Ernst-Barlach-Gymnasiums am 3. November 1975
"die Zulassung der Schüler-Union und einer Basisgruppe der Jungsozialisten nach Vorlage ihrer Satzungen. Beide Gruppen [dürfen] für sich an der Schule werben." [28]
"Flugblätter wurden im Sekretariat auf Matrizen der Vervielfältigungsmaschine [...] gedruckt und es wurde demonstriert - gegen Atomkraftwerke, für einen kommunistischen Lehrer."[29]
Dies widerlegt den damaligen Sprecher der Kieler Schüler-Union, der im SPIEGEL behauptete:
"Jusos und Judos sind bei uns fast vollständig tot."[30]
1973 mietete der Juso-Kreisverband die erste Etage des Hauses Sophienblatt 32 und eröffnete dort den "Juso-Club". Das Haus lag gegenüber dem Hauptbahnhof zentral in der Stadt (heute der südliche Teil des Sophienhofes). Da es zum Sanierungsgebiet Südliche Innenstadt gehörte und mittelfristig zum Abriß vorgesehen war, konnten die Jusos es günstig von der Stadt mieten. In der geräumigen Altbauetage waren Büroräume, eine Redaktionsraum für die Zeitung Rotkielchen und ein großér Versammlungs- und Partyraum vorhanden. Hier fanden von 1973 bis zum Abriss Anfang der 1980er Jahre die Mitgliederversammlungen der Jusos und viele öffentliche Veranstaltungen sowie die Sitzungen der Juso-Gremien statt. Zeitweise war der Juso-Club mehrmals in der Woche und am Wochenende als Treffpunkt geöffnet.
Neben dem wöchentlich tagenden Kreisvorstand gab es von Juli 1972 bis Ende 1976 einen "Kreisrat der Kieler Jusos". In diesen entsandten, analog dem Kreisausschuss auf Parteiebene, alle Stadtteilgruppen bzw. Projektgruppen ihre Vertreter. Das Gremium verstand sich auch als Kontrollinstanz der Vorstandsarbeit. In dem ersten Tätigkeitsbericht heißt es:
"Zum Zeitpunkt seiner Tätigkeitsaufnahme (10.7.72) waren 9 Projektgruppen (Lehrlinge, Schüler, Theorie, Rotkielchen, Stadtsanierung, Umweltschutz, Olympia, Jugendpolitik und Jusoclub) sowie 5 Ortsbasisgruppen (West, E'hagen, Hassee, Gaarden/Ellerbek und Friedrichsort/Brauner Berg) im Kreisrat vertreten." [31]
Ende 1976 löste sich der Kreisrat auf, da die Zahl der regelmäßig tagenden Gruppen für zu gering erachtet wurde. Vorsitzende des Kreisrates waren Harald Hagemann (1972/73), Karlheinz Thimm (1973/74) und Meike Wille (1974-76) von der Juso-Gruppe Wik. Diese war zu der Zeit die einzige Stadtteilgruppe der Jusos. An regelmäßig agierenden Projektgruppen (PG) der Jusos gab es neben der "PG Schule" (s.o.) noch die Redaktion des Rotkielchen, die "PG Club", die Veranstaltungen organisierte, die "PG Fachhochschule" und die "PG Wachstum", die sich an der Diskussion über einen neuen Wachstumsbegriff beteiligte. Ausgangspunkt der Arbeit war ein Seminar der Kieler Jusos mit Udo Ernst Simonis. Außerdem gab es bis Anfang der 80er Jahre eine "PG Ausländische Arbeitnehmer", die sich später formal aus dem Juso-Verband herauslöste und zum eigenständigen e.V. wurde, auch wenn weiterhin Jusos dort mitarbeiteten. Daneben gar es einige Projektgruppen, die nur unregelmäßig oder zeitlich begrenzt arbeiteten. Dazu zählte u.a. eine "PG Lehrlinge", die später in "PG Betriebsarbeit" umbenannt wurde. In diesem Bereich konnten die Jusos nur sehr sporadisch Aktive gewinnen. 1975 wurde eine "PG Bundeswehr" gegründet, die etwa zwei Jahre existierte und den Versuch unternahm, Wehrpflichtige anzusprechen. Dabei wurde an einem Konzeptpapier zur Friedens-, Sicherheits- und Militärpolitik gearbeitet. Ausgehend von Kiel wurde auch eine "Landesarbeitsgruppe FSM-Politik" der Jusos gegründet.
1980er & 1990er Jahre
1993 forderten die Kieler Jusos den Rücktritt von Willi Piecyk vom SPD-Landesvorsitz wegen seines schlechten Umgangs mit der Schubladenaffäre. Dies führte zu intensiven Verstimmungen im Verhältnis zum Landesvorstand und auch zu Problemen in der gemeinsamen Nutzung des Walter-Damm-Hauses.
Seit 1994 fanden wiederholt im Sommer Juso-Garten-Feten bei Janneke Heß in Hasseldieksdamm statt.
