Andreas Gayk: Unterschied zwischen den Versionen
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Andreas Gayk erkrankte [[1953]] schwer, schien aber nach einem längeren Aufenthalt im Nordseesanatorium in Westerland wiederhergestellt. Erst danach wurde Krebs festgestellt; eine Operation half nur kurzfristig.<ref name=":3´4">Schulz: ''Erinnerungen'', S. 143</ref> | Andreas Gayk erkrankte [[1953]] schwer, schien aber nach einem längeren Aufenthalt im Nordseesanatorium in Westerland wiederhergestellt. Erst danach wurde Krebs festgestellt; eine Operation half nur kurzfristig.<ref name=":3´4">Schulz: ''Erinnerungen'', S. 143</ref> | ||
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schrieb er Ende August [[1954]]<ref>Brief an Stadtrat Hermann Hartmann, zit. in Jensen / Rickers (Hrsg.): ''Andreas Gayk'', S. 105</ref> und arbeitete mit eisernem Willen vom Krankenbett aus bis wenige Tage vor seinem Tod.<ref>''Oberbürgermeister Andreas Gayk †'', ''VZ'', Sonderausgabe vom 1.10.1954</ref> | schrieb er Ende August [[1954]]<ref>Brief an Stadtrat Hermann Hartmann, zit. in Jensen / Rickers (Hrsg.): ''Andreas Gayk'', S. 105</ref> und arbeitete mit eisernem Willen vom Krankenbett aus bis wenige Tage vor seinem Tod.<ref>''Oberbürgermeister Andreas Gayk †'', ''VZ'', Sonderausgabe vom 1.10.1954</ref> | ||
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Frieda Gayk überlebte | Mitten in der politischen Arbeit starb er [[1954]] an einer Gelbsucht, die den von Krebs bereits Geschwächten befiel. Die Stadt richtete ihm am [[5. Oktober]] eine Trauerfeier in der Ostseehalle aus, an der Tausende von Menschen teilnahmen. | ||
Frieda Gayk überlebte ihren Mann nur um wenige Jahre; sie war in ihren letzten Lebensjahren fast völlig erblindet und starb am [[12. Dezember]] [[1960]].<ref>Nachruf auf Frieda Gayk, ''VZ'', 13.12.1960</ref> | |||
==Partei & Politik== | ==Partei & Politik== |
Aktuelle Version vom 19. Oktober 2024, 17:54 Uhr
Andreas Gayk |
Andreas Gayk, * 11. Oktober 1893 in Kiel[1]; † 1. Oktober 1954 in Kiel; Journalist, Oberbürgermeister. Er trat 1911 in die SPD ein.
Werdegang
Der Monat Oktober spielte im Leben von Andreas Gayk eine besondere Rolle: Am 11. Oktober 1893 wurde er geboren, am 1. Oktober 1954 starb er. Auch seine Frau Frieda kam in diesem Monat zur Welt, am 25. Oktober 1894, ebenfalls in Kiel. Am 18. Oktober 1946 wurde er von der ersten gewählten Ratsversammlung nach dem Krieg zum (damals noch ehrenamtlichen) Oberbürgermeister gewählt, im Oktober 1948 nach Neuwahlen wiedergewählt. Am 10. Oktober 1950 endete seine Amtszeit als SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag.
Andreas Gayk war der Sohn des Werfttischlers und SPD-Mitglieds Julius Gayk und seiner Frau Lucia Katharina Sophia, geb. Wollesen. Er wuchs in Kiel auf, bis die Familie ca. 1901 nach Gaarden[2] zog. Er gehörte keiner Kirche an, trat 1911 in die SPD ein[3]. Eine kaufmännische Lehre beim Konsum brach er ab, weil sie ihm nicht lag. Er ging nach Lüdenscheid und erlernte bei der dortigen SPD-Zeitung den Beruf des Journalisten. Im 1. Weltkrieg musste er als gut 20-Jähriger praktisch die Rolle des Chefredakteurs ausfüllen, weil die übrige Redaktion zum Kriegsdienst eingezogen war.[4] Später war er selbst als Soldat an Fronten in Galizien und Frankreich eingesetzt.[5]
Weimarer Republik
In der Novemberrevolution wurde Andreas Gayk in den Soldatenrat seines Regiments gewählt. 1919 gehörte er, in seine Geburtsstadt zurückgekehrt, dem Kieler Arbeiter- und Soldatenrat an. Er wurde als "Berichterstatter" geführt und wohnte in der Freiligrathstraße 9, I. Stock.[6] Von jetzt an begann er im Sozialdemokratischen Verein Groß-Kiel eine größere Rolle zu spielen. Kommunalpolitisch begann er dabei zunächst eher im Hintergrund: Das Kieler Adressbuch 1923 führt ihn als bürgerliches Mitglied der Kommission für Jugendpflege.[7]
Am 17. März 1921 heirateten Andreas Gayk und Frieda Brennecke. Frieda war wie er in der Kinderfreundebewegung aktiv und unterstützte ihn in seiner politischen Arbeit - "mit dem Verständnis einer an der großen Sache innerlich beteiligten Frau", wie es mit dem zeitüblichen Pathos in ihrem Nachruf hieß.[8] Bei der Heirat war der ältere Sohn Karl (* 3. Juli 1917 in Bonn), ein Kriegskind, bereits fast vier Jahre alt. Am 23. März 1922 wurde der jüngere Sohn Walter geboren.[9]
Seit seiner Rückkehr nach Kiel arbeitete Andreas Gayk als Journalist bei der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung, dem kurz VZ genannten Parteiblatt der SPD. Von 1926 bis zu ihrem Verbot durch die Nazis 1933[10] leitete er die Lokalredaktion. "Sein Journalismus bewegte sich im Spannungsfeld von Polemik und propagandistischem Pathos. Er war ein Polemiker von hohen Graden und im besten Sinne des Wortes."[11]
Zusammen mit den Kinderfreunden, die er mit begründet hatte und deren Leiter in Schleswig-Holstein er war, entwickelte er die Idee der Kinderrepubliken und organisierte im Sommer 1927 in Kiel die erste und größte von ihnen, die Kinderrepublik Seekamp.
NS-Herrschaft
Seit der Kommunalwahl 1929 war Andreas Gayk Stadtverordneter und wurde am 12. März 1933 wiedergewählt, aber wie alle Linken von den Nazis an der Ausübung des Mandats gehindert. Er wurde vorübergehend verhaftet[5], kam aber wieder frei und wurde danach steckbrieflich gesucht.[12]
Im Mai oder Juni 1933 zog Andreas Gayk nach Berlin, um sich der Verfolgung durch die Nazis in Kiel zu entziehen. Am 25. März 1934 folgte ihm seine Familie.[13] Bis zum Verbot 1935 leitete er dort als heimlicher Chefredakteur das subversive Magazin Blick in die Zeit. Danach wurde er von einem pharmazeutischen Betrieb, der viele politisch Verfolgte beschäftigte, als Ärztebesucher eingestellt. In dieser Funktion bahnte er bei Ärzten und Krankenhäusern Erprobungen von neu zugelassenen Medikamenten an, sammelte gleichzeitig für eine Widerstandszelle Informationen über Ärzte. Mitte 1943 wurde er, trotz aller Bemühungen seines Arbeitgebers, zur Berliner Hilfspolizei eingezogen.[14] Die Gayks hatten in diesen Jahren nicht nur den Verlust des Lebensmittelpunktes Kiel sowie den ihrer Berliner Wohnung durch einen Bombenangriff zu verkraften; beide Söhne starben im 2. Weltkrieg als Soldaten, wohl beide im Russlandfeldzug. Karl wurde als Obergefreiter am 5. Januar 1942 nach Kämpfen im Raum Smolensk als vermisst gemeldet und nie gefunden.[15] Walter starb irgendwann Anfang 1943.[16]
Frieda Gayk litt seit dem Verlust der Söhne an Diabetes.
"[Frieda] ist in Folge der seelischen Belastung vor 2 Jahren zuckerkrank geworden und verhungert heute mangels Insulin und Lebensmitteln vor meinen Augen."[17]
Sie kam aus gesundheitlichen Gründen im Frühjahr 1945 nach Garding auf Eiderstedt, wo sie bei Friedrich Wilhelmsen Unterkunft fand[18], einem Freund der Gayks[19], der bei der VZ Feuilletonredakteur gewesen war.[20] Ihr Mann wurde von der Hilfspolizei beurlaubt, um sie zu besuchen.[21] Lapidar berichtet er später:
"Ich habe mich im April d. Js. rechtzeitig vom Feinde abgesetzt. Ich ließ mich im richtigen Augenblick von Berlin nach Garding beurlauben und konnte zuerst krankheitshalber, dann wegen des völligen Zusammenbruchs des Verkehrs nicht mehr zurückreisen. So habe ich denn meinen schlichten Abschied von der Polizei genommen."[22]
Neubeginn
So entkamen Gayks dem Endkampf um Berlin. Zunächst blieben sie in Garding, da sie keine Zuzugsgenehmigung für das zerstörte Kiel erhielten.[23] Im Juli gab es wieder erste Kontakte zu Kieler Sozialdemokraten; zu seinem ersten Besuch in Kiel kam Andreas Gayk mit dem Fahrrad aus Garding.[18] Im August kehrte das Ehepaar, wie Andreas Gayk schrieb, "aus der unfreiwilligen Emigration in die Heimat zurück"[24] und wurden zunächst von seiner Schwester Anni Behrend aufgenommen, die in der Preetzer Chaussee 11 wohnte. Dort erreichte ihn die Berufung in mehrere städtische Kommissionen durch den Oberbürgermeister Max Emcke. Später bezogen Gayks eine Genossenschaftswohnung in der Virchowstraße 2 (1. Etage rechts), 1954 zogen sie in die Eichendorffstraße.[25]
Im März 1946 übernahm Andreas Gayk offiziell die Chefredaktion der wiedergegründeten Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung, um für die Leserschaft Kontinuität deutlich zu machen. Faktisch schrieb er aber nach dem Eröffnungsartikel nur noch gelegentlich und in politischen Funktionen für die VZ.[26] Die Landes- und Kommunalpolitik wurde sein ausschließlicher Lebensinhalt, insbesondere der Wiederaufbau seiner Geburtsstadt Kiel. Auf eine Bundestagskandidatur verzichtete er 1949.[27]
Zusammen mit Franz Osterroth, Kurt Pohle und Kurt Schulz gründete er die Schleswig-Holstein-Hilfe für Kriegsopfer.
Andreas Gayk erkrankte 1953 schwer, schien aber nach einem längeren Aufenthalt im Nordseesanatorium in Westerland wiederhergestellt. Erst danach wurde Krebs festgestellt; eine Operation half nur kurzfristig.[28]
"Ich kann zur Zeit nur vom Krankenzimmer aus mit Fernlenkung arbeiten und regieren. Zum Glück verfallen bei mir nur die physischen Kräfte. Der Kopf ist anscheinend unverwüstlich."
schrieb er Ende August 1954[29] und arbeitete mit eisernem Willen vom Krankenbett aus bis wenige Tage vor seinem Tod.[30]
Albert Schulz erinnert sich:
"Am Abend der Landtagswahl im September 1954 konnte sich der Landesvorstand über die jetzt einzuschlagende Taktik nicht einigen. [Gayk] bat uns, sofort zu ihm zu kommen. Und dann diktierte der zum Skelett abgemagerte Mann im Bett halb aufgerichtet, aber hellwach, eine Erklärung für die Öffentlichkeit, mit der auch die einzuschlagende Taktik klar war. Alle hatten das Gefühl des Abschieds, als wir tief beeindruckt das Krankenzimmer verließen."[31]
Mitten in der politischen Arbeit starb er 1954 an einer Gelbsucht, die den von Krebs bereits Geschwächten befiel. Die Stadt richtete ihm am 5. Oktober eine Trauerfeier in der Ostseehalle aus, an der Tausende von Menschen teilnahmen.
Frieda Gayk überlebte ihren Mann nur um wenige Jahre; sie war in ihren letzten Lebensjahren fast völlig erblindet und starb am 12. Dezember 1960.[32]
Partei & Politik
Parteiämter
Bereits seit August 1945 arbeitete Andreas Gayk im Kreisverein Kiel und auf Bezirksebene an führender Stelle am Wiederaufbau der SPD mit, zusammen mit Persönlichkeiten wie Karl Ratz, Heinrich Fischer und Wilhelm Kuklinski. Es gibt gute Gründe, ihn als Schleswig-Holsteins "einflussreichsten und prominentesten SPD-Politiker" der Nachkriegszeit[5] und als "stärkste und mächtigste Persönlichkeit der schleswig-holsteinischen SPD"[33] zu bezeichnen; auch wurde ihm eine "sagenhafte Autorität" bescheinigt.[31]
Die SPD-Konferenz in der britischen Zone am 3.-4. Januar 1946 wählte ihn in den Vorstand des SPD-Zonenausschusses[34]. Der erste ordentliche Bezirksparteitag am 10. März 1946 in Neumünster wählte ihn zum 3. Bezirksvorsitzenden (2. stellv. Vorsitzenden). Auf dem außerordentlichen Bezirksparteitag am 3. August 1946 in Eutin hielt er als Delegierter im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl 1947 den Vortrag Sozialismus - Sehnsucht und Ziel aller Schaffenden!, der im Wahlkampf als Sonderdruck verbreitet wurde. Auf dem Bezirksparteitag am 7. und 8. Juni 1947 kam er, vermutlich auf eigene Entscheidung, lediglich in den erweiterten Vorstand.