Nach den "Erdrutsch"-Verlusten (Minus 12%) bei der Kommunalwahl 1994 forderte die Jahreshauptversammlung der Jusos den SPD-Kreisvorstand auf, zum Parteitag am 22. April 1994 seine Ämter zur Verfügung zu stellen.
Im Februar 1995 forderten die Jusos die Abwahl von Oberbürgermeister Otto Kelling, da dieser nicht fähig sei, "seinen Sachverstand mit politischem Denken, Dialog- und Führungsfähigkeit zu verbinden".[32]
1995 unterstützten die Jusos Jürgen Weber, der sich in der Nominierung des Landtagskandidaten gegen den Abgeordneten Gert Börnsen durchsetzte. Die Jusos hatten gemeinsam u.a. mit Norbert Gansel und Hans-Peter Bartels maximale Transparenz und Aufarbeitung der Schubladenaffäre gefordert. Gert Börnsen vertrat eine gegensätzliche Position.
1997 gelang die Nominierung des langjährigen Kieler Jusos Hans-Peter Bartels zum Bundestagskandidaten. Der Juso-Kreisvorstand unterstützte ihn und hatte die Mitglieder um ihre Stimme für ihn auf der Nominierung am 8. November 1997 gebeten.
21. Jahrhundert
Über mehrere Jahre luden die Kieler Jusos zu Historischen Stammtischen ein, in der Regel mit Partnern wie dem Kreisverband Kiel, der Kieler AG 60+, häufig auch Hans-Peter Bartels MdB. Am 12. April 2007 etwa sprach Rolf Selzer im Ratskeller über das Leben und Wirken von Jochen Steffen (SPD-Landesvorsitzender 1965-71).
2012 unterstützten die Jusos Susanne Gaschke in der Nominierung zur OB-Kandidatin.
Der Kreisparteitag 2015 beschloss auf Antrag der Jusos, dass künftig keine vertraulichen Nebenabsprachen mehr zu Kooperationsverträgen getroffen werden dürften. Ende 2014 hatte Susanne Gaschke nach ihrem Rücktritt die Absprachen zum Kooperationsvertrag von 2008 zwischen SPD, Grünen und SSW öffentlich gemacht.
Am 9. April 2016 organisierten die Jusos gemeinsam mit zahlreichen anderen linken Jugendverbänden im Bündnis "Kein ParkPlatz für Nationalismus" eine Demonstration gegen den Auftritt der Deutschrock-Band Frei.Wild in der Kieler Sparkassenarena (Ostseehalle).
Am 14. April 2016 entschied die Mitgliederversammlung, bei der Nominierung für die Landtagskandidatur in Kiel-Nord Gesine Stück zu unterstützen. Ihr Mitbewerber Torsten Albig lehnte die Teilnahme an einer gemeinsamen Vorstellung ab.
Kommunalpolitik
Zahlreiche Jusos engagierten sich im Laufe der Zeit in kommunalen Ehrenämtern; der Verband stellte verschiedene kommunalpolitische Forderungen auf. Jüngere Forderungen findet man in der Beschlussdatenbank.
Kommunalwahl 2013
Zur Kommunalwahl 2013 traten gleich vier Jusos als Direktkandidat_innen an: Melanie Klein, Benjamin Raschke, Mathias Rekasch und Lisa Yilmaz. Benni Raschke und Lisa Yilmaz wurden in die Ratsversammlung gewählt. Weitere traten auf Listenplätzen an. Auch in Ortsbeiräten und als bürgerliche Ausschussmitglieder engagierte sich mehr als ein Dutzend Jusos.[33] Zentrale, aber nicht umgesetzte Juso-Forderung war die Einführung eines umlagefinanzierten ÖPNV-Tickets für Schüler_innen analog zum Semesterticket. 2015 wurde zum ersten Mal ein Kinder- und Jugendbeirat gewählt, den die Jusos bereits seit langem gefordert hatten.
Kommunalwahl 2018
Im Vorfeld der Kommunalwahl 2018 wurden in den 25 Kieler Wahlkreisen 11 Jusos aufgestellt, was eine beeindruckende Erneuerung darstellt. Unter den ersten 10 Listenplätzen waren 6 Jusos. Außerdem wurde mit WorldCafes und Mitgliederversammlungen ein Jugendwahlprogramm mit dem Titel "Unsere Stadt der Zukunft gestalten" erarbeitet, dessen Forderungen an das Kommunalwahlprogramm der Kieler SPD gestellt wurden. Am Ende gelang 7 Kandidierenden unter 35 Jahren der Sprung in die Ratsversammlung, wodurch die Fraktion zu etwa 40% aus Jusos bestand.
Mitgliederentwicklung
Laut den vorliegenden Rechenschaftsberichten.