Erst der Bezirksparteitag vom 22.-24. Mai 1948 in Schleswig wählte Andreas Gayk zum Bezirksvorsitzenden. In diesem Amt wurde er von den Parteitagen am 23.-24. Juli 1949 in Rendsburg, am 17.-18. März 1951 in Kiel und am 3.-4. Juli 1953 in Kiel bestätigt und behielt es bis zu seinem Tod.
Als Bezirksvorsitzender forderte er nach dem Weggang von Max Kukil in die Bundespolitik den ihm persönlich unbekannten Albert Schulz auf, sich als Leitender Bezirkssekretär (=Landesgeschäftsführer) zu bewerben; Erich Ollenhauer und Herbert Wehner hätten ihm dazu geraten. Anfang 1953 wurde Albert Schulz überraschend vom Bezirksvorstand mit großer Mehrheit gewählt, gegen einen Mitbewerber, der aus Schleswig-Holstein stammte, jedoch bei einem anderen Bezirksverband arbeitete.[35]
Auf dem ersten Parteitag der SPD nach der NS-Herrschaft vom 8. bis 11. Mai 1946 in Hannover wurde Andreas Gayk mit 184 von 245 Stimmen[36] in den 25-köpfigen Parteivorstand gewählt, dem er ebenfalls bis zu seinem Tod angehörte. Manchen galt er als der offensichtliche Nachfolger von Kurt Schumacher, dessen Linie der konsequenten Abgrenzung vom Kommunismus und Festhalten am Ziel der Wiedervereinigung Deutschlands er teilte.[37]
Für den Bundesparteitag vom 11. bis 14. September 1948 in Düsseldorf beauftragte Schumacher, der wegen Krankheit nicht teilnehmen konnte, Andreas Gayk, seine programmatische Rede zu verlesen.
"Die deutsche Demokratie darf nicht wieder gefährdet werden durch den politischen Mißbrauch wirtschaftlicher Macht, sie wird nur dann von der großen Mehrheit des Volkes als eine höhere Lebensform anerkannt, wenn sie zugleich die soziale Gerechtigkeit verwirklicht."[38]
Auch am Bundesparteitag vom 21.-25. Mai 1950 in Hamburg nahm Andreas Gayk teil, neben Fritz Baade, Walter Damm, Anni Krahnstöver, Max Kukielczynski, Hermann Lüdemann, Ludwig Preller und anderen. Als Unterstützer von Kurt Schumacher teilte er die Einstellung der SPD zur DDR:
"Der Parteitag weist warnend auf die Zustände in der Sowjetzone hin. Dort herrscht uneingeschränkter Terror. Der kommunistische Ausrottungskampf hat unter den Sozialdemokraten Mitteldeutschlands große Opfer gekostet. Tausende von Funktionären der SPD sowie zahllose namenlose Freiheitskämpfer, die heute in den Gefängnissen und KZ's der sowjetischen Besatzungszone oder der Sowjetunion leiden, sind Zeugen dieses Kampfes. Der Parteitag weist besonders auf die Militarisierung der Sowjetzone hin. Die kommunistische Aggressionspolitik hat die Zonengrenzen zu einer Frontlinie im kalten Krieg gemacht. Der Parteitag grüßt mit Stolz und Zuversicht die Genossen in der Sowjetzone und erklärt seine enge Verbundenheit mit ihrem opferreichen Kampf um Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie. Der Parteitag fordert die Wiederherstellung der deutschen Einheit durch freie, gesamtdeutsche Wahlen."[38]
Nach Schumachers Tod am 20. August 1952 erwarteten viele, dass Andreas Gayk Stellvertreter des neuen Parteivorsitzenden Erich Ollenhauer werden würde. Dafür stand er jedoch nicht zur Verfügung.[31][27]
Praktische Politik
Nicht erst in seinem politischen Testament, auch schon in seiner Rede auf dem Bezirksparteitag 1946 forderte er - in scharfen Worten, die wohl als Abrechnung auch mit der eigenen Parteiführung der Weimarer Republik verstanden werden müssen - eine Politik der wirklichkeitsnahen Lösungen:
"Die Zeiten, in denen sich die Partei in einen Radikalismus der Worte, in die bloße Negation zurückziehen konnte, die Zeiten, wo man den Kopf in den Sand steckte und mit dem Hintern schrie, daß man nicht verzage, diese Zeiten sind endgültig vorbei. Nicht als die alte doktrinäre Partei wie die KPD, nein, als geistig verjüngte, durch harte geschichtliche Erfahrungen gereifte Bewegung für die Verwirklichung eines demokratischen, eines freiheitlichen Sozialismus, tritt die Sozialdemokratie vor die Wählerschaft."
Kommunalpolitik
Vom 17. November 1929[39] bis Juni 1933 gehörte Andreas Gayk der Kieler Stadtverordnetenversammlung an. In der schon von den Nazis dominierten Kommunalwahl vom 12. März 1933 wurde er als einer von 20 SPD-Stadtverordneten wiedergewählt[40], im Mai auch noch vereidigt, taucht aber im Juni als Mitglied nicht mehr auf. Vermutlich war er bereits nach Berlin gegangen.
1945 kehrte er nach Kiel zurück und nahm Kontakt zum Stubenzirkel von Albert Witte auf. Der erinnert sich:
"Die Stellung Gayks in Kiel war nicht unumstritten. Selbst Karl Ratz, der später eng mit Gayk befreundet war, hatte zunächst starke Vorbehalte [...].
In diesen Tagen fand eine der bedeutungsvollsten und schicksalsträchtigsten Sitzungen statt, die über die Arbeit der SPD in den kommenden Jahren beschließen sollte. Zu der Sitzung hatte Karl Ratz geladen. Es nahmen etwa 50 Parteifreunde teil.
[...] Es war bekannt geworden, daß die Militärregierung einen 2. Bürgermeister für Kiel ernennen wollte. Dieser Bürgermeister sollte ein Sozialdemokrat sein. Der Gewerkschaftsflügel der SPD schlug dafür Fritz Böttcher vor [vor 1933 ein führender Kieler Gewerkschafter und] ein glänzender Rhetoriker, gewandt im Auftreten, aber ohne wesentliches programmatisches Profil. [...] Er galt als ein Mann, der die Stadtverwaltung genaustens kannte, was sehr für seine Nominierung sprach.
Gayk erkannte sofort, daß hier mit dieser Person - oder mit anderen - die Weichen für die Zukunft gestellt würden. Das mußte verhindert werden. In persönlichen Einzelgesprächen haben wir sehr lange darüber gesprochen. In der Sitzung kam es zu einer großen Auseinandersetzung zwischen Böttcher und Gayk. Gayk siegte mit Mehrheit. Er legte ein präzises kommunalpolitisches Arbeitsprogramm auf den Tisch, während sich Fritz Böttcher in allgemeinen Floskeln über die kommende Arbeit aussprach. Mit dieser Entscheidung war der Weg frei geworden für das kommunalpolitische Wirken von Andreas Gayk."[41]
Zunächst wurde jedoch der österreichische Sozialdemokrat Otto Tschadek von August 1945 bis Februar 1946 Bürgermeister. Oberbürgermeister Max Emcke berief Andreas Gayk in die städtische Kommission für den Wiederaufbau, die Kämmereikommission und die Grundstückskommission; die erste Sitzung fand am 11. Oktober 1945 (seinem 52. Geburtstag) statt. Damit war er wieder in der Kommunalpolitik aktiv. Er gehörte den ersten - noch von den britischen Besatzungsbehörden ernannten -, dann auch der ersten gewählten Kieler Stadtverordnetenvertretung an. Vom 16. Februar bis 18. Oktober 1946 war er Kiels Bürgermeister, dann ehrenamtlicher Oberbürgermeister bis zum 20. April 1950. An diesem Tag wurde er zum hauptamtlichen Oberbürgermeister gewählt.
Oberbürgermeister von Kiel
Als erster hauptamtlicher Oberbürgermeister nach NS-Herrschaft und 2. Weltkrieg stand Andreas Gayk vor der Aufgabe, den Wiederaufbau von Kiel zu koordinieren und voranzutreiben. Die Stadt war als "Reichskriegshafen" Ziel von 90 britischen Luftangriffen gewesen. Ihnen fielen 2263 Menschen zum Opfer.
"Die historische Architektur war ausgelöscht; das Zerstörungs- und Schadensgebiet bemaß sich auf achtundsiebzig Prozent der Bebauungsfläche. Fünf Millionen Kubikmeter Schutt lagen am Boden, das entspricht dreiundzwanzig Kubikmeter pro Einwohner."[42]
Es gab kaum Wohnraum für die in die Stadt zurückdrängenden Evakuierten und die täglich in großer Zahl eintreffenden Flüchtlinge. Die Wirtschaft war schon seit der Kaiserzeit hauptsächlich Kriegswirtschaft gewesen, zum großen Teil Schiffbau und Zulieferbetriebe. Was nach dem 2. Weltkrieg an Industrieanlagen noch übrig war, sollte demontiert und nach Großbritannien gebracht werden. Es gab durchaus Pläne, Kiel in ein kleines "Fischerdorf" zurückzuschrumpfen.[43].
Schon als Bürgermeister hatte Andreas Gayk am 18. September 1946 in einer Rede zur Kommunalwahl die Forderung "Raus aus dem Elend!" geprägt, mit der anschließend auch die Landtagswahl 1947 bestritten wurde.
Als Oberbürgermeister sicherte er sich enge Mitarbeiter, auf die er sich verlassen konnte, weil er sie aus der Zeit vor 1933 kannte, etwa die Stadtschulrätin Toni Jensen, Stadtrat Friedrich Mandelkow oder seinen Büroleiter Albert Witte. Dies waren keine Ja-Sager.
"Nach Alberts Berichten haben die sich mitunter ganz schön gefetzt. Albert war ein sehr vornehmer Mann, auch in seiner Wortwahl, während Andreas sehr leicht explodieren konnte, und dann hat Albert den Raum verlassen. Nachher ging dann das Gespräch weiter, aber das mußte mitunter sein."[44]
Widerstand gegen Demontagen
Gayk und sein Oberstadtdirektor Walther Lehmkuhl widersetzten sich den Demontageplänen und wagten den offenen Konflikt mit der britischen Besatzungsmacht. Für den Satz "Vorher hatten wir die Braunen, und nun haben wir die englische Krankheit!" erhielt er von der Militärregierung Redeverbot, das erst kurz vor einer wichtigen Wahlkundgebung aufgehoben wurde.[45]
In zähen Verhandlungen erreichten sie, dass 18 Gebäude und fast 1000 Meter der Kais auf dem Ostufer erhalten blieben. Was demontiert oder gesprengt wurde, war für Kiel immer noch zuviel. Am 7. Dezember 1948 führte Andreas Gayk zusammen mit Karl Ratz und dem CDU-Stadtpräsidenten Dr. Peter Jeschke einen Schweigemarsch gegen die Demontagen an, in den sich 22.000 Menschen einreihten. Gegen die Demontage der Holmag-Werke in Kiel-Friedrichsort wehrte er sich mit der Drohung "Und wenn hier die Hallen gesprengt werden sollen, dann mit mir."[46] Die Drohung blieb erfolglos, aber solche Aktionen und Äußerungen begründeten seinen legendären Ruf bei der Kieler Bevölkerung.
"Bürger bauen eine neue Stadt"
Andreas Gayk wollte auf der Grundlage des noch Vorhandenen eine Friedenswirtschaft entwickeln, von der Kiel leben und sich selbst versorgen konnte.
Kiel wurde von der britischen Besatzungsmacht zur Landeshauptstadt bestimmt. Die Universität begann schon 1945 unter schwierigsten Bedingungen wieder mit der Arbeit. Auch die Seefischerei wurde gefördert; Gayk erreichte bei den Besatzungsbehörden, dass ziviler Schiffbau in beschränktem Umfang wieder erlaubt wurde. Nach und nach siedelten sich Betriebe für Fischverarbeitung, Maschinenbau, Fein- und Elektromechanik sowie Textilherstellung an, die Arbeitslosigkeit ging zurück.
Den Wiederaufbau stellte Gayk unter das Motto "Bürger bauen eine neue Stadt". In seinem kommunalpolitischen Testament verfügte er, dass Kiels Aufbauleistung mit einem Wandrelief im Hauptkorridor des Kieler Rathauses ein Denkmal gesetzt werden solle. Das Relief "Bürger bauen eine neue Stadt", geschaffen von den Künstlern Alwin Blaue und Fritz During, eingeweiht am 24. Juni 1957, ist sein Dank nicht nur an die Kieler Bürger[47], sondern er gilt allen, die der Stadt in den schweren Zeiten nach dem Krieg geholfen haben.[48]
Gayk-Wäldchen
Von Anfang an hatte Andreas Gayk die Trümmerräumung in Kiel forciert. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, sich an Sonn- und Feiertagen ehrenamtlich zu beteiligen. Die Räumung machte solche Fortschritte, dass Kiel bald als bestgeräumte Stadt Deutschlands galt.[5] 1948 wurde damit begonnen, die Trümmerlandschaft wieder zu begrünen. Gayk wollte mit der Begrünung den leeren Flächen die deprimierende Wirkung nehmen, den aus den Ruinenfeldern kommenden Kalkstaub binden und die Flächen für den Wiederaufbau freihalten. Karl Rickers bezeichnet dies als "wohl eine der wichtigsten Maßnahmen in dieser trostlosen Zeit".[49] Der Pinneberger Landrat Walter Damm stellte aus dem Baumschulgebiet seines Kreises Bäume und Sträucher zur Verfügung; Kieler Schulkinder pflanzten die gespendeten Gewächse ein.