Jahr | Gesamt | wbl. (in %) | unter 22 | über 29 |
---|---|---|---|---|
2019 | 390 | 102 (26%) | 26 | 162 |
2018 | 467 | 114 (24%) | 59 | 161 |
2017 | 388 | 94 (24%) | 38 | 138 |
2016 | 347 | 83 (24%) | 41 | 112 |
2015 | 353 | 85 (24%) | 45 | 119 |
2014 | 354 | 98 (27%) | 43 | 109 |
2013 | 365 | 102 (28%) | 44 | 115 |
2012 | 372 | 108 (29%) | 48 | 114 |
2011 | 342 | 114 (33%) | 40 | 110 |
2010 | 360 | 113 (31%) | ||
2009 | 311 | 96 (31%) | 25 | 68 |
2008 | 306 (26% neu) | 100 (32%) | 28 | 124 |
2007 | 260 | 80 (31%) | 14 | 72 |
2006 | 320 | |||
2000 | 411 | |||
1998 | 477 | 127 (26,6%) | 14 | 72 |
Links
Einzelnachweise
- ↑ Rotkielchen 42/2, S. 34-35
- ↑ Nach Mitteilung von Rosa Wallbaum, die mit 12 Jahren an der Kinderrepublik teilnahm. Das vermutlich im Juli 1927 entstandene Lied wurde wohl von den teilnehmenden Jugendlichen aus Österreich in die Kinderrepublik gebracht.
- ↑ Juso-Ortsgruppe Holtenau gegründet, Kieler Nachrichten, 17.12.1970
- ↑ Mitteilung des Genossen Heino Scharunge, der dort aktiv war.
- ↑ So der Genosse Karl Molkenthien, der dort aktiv war, in einem Filminterview mit Birgit Hansen und John Sanger aus den 1990er Jahren.
- ↑ or: Neu:Juso-Schülerclub, Kieler Nachrichten, 26.8.1982, S. 18
- ↑ Biografien vertriebener Gelehrter der Uni Kiel
- ↑ Rotkielchen 42/2, S. 4
- ↑ Eine Sekundärquelle nennt 1905 als Gründungsjahr. Die genaue Darstellung bei Osterroth, S. 51, spricht aber für 1907. März 1907 sagt auch das Hamburger Echo vom 20.8.1907
- ↑ Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein, S. 51 f.
- ↑ Bericht vom Provinzialparteitag in Kiel, Hamburger Echo, 1.9.1908
- ↑ Rathmann, August: Ein Arbeiterleben. Erinnerungen an Weimar und danach (Wuppertal 1983), S. 13
- ↑ Norddeutsche Zeitung (KPD), 22.10.1927
- ↑ Jacobsen, Jens-Christian: "Der Stolz der Gesamtpartei"? Die SPD Schleswig-Holsteins 1918-1933, Demokratische Geschichte 3(1988), S. 233 f.
- ↑ Jacobsen, Jens-Christian: "Der Stolz der Gesamtpartei"? Die SPD Schleswig-Holsteins 1918-1933, Demokratische Geschichte 3(1988), S. 234
- ↑ Jacobsen, Jens-Christian: "Der Stolz der Gesamtpartei"? Die SPD Schleswig-Holsteins 1918-1933, Demokratische Geschichte 3(1988), S. 236
- ↑ Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein, S. 85
- ↑ Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein, S. 83
- ↑ Osterroth, Franz: 100 Jahre Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein, S. 110 f.
- ↑ Zusammensetzung der Vorstände bis 1949 nach: Arbeitskreis "Demokratische Geschichte" (Hrsg.): Wir sind das Bauvolk. Kiel 1945 bis 1950 (Kiel 1985)
- ↑ JUSOS / SPD: Sozusagen die Macht, DER SPIEGEL, 1.3.1971
- ↑ Gründungsprotokoll, zit. in Uwe Carstens: Die Initiative Kieler Wohnlager (IKW), Demokratische Geschichte 8(1993), S. 328
- ↑ Kniesz, Matthias: Obdachlose am Braunen Berg. Ein Projekt der Jungsozialisten in Kiel. In: Mauersberger, Volker (Hrsg.): Wie links dürfen Jusos sein? Vom Bürgerschreck zur Bürgerinitiative (Reinbek 1974), S. ?
- ↑ Carstens, Uwe: Die Initiative Kieler Wohnlager (IKW), Demokratische Geschichte 8(1993), S. 335 ff.
- ↑ Carstens, Uwe: Die Initiative Kieler Wohnlager (IKW), Demokratische Geschichte 8(1993), S. 341
- ↑ Burchardt, Rainer: Pflegeheim in Kiel. Vorwürfe gegen Mutter Obi, DIE ZEIT, 4.1.1974
- ↑ Kilian, Rosemarie: Revolutionskind. Erinnerungen an Leben und Bühne 1919-1999 (Berlin 2003), S. 293
- ↑ Oehring, Ursula: Ernst-Barlach-Gymnasium. Jahrbuch 2015/2016, S. 6
- ↑ Seidel, Ute: Ernst-Barlach-Gymnasium. Jahrbuch 2015/2016, S. 9
- ↑ Jugend '76: "Lieber Gott, mach mich krumm", DER SPIEGEL, 5.4.1976
- ↑ Bericht über die Tätigkeit des Kreisrats der Jusos vom Sommer 1972 bis Februar 1973. Privatarchiv Jürgen Weber
- ↑ ?
- ↑ http://www.jusos-kiel.de/uber-uns/aktiv-fuer-unsere-stadt/