"Quartaner forsten auf ... Seit einigen Tagen wird in Kiel auf Veranlassung des Oberbürgermeisters Andreas Gayk die Bepflanzung der geräumten Trümmerflächen mit Mischwald, Erlen, Ulmen, Akazien, und Weiden durchgeführt. Auch die Schulkinder zwischen 12 und 15 Jahren müssen bei diesen Aufforstungsarbeiten täglich 4 Stunden helfen, um die Anpflanzung recht schnell zum Abschluss zu bringen. Unser Bild zeigt Quartaner der Hebbel-Schule in Kiel beim Pflanzen der jungen Bäumchen."[50]
Eines dieser Wäldchen erstreckt sich heute noch von der Koldingstraße bis hin zur Gelehrtenschule an der Feldstraße. Die dortige Hügellandschaft birgt Trümmer des 2. Weltkrieges.
Völkerverständigung
Die Erfahrung mit einem britischen Besatzungsoffizier, der aus dem von Deutschen zerstörten Coventry stammte, sich aber weit über seine dienstlichen Pflichten hinaus für den Wiederaufbau Kiels einsetzte, bewog Gayk, Kontakte nach Coventry zu suchen. Sie wurden erwidert und führten zur Gründung der "Gesellschaft der Freunde Coventrys" am 2. April 1947[51]. Aus dieser Initiative, die von allen Bereichen der Gesellschaft - Stadtverwaltung, Universität, Schulen, Parteien, Gewerkschaften, Wirtschaft, Kirche und Jugendverbänden - getragen und von der Landesregierung unterstützt wurde, erwuchs eine bis heute andauernde Partnerschaft der beiden Städte.
Schon vom 15.-20. September 1947 veranstaltete die Stadt auf Initiative Gayks die "Septemberwoche - Kiel im Aufbau", eine Kulturwoche, in deren Zentrum Frieden, Humanität und Völkerverständigung "über alle Grenzen der Nationen und Parteien hinweg" stehen sollten. 1948 wurde sie unter dem Motto "Kiel stellt sich um" wiederholt und ab 1949 mit dem mittlerweile wieder stattfindenden sommerlichen Segelereignis "Kieler Woche" zusammengelegt. Der Anspruch Andreas Gayks besteht bis heute, auch wenn nach äußerem Anschein die Kieler Woche viel von ihrem kulturellen Charakter zugunsten verstärkter Kommerzialität eingebüßt hat.
Landespolitik
Von 1946 bis 1954 war Andreas Gayk Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtages, zunächst in den beiden ernannten Landtagen, dann als direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis 18 (Kiel IV (Ost), später 21 (Kiel-Ost)). Am 12. September 1954 wurde er wieder direkt im Wahlkreis 28 (Kiel-Ost) gewählt, konnte das Mandat wegen seiner fortgeschrittenen Krebserkrankung jedoch nicht mehr antreten.
Während seiner Zeit als MdL war er von Beginn an Fraktionsvorsitzender, führte den Vorsitz im Landesplanungsausschuss und gehörte den Ausschüssen für Wirtschaft und Verkehr und für Sonderverwaltungen an, später den Ausschüssen für Aufbau, für Verwaltung und Geschäftsordnung, für die Wahrung der Rechte der Volksvertretung, dem Polizei- und dem Finanzausschuss. Die gesamte Zeit war er auch Mitglied im Ältestenrat des Parlaments. Einer seiner Nachfolger bescheinigt ihm "Prinzipientreue, Taktik und Härte"[52].
Albert Schulz, der als Leitender Bezirkssekretär und stellvertretender Vorsitzender mit ihm zusammenarbeitete, urteilt:
"Andreas Gayk war eine sehr starke politische Persönlichkeit. [...] Er hatte in der schleswig-holsteinischen Partei auch im Landesvorstand eine sagenhafte Autorität. Der unterwarf sich in den Sitzungen auch der sonst sehr eigenwillige Hermann Lüdemann [...]"[31]
Auch im Landtag trat Andreas Gayk für Versöhnung und Völkerverständigung ein. Auf der Eröffnungssitzung des ersten gewählten Landtages, am 8. Mai 1947, forderte er vom Parlament einen "angemessenen Beitrag für die Kinder von Lidice", die 20 überlebenden Waisen des deutschen Massakers von 1942. Dies sollte zeigen, dass
"es noch ein anderes Deutschland gibt, ein Deutschland, das sich schaudernd von dieser Vergangenheit abwendet und das bereit ist, Schulter an Schulter mit allen friedliebenden Nationen Europas eine bessere Welt wieder aufzubauen [...]."[52]
Arbeit am Grundgesetz
1948 wählte der Landtag ihn in den Parlamentarischen Rat, der das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland erarbeitete; er gehörte auch hier dem Fraktionsvorstand an.
Testament
Wortlaut des Kommunalpolitischen Testaments von Andreas Gayk, das er in seinen letzten Lebenstagen verfasste:
"Nicht nur von meiner Arbeit im Rathaus, auch von meinen politischen Freunden trenne ich mich in diesem geschichtlichen Augenblick sehr schwer. Ich bin, solange ich geistig mündig war, Sozialist gewesen, und ich bin es auch heute noch, und ich bin stolz darauf.
Ich habe die Trennung des freiheitlichen Sozialismus vom bolschewistischen Machtstaat wachen Geistes miterlebt, und es gehört zu den größten geistigen Enttäuschungen meines Lebens, daß nicht nur gewissenlose politische Demagogen, sondern daß auch prominente Vertreter unseres geistigen Lebens, wie Professoren und Schriftsteller, von dieser Revolution in der Geschichte des Sozialismus bis heute keine Notiz genommen haben. Die Folgen können eines Tages ebenso verheerend sein wie die Entfremdung zwischen Obrigkeit, Kirche und Arbeiterschaft.
Die Entfremdung zwischen Staat und Arbeiterschaft hat nicht nur am Ende der Weimarer Republik zu verhängnisvollen Fehlentscheidungen geführt. Neuerdings steht die Sozialdemokratie wieder einmal am Scheideweg. Mit tiefer Sorge sehe ich die Tendenzen einer Minderheit auf dem letzten Parteitag, den Notwendigkeiten einer wirklichkeitsnahen Politik auszuweichen und aus dem Sozialismus wieder eine Art Heilslehre zu machen.
Vor einem solchen Rückfall in die Illusionen der Vergangenheit kann ich nicht dringend genug warnen. Diese Politik ist geistig bequemer ja, aber sie muß, wie die utopischen Vorstellungen über die Macht der Internationale bewiesen, notwendig, wie 1914, zum Zusammenbruch und zur völligen Enttäuschung der überzeugten Anhänger führen. Wer praktische Politik treiben will, der muß sich auch mit der Sünde der Tat beflecken. Eine Partei, deren unmittelbares Ziel nicht die Eroberung der politischen Macht im Staate ist, um die wirklichkeitsnahen Ziele ihrer Wähler zu verwirklichen, eine solche Partei zieht sich auf das politische Altenteil zurück, sie gibt sich im Grunde selber auf.
Wer es für unmöglich hält, in Deutschland eine lebendige Demokratie und damit auch eine demokratische Wehrmacht aufzubauen und den alten Gegensatz zwischen der feudalen Armee und der Arbeiterschaft aufzuheben, der soll die Finger von der Politik lassen (auch wenn er zufällig Bundestagsabgeordneter ist)[53].
Die Tatsache, daß eine Aufgabe schwer ist, ja daß sie möglicherweise erst nach wiederholten Anläufen erreicht werden kann, beweist noch nicht ihre Unlösbarkeit. Die Arbeiterschaft hat vor vielen anderen gleich großen Aufgaben nicht resigniert, und sie hat sie durchgesetzt."[54]
Ehrungen
Laut einem Eintrag im Landtagsinformationssystem erhielt Andreas Gayk 1954 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland; ein Datum ist nicht genannt.
Am 21. Oktober 1954 beschloss die Kieler Ratsversammlung, die Neue Straße in Kiel in Andreas-Gayk-Straße umzubenennen.
Im Juni 1955 wurde ihm posthum den Kulturpreis der Stadt Kiel zuerkannt. Im Zusammenhang damit schuf der Bildhauer Zoltan Szekessy im Auftrag der Stadt eine Bronzebüste von Andreas Gayk, die heute vor dem OB-Amtszimmer im Kieler Rathaus aufgestellt ist (vgl. Bild rechts).[55] Rechts davon, an der Wand zum Magistratssaal, steht eine Vitrine mit Erinnerungsstücken an den Parlamentarischen Rat, u.a. eine unterzeichnete Kopie des Grundgesetzes, d.h. auch mit der Unterschrift von Andreas Gayk. Wann sie aufgestellt wurde, ist nicht ermittelt.
Am 5. November 1955 verlieh der Allgemeine Kieler Kommunalverein dem Verstorbenen posthum das erste Exemplar der für besondere Leistungen um die Stadt geschaffenen Goldmedaille.
1970 kaufte die Kieler Verkehrs-AG ein Ausflugsschiff, vor allem für "Butterfahrten" nach Dänemark, das sie nach Andreas Gayk benannte. Es wurde 1982 wieder verkauft.
Seit 1971 vergibt die Stadt Kiel für besondere kommunalpolitische oder bürgerschaftliche Leistungen die Andreas-Gayk-Medaille.
Stimmen
Zur Trauerfeier am 5. Oktober 1954 wurde eine Rede von Bundespräsident Theodor Heuss verlesen, der ein enger Freund gewesen war, aber selbst nicht teilnehmen konnte:
"Ich bin Andreas Gayk erst im Spätjahr 1948 [im Parlamentarischen Rate] begegnet [...]. Der untersetzte Mann da aus Kiel erschien mir als ein kampflustiges Naturell, es machte ihm offenbar Freude, mit einem heiteren Zwischenrufe Bewegung in die Sache zu bringen - aber das merkte ich bald, das schöne Temperament war nicht seine einzige Waffe. Denn die Gespräche mit ihm offenbarten den tiefen Sach-Ernst seines sorgenden Wesens. [...] Gewiß, er war ein 'Politiker', beweglich in seiner Taktik und ganz sicher nicht immer bequem in seiner unbefangenen Angriffsfreude - aber das Robuste war doch auch Schutzeinrichtung für ein empfindsames Rechtsgefühl, für ein weiches Mitleiden-Können, das das Schicksal der Bedrängten in der eigenen Seele mittrug."[56]
Auch der Journalist Gerhard E. Gründler, der seine Karriere bei der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung begann, erinnerte sich positiv:
"[Andreas Gayk war] ein auch außerhalb der SPD hochgeachteter Mann. Als Mitglied des Parlamentarischen Rates hatte er das Bonner Grundgesetz mitgeformt. Vor 1933 war er Kieler Lokalchef der Volks-Zeitung und zugleich Stadtverordneter gewesen. Dabei hatte er eine Überempfindlichkeit gegen die Arroganz und Schönrednerei von Politikern (auch solchen der eigenen Partei) entwickelt. Viel zitiert wurde seine Standardredensart über politische Schaumschläger: 'Seggt he wat oder geiht em blots dat Muul?' ('Sagt er etwas oder bewegt er nur den Mund?') Journalisten waren seiner Auffassung nach stets im Dienst, sollten sich auch nicht auf Dienststunden berufen. Dass Journalisten streiken könnten, hielt er für undenkbar: 'Und wer schreibt dann über den Streik?', fragte er.
Die Volks-Zeitung druckte zehn Tage nach Gayks Tod ein "Politisches Testament" ihres ehemaligen Lokalchefs [...]. Einen Satz aus diesem Testament habe ich damals dick angestrichen: 'Wer praktische Politik treiben will, der muß sich auch mit der Sünde der Tat beflecken. Eine Partei, deren unmittelbares Ziel nicht die Eroberung der politischen Macht im Staate ist, um die wirklichkeitsnahen Ziele ihrer Wähler zu verwirklichen, eine solche Partei zieht sich auf das politische Altenteil zurück, sie gibt sich im Grunde selber auf.'"[57]
Gert Börnsen, einer seiner Nachfolger im Amt des Oppositionsführers im Kieler Landtag, schrieb zum 100. Geburtstag über Andreas Gayk:
"In diesem Ausnahmefall war es wirklich so: Seine Persönlichkeit und Tatkraft gaben vielen Menschen neuen Mut. Andreas Gayk war eine Institution seiner Stadt, er bestimmte, übrigens sehr autoritär, tatsächlich ihre neue Gestaltung, und er verfügte über ein Gesamtkonzept, das Aufräumen, wirtschaftlichen und kulturellen Neuanfang integrierte. Sein Credo: 'Von Lobgesängen auf eine imaginäre Demokratie werden die Menschen nicht satt.'"[52]
Günther Bantzer, Kiels Oberbürgermeister von 1965 bis 1980, erzählte, dass Andreas Gayk für ihn schon als Student in Marburg ein Begriff gewesen sei - er sei unter Studierenden damals bekannt und beliebt gewesen: "Andreas Gayk war unser Vorbild!"[58]
Archive
- Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA): Pressemappe Andreas Gayk
Literatur
- Arbeitskreis Demokratische Geschichte (Hrsg.): Wir sind das Bauvolk. Kiel 1945 bis 1950 (Kiel 1985)
- Bigga, Regine / Danker, Uwe: Die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung 1892 bis 1968. Facetten aus ihrer Geschichte, in: Demokratische Geschichte 3/1988, S. 427-436
- Börnsen, Gert: Andreas Gayk - 100 Jahre. In: SPD-Landtagsfraktion: Andreas Gayk (Kiel 1993)
- Danker, Uwe: "Raus aus dem Elend". Selbstverortung und Programmatik schleswig-holsteinischer Nachkriegspolitik in sozialdemokratischer Regie, in: Demokratische Geschichte 19(2008), S. 145-169
- Geckeler, Christa: Kieler Erinnerungstag: Am 1. Oktober 1954 verstarb Andreas Gayk - der bedeutendste Kieler Oberbürgermeister der Nachkriegszeit
- Geckeler, Christa: Biografie Oberbürgermeister Andreas Gayk
- Jensen, Jürgen / Rickers, Karl (Hrsg.): Andreas Gayk und seine Zeit 1893-1954. Erinnerungen an den Kieler Oberbürgermeister (Neumünster 1974) ISBN 3-529-06147-6
- Knelangen, Wilhelm / Meinschien, Birte (Hrsg.): "Lieber Gayk! Lieber Freund!" Der Briefwechsel zwischen Andreas Gayk und Michael Freund von 1944 bis 1954 (Sonderveröffentlichung der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Bd. 78, Kiel 2015) ISBN 978-3-86935-269-5
- Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (2 Bde., Malente 1998)
- Martens, Holger: Zur Rolle von Andreas Gayk in der Kommunal- und Landespolitik 1945-1954, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte 79 (1995-1999), S. 241-276
- Rickers, Karl: Erinnerungen eines Kieler Journalisten 1920–1970 (Neumünster 1992) ISBN 3-529-02723-5
- Schilf, Ulrich / Schulte, Rolf / Weber, Jürgen / Wilke, Uta: Der Wiederaufbau der SPD nach dem Krieg, in: Demokratische Geschichte 3(1988), S. 537-558, darin S. 554-556
- Schulz, Albert: Erinnerungen eines Sozialdemokraten (Oldenburg 2000), ISBN 3814207580
- SPD-Landtagsfraktion: Andreas Gayk 1893-1954 (Kiel 1993), mit Beiträgen von Gert Börnsen, Holger Martens, Albert Witte und Karl Rickers
Tondokument
- Aufbau der Stadt Kiel. Interview mit Andreas Gayk am 22.8.1952 (10:30 min.) In: Christa Geckeler / Jensen, Jürgen (Hrsg.): Historische Tondokumente, vol. 1: Bürger bauen eine neue Stadt. (CD 73:00 min.) (Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte 2002)
Links
- Landtagsinformationssystem: Andreas Gayk
- Wikipedia: Andreas Gayk
Einzelnachweise
- ↑ Häufig heißt es, er sei im Dorf Gaarden geboren. Nach Recherchen des Kieler Stadtarchivs vom August 2015 wohnte die Familie 1893 jedoch in der Annenstraße 7a in Kiel.
- ↑ Das Dorf Gaarden wurde 1901 nach Kiel eingemeindet.
- ↑ Möglicherweise lebte er zu dieser Zeit in Lüdenscheid.
- ↑ Börnsen: Andreas Gayk, Seite 3
- ↑ 5,0 5,1 5,2 5,3 Geckeler, Christa: Oberbürgermeister Gayk, abgerufen 10.2.2018
- ↑ Adreßbuch der Stadt Kiel und Umgegend 1923 (Kiel 1923), Teil I, Seite 182
- ↑ Adreßbuch der Stadt Kiel und Umgegend 1923 (Kiel 1923), Teil IV, Seite 5
- ↑ Nachruf auf Frieda Gayk, VZ, 13.12.1960
- ↑ Beide Daten lt. Auskunft des Kieler Stadtarchivs vom August 2015.
- ↑ Geckeler, Christa: Kieler Erinnerungstag: Verbot der in Kiel erscheinenden Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung, abgerufen 10.2.2018
- ↑ Rickers, Karl: Der Journalist. In: Jensen / Rickers (Hrsg.): Andreas Gayk, Seite 52
- ↑ Börnsen: Andreas Gayk, Seite 4
- ↑ Nach Unterlagen der Kieler Meldebehörde, ermittelt vom Stadtarchiv Kiel im August 2015.
- ↑ Jensen / Rickers (Hrsg.): Andreas Gayk, S. 75 f.
- ↑ Lt. Online-Gräbersuche des Volksbundes Dt. Kriegsgräberfürsorge, abgerufen 9.11.2016.
- ↑ Vgl. Jensen / Rickers (Hrsg.): Andreas Gayk, Seite 76, wo Ludwig Weisbecker, der Gayk im Frühjahr 1943 zuletzt traf, berichtet: "er hatte kurz vorher erfahren, dass einer seiner beiden Söhne gefallen war."
- ↑ Andreas Gayk in einem Brief vom 29.7.1946. Zit. in: SPD-Landtagsfraktion: Andreas Gayk, Seite 20
- ↑ 18,0 18,1 Witte, Albert: Erinnerungen an den Wiederbeginn der Sozialdemokratie. Die SPD vor 1933 und im 3. Reich. In: Wir sind das Bauvolk (Kiel 1985), Seite 33
- ↑ Franz Osterroth: Der Parteipolitiker nach 1945. In: Jensen/Rickers: Andreas Gayk, Seite 82
- ↑ Rickers, Karl: Erlebte Weimarer Republik. Erinnerungen eines Kielers aus den Jahren zwischen 1918 und 1933. In: Paetau, Rainer / Rüdel, Holger (Hrsg.): Arbeiter und Arbeiterbewegung in Schleswig-Holstein im 19. und 20. Jahrhundert (Neumünster 1987) ISBN 3-529-02913-0, Seite 347-364, hier Seite 358
- ↑ Martens, Holger: "Raus aus dem Elend!" Andreas Gayk und die schleswig-holsteinische SPD 1945-1954. In: SPD-Landtagsfraktion: Andreas Gayk, Seite 7
- ↑ Andreas Gayk an Michael Freund, 11.12.1945, zit. in: Knelangen, Wilhelm / Meinschien, Birte (Hg.): "Lieber Gayk! Lieber Freund!" Der Briefwechsel zwischen Andreas Gayk und Michael Freund von 1944 bis 1954 (Kiel 2015), Seite 15
- ↑ Vgl. Rickers: Erinnerungen, Seite 228
- ↑ Jensen / Rickers (Hrsg.): Andreas Gayk, Seite 206
- ↑ Adressbücher der Stadt Kiel, Stadtarchiv Kiel
- ↑ Vgl. Rickers: Erinnerungen, S. 230
- ↑ 27,0 27,1 Jensen / Rickers (Hrsg.): Andreas Gayk, Seite 222
- ↑ Schulz: Erinnerungen, S. 143
- ↑ Brief an Stadtrat Hermann Hartmann, zit. in Jensen / Rickers (Hrsg.): Andreas Gayk, S. 105
- ↑ Oberbürgermeister Andreas Gayk †, VZ, Sonderausgabe vom 1.10.1954
- ↑ 31,0 31,1 31,2 31,3 Schulz, Erinnerungen, S. 143
- ↑ Nachruf auf Frieda Gayk, VZ, 13.12.1960
- ↑ Börnsen, Gert: Andreas Gayk, Seite 6
- ↑ Martens, Holger: Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Schleswig-Holstein 1945 - 1959 (Malente 1998), ISBN 3-933862-24-8, Seite 93
- ↑ Schulz: Erinnerungen, S. 142. Wen der Bezirksvorsitzende verhindern wollte, darüber schweigt Albert Schulz sich aus.
- ↑ Sozialistische Mitteilungen No 87, Juni 1946, Seite 9
- ↑ Jensen / Rickers (Hrsg.): Andreas Gayk, S. 219-222
- ↑ 38,0 38,1 Osterroth, Franz / Schuster, Dieter: Chronik der deutschen Sozialdemokratie, Band 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (2., neu bearb. und erw. Aufl. 1975. Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001)
- ↑ VZ, 18.11.29
- ↑ Kieler Zeitung, 13.3.33
- ↑ Witte, Albert: Erinnerungen an den Wiederbeginn der Sozialdemokratie. Die SPD vor 1933 und im 3. Reich. In: Wir sind das Bauvolk (Kiel 1985), S. 34
- ↑ Friedrich, Jörg: Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945 (Frankfurt/Main, Zürich/Wien 2003) ISBN 3-7632-5377-7, Seite 192
- ↑ Vgl. Rickers: Erinnerungen, S. 271
- ↑ Kalweit, Susanne (Hrsg.): "Ich hab' mich niemals arm gefühlt!" Die Kielerin Rosa Wallbaum berichtet aus ihrem Leben (Berlin/Hamburg 2010), ISBN 978-3-86850-644-0, S. 173
- ↑ Seit der ersten Stunde dabei: Ida Hinz, Kieler Nachrichten, 12.10.1971
- ↑ So berichtet bei Franke, Egon: Ein leidenschaftlicher Sozialdemokrat. In: Jensen / Rickers (Hrsg.): Andreas Gayk, S. 93
- ↑ Bürgerinnen sind kaum zu sehen, im Gegensatz zur Realität, in der sie als "Trümmerfrauen", Ehrenamtlerinnen und Politikerinnen wesentlich zum Wiederaufbau beitrugen.
- ↑ Geckeler, Christa: Kieler Erinnerungstag: 24. Juni 1957 - Einweihung des Reliefs Bürger bauen eine neue Stadt, abgerufen 10.2.2018
- ↑ Rickers: Erinnerungen, S. 253.
- ↑ Jürgensen, Christoph: Gayk-Wäldchen wird lichter, Kieler Nachrichten, 18.11.2013
- ↑ Geckeler, Christa: Kieler Erinnerungstag: 2. April 1947 Gründung der "Gesellschaft der Freunde Coventrys", abgerufen 10.2.2018
- ↑ 52,0 52,1 52,2 Börnsen: Andreas Gayk, Seite 5
- ↑ Dieser Satz richtete sich offensichtlich gegen den damaligen Kieler Bundestagsabgeordneten Fritz Baade.
- ↑ VZ, 1.10.1954
- ↑ Akte 51398 (Büste Andreas Gayk 1959-1973), Stadtarchiv Kiel; Akte Kulturpreis 1955, Bd. 1, Stadtarchiv Kiel
- ↑ Heuss, Theodor, handschriftliche Rede zum Tod von Andreas Gayk (Oktober 1954), seit Oktober 2024 im Stadtarchiv Kiel.
- ↑ Gerhard E. Gründler, abgerufen 25.10.2016
- ↑ Offener Kanal Kiel: Lass mal schnacken - Günther Bantzer, Folge 55, 5.12.2015
Andreas Gayk (1946-1954) | Hans Müthling (1955-1965) | Günther Bantzer (1965-1980) | Karl Heinz Luckhardt (1980-1992) | Otto Kelling (1992-1996) | Norbert Gansel (1997-2003) | Torsten Albig (2009-2012) | Susanne Gaschke (2012-2013) | Ulf Kämpfer (seit 2014)
Landesvorsitzende: Heinrich Lienau (1891 - 1904) | E. Saalfeld (1905) | Friedrich Bartels (1906 - 1913) | Heinrich Kürbis (1913 - 1919) | Carl F. Alps (1919) | Rudolf Hackelberg (1919 - 1921) | Willy Verdieck (1921 - 1933) | Theodor Werner (1945 - 1946) | Wilhelm Kuklinski (1945 - 1947) | Heinrich Fischer (1947 - 1948) | Andreas Gayk (1948 - 1954) | Walter Damm (1955 - 1965) | Jochen Steffen (1965 - 1975) | Günther Jansen (1975 - 1987) | Gerd Walter (1987 - 1991) | Willi Piecyk (1991 - 1999) | Franz Thönnes (1999 - 2003) | Claus Möller (2003 - 2007) | Ralf Stegner (2007 - 2019) | Serpil Midyatli (Seit 2019)
Fraktionsvorsitzende: Wilhelm Kuklinski (1946 - 1946) | Andreas Gayk (1946 - 1950) | Bruno Diekmann (1950 - 1953) | Wilhelm Käber (1953 - 1966) | Jochen Steffen (1966 - 1973) | Klaus Matthiesen (1973 - 1983) | Björn Engholm (1983 - 1988) | Gert Börnsen (1988 - 1996) | Ute Erdsiek-Rave (1996 - 1998) | Lothar Hay (1998 - 2008) | Ralf Stegner (2008-2021) | Serpil Midyatli (2021-2022) | Thomas Losse-Müller (2022-2023);| Serpil Midyatli (2023-heute)
Fraktionsvorsitzende: Andreas Gayk (1945-1950) | Karl Langbehn (1950-1956) | Gustav Schatz (1956-1966) | Heinz Lüdemann (1966-1970) | Karl Heinz Luckhardt (1970-1971) | Fritz Quade (1971) | Siegfried Zimmermann (1971-1975) | Egon Müller (1975) | Claus Möller (1975-1981) | Holger Ipsen (1981-1988) | Waltraut Siebke (1988-1994) | Hans-Werner Tovar (1994-1996) | Eckehard Raupach (1996-1998) | Jürgen Fenske (1998-2000) | Cai-Uwe Lindner (2000) | Eckehard Raupach (2001-2003) | Cathy Kietzer (2003-2008) | Ralph Müller-Beck (2008-2009) | Gesa Langfeldt (2009-2013) | Hans-Friedrich Traulsen (2013-2018) | Gesa Langfeldt (2018-2023) | Christina Schubert (2023-